Hunde und Katzen dürfen nicht mehr frei herumlaufen. Tierschützer haben Zweifel. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Leinenzwang? Davon ist auf der Hundeauslauffläche an der Außenalster nur wenig zu spüren. Ein Australian Shepherd steckt voller Energie – und die muss raus. Er tobt wild herum und spielt mit zwei braunen Labradoren, mittendrin wuseln noch kleine Möpse umher. Sie jagen sich und tollen herum. Die Hunde spielen miteinander, die Besitzer halten Klönschnack. So, wie das auf der Hundewiese jeden Tag so ist.

Und doch war es gestern anders als sonst, denn dass die Hunde frei herumlaufen, ist nicht mehr erlaubt. Schon seit Montag gilt Leinenzwang für Hunde – und zwar in ganz Hamburg. Auch Katzen dürfen in den kommenden 21 Tagen nicht mehr frei herumlaufen.

Bei drei Wildvögeln wurde H5N8 nachgewiesen

Vom Leinenzwang hatte Helmut Köhler noch gar nichts gehört: Seine beiden Labradore laufen frei, wie immer. „Drei Wochen sind ja nicht so lang, und wenn das Gesetz so ist, kann man nichts machen“, sagt Georg Ega. Er wird seinen Hund anleinen. Ein Halter eines Australian Shepherds, der seinen Namen nicht nennen möchte, sieht die behördlichen Vorgaben skeptischer, versteht nicht, welche Gefahr von seinem Hund ausgehen sollte: „Mein Hund braucht seinen Auslauf.“

Kommentar: Leinenzwang wirkt hysterisch

Den Leinenzwang hatte die Gesundheitsbehörde veranlasst, nachdem am vergangenen Sonntag bei drei verendeten Wildvögeln in Rothenburgsort der gefährliche Geflügelpest-Erreger H5N8 nachgewiesen worden war. Hunde und Katzen dürfen sowohl im eigentlichen Sperrbezirk mit einem Radius von drei Kilometern um den Fundort der Vögel als auch in einem größer gefassten „Beobachtungsgebiet“ mit einem Radius von zehn Kilometern rund um den Fundort nicht mehr frei herumlaufen. „Es besteht die Gefahr, dass dies das H5N8-Virus nach dem Kontakt mit verendeten Vögeln weiter verbreitet“, heißt es aus der Gesundheitsbehörde.

Viele Hamburger informieren sich beim Bürgertelefon

Hamburgs Tierhalter sind seit Tagen verunsichert. Viele Hamburger hätten sich seit dem Auftreten des Vogelgrippe-Virus ans Bürgertelefon der Stadt Hamburg gewandt (Telefon 115). Es habe Mitteilungen über Funde von toten Vögeln gegeben. „In den meisten Fällen handelte es sich um besorgte Hunde-, Katzen- und Geflügelbesitzer“, sagt Rico Schmidt, Sprecher der zuständigen Gesundheitsbehörde.

Auch bei Tierarzt Michael Garner von „Cats Only“ aus Eimsbüttel, der auf Katzen spezialisiert ist, gingen am Dienstag viele Anrufe ein: „Wie erkenne ich, ob meine Katze Vogelgrippe hat? Stirbt sie daran?“ Solche und ähnliche Fragen werden sich in den kommenden Tagen häufen, weiß der Veterinär. Das war auch bei der vorigen Geflügelpest so. Zwar seien 90 Prozent seiner Patienten reine Wohnungskatzen, aber für die übrigen Katzen, sogenannte Freigänger, können die kommenden 21 Tage hart werden. Sein Tipp für Halter von Freigängern: „Sorgen Sie für ausreichend Abwechslung, für Spielmöglichkeiten und für Sitz- und Liegegelegenheiten in der Höhe. Das mögen Katzen. Sie sollten ein großes Katzenklo anschaffen und das Streu acht bis zehn Zentimeter hoch einfüllen.“ Es könne jedoch passieren, dass Katzen, die nun drinnen bleiben müssen, ihr Geschäft irgendwo in der Wohnung verrichten, aus Frust.

Kritik am Leinenzwang und am „Stubenarrest“ für Katzen kommt vom Hamburger Tierschutzverein von 1841 e. V. Sein Sprecher Sven Fraaß sagt: „Diese Maßnahmen sind Augenwischerei, und wir bezweifeln deren Erfolg.“ Katzen einzusperren und Hunde anzuleinen werde nichts an der Ausbreitung der Vogelgrippe ändern. Diese Anordnung stehe in keinem Verhältnis und werde nicht helfen, die Seuche einzudämmen. Komme ein Hund oder eine Katze mit infiziertem Kot oder Kadaver in Kontakt, werde er das Virus kaum an heimisches Geflügel im Haus der Besitzer oder an andere Wildvögel weitertragen. Auch ein Hund, der an der Leine ist, könne in infizierten Vogelkot treten. Menschen übrigens auch.

Bezirk Mitte will Leinenzwang stärker kontrollieren

Aus dem Friedrich-Loeffler-Institut für Tiergesundheit heißt es dazu, dass die Infektion von Säugetieren mit der Vogelgrippe eher unwahrscheinlich ist. Hunde oder Katzen bergen aber ein Verschleppungsrisiko, indem sie mit infizierten Kadavern oder Kot in Berührung kommen und den Erreger an vielen Stellen in der Umwelt verbreiten. „Insofern ist eine Anleinpflicht auch in Großstädten durchaus sinnvoll“, sagt Sprecherin Kristin Schalkowski.

Unterdessen hat das Bezirksamt Hamburg-Mitte angekündigt, die Einhaltung des Leinenzwangs verstärkt zu kontrollieren. Gleichzeitig steht aber nicht fest, woher das zusätzliche Personal kommen soll. Sollte ein Mitarbeiter einen Hundehalter antreffen, dessen Hund ohne Leine ist, kann ein Ordnungswidrigkeitsverfahren angestrengt werden. Zunächst aber werde es der Mitarbeiter wohl bei einer Ermahnung belassen. Wer aber häufiger erwischt wird und seinen Hund unangeleint herumlaufen lässt, muss mit Bußgeldern bis zu 30.000 Euro rechnen. Das hat die Hamburgerin Larissa Zolotar abgeschreckt. Sie führt ihre Möpse Tessa und Carlos an der Leine. Sie merkt allerdings schon am ersten Tag, wie genervt und unausgeglichen die beiden sind.

Die Gesundheitsbehörde hat auf www.hamburg.de eine Liste von Fragen und Antworten zum Thema veröffentlicht. Hier ein Auszug:


Ist Geflügelpest für
Menschen gefährlich?

Infektionen des Menschen mit den aktuell auftretenden H5N8-Viren wurden bislang weltweit nicht nachgewiesen.

Können Haustiere wie Hunde und
Katzen selbst infiziert werden?

Fleischfresser wie Hunde und Katzen können sich theoretisch infizieren, wenn sie große Mengen des Erregers aufnehmen. Praktisch sind solche Fälle bislang nicht bekannt geworden. Hunde und Katzen können das Virus allerdings weiterverbreiten. Daher soll ein Kontakt mit toten oder kranken Vögeln verhindert werden.

Ist Vogelkot gefährlich?

Eine Infektionsgefahr von Tier zu Mensch ist nicht gegeben. Vögel scheiden jedoch mit ihrem Kot immer verschiedenste Erreger aus. Deshalb sollte man sich nach dem Kontakt mit Wildvögeln oder ihren Ausscheidungen gründlich die Hände waschen.

Kann man Geflügelfleisch auch essen,
wenn die Seuche ausgebrochen ist?

Das Virus ist hitzeempfindlich. Daher ist der Konsum von vollständig durcherhitztem Fleisch und vollständig durcherhitzten Eiern unbedenklich.

Welche Regelungen für Geflügelhalter
gelten derzeit in Hamburg?

Seit dem 14. November gilt in Hamburg ein Aufstallungsgebot, wonach das Geflügel bis auf Weiteres in Ställen oder überdachten und geschützten Volieren untergebracht werden muss.

Kann ich ein Vogelhäuschen aufbauen?

Vom Menschen angebotenes Futter entspricht oftmals nicht dem Bedarf der Vögel und kann schädlich sein. Daher wird von einer Fütterung abgeraten.

Dürfen Enten, Schwäne
und Tauben gefüttert werden?

Enten und Schwäne sollten – unabhängig von der Geflügelpest – grundsätzlich nicht gefüttert werden.

Was kann man tun, um ein Weiterver-
breiten dieser Seuche zu verhindern?

Die Geflügelpest lässt sich sehr leicht verbreiten – über Kleidung oder Schuhe. Jeder kann den Erreger so unbewusst weitertragen. Das Virus kann vorhanden sein, ohne dass man es bemerkt. Deshalb sollte man beim Fund von toten Vögeln die Kadaver nicht anfassen.

Was soll man tun, wenn man
tote Vögel findet?

Bei Fund von toten Wasservögeln (zum Beispiel Schwäne, Enten, Gänse und Möwen), toten Greifvögeln (zum Beispiel Habichte und Bussarde) sowie toten aasfressenden Vögeln (zum Beispiel Krähen) sollte der Fund unter Telefon (040) 115 (montags bis donnerstags von 8 bis 16 Uhr und freitags von 8 bis 15 Uhr) gemeldet werden. Außerhalb dieser Zeiten werden Meldungen unter Telefon (040) 428 37 22 00 entgegengenommen.