Hamburg. Verfassungsschutz: 2016 ist kein Dschihadist nach Syrien oder in den Irak gelangt. Aber Kritik an Präventionsstrategie.
Die Zahl der Hamburger, die im Ausland für die Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS) kämpfen wollen, geht deutlich zurück. Seit Jahresbeginn reiste nach den Erkenntnissen des Verfassungsschutzes kein Islamist aus der Hansestadt erfolgreich nach Syrien und in den Irak aus. Das geht aus der Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage der FDP-Abgeordneten Anna von Treuenfels-Frowein und Carl Jarchow vor, die dem Abendblatt vorliegt.
Ausreisen nach Syrien und in den Irak wurden verhindert
Im Jahr 2015 waren etwa 15 Menschen aus dem Großraum Hamburg in den Dschihad gezogen. Vier mutmaßliche Islamisten versuchten den Angaben zufolge in diesem Jahr, nach Syrien und in den Irak auszureisen – die Behörden konnten dies jedoch durch den Entzug des Reisepasses verhindern. Eine weitere Person, die zuvor in Hamburg beobachtet worden war, zog zunächst nach Hessen und reiste von dort in die Kampfgebiete aus. Ein IS-Kämpfer kehrte nach Senatsangaben im Jahr 2016 nach Hamburg zurück.
Der Verfassungsschutz hatte den Entzug von Reisepässen bereits im vergangenen Jahr als probates Mittel gegen ausreisewillige Islamisten gesehen. Die abnehmende Zahl von Rekruten könnte zudem mit den militärischen Niederlagen der Terrormiliz zusammenhängen. Die salafistische Szene in Hamburg wächst aber seit Jahren weiter an, aktuell werden ihr 673 Personen zugerechnet (davon 319 gewaltbereite Dschihadisten). Der Anstieg ist auch der verstärkten Aufklärung der Behörden geschuldet. Die Fragestellerin der FDP sieht die Entwicklung mit Sorge: „Der rot-grüne Senat hat nach wie vor keine Kontrolle über die salafistische Szene“, sagte Anna von Treuenfels-Frowein.
FDP kritisiert fehlende Aufklärung bei Flüchtlingen
Wie die Anfrage der FDP weiterhin ergab, wurden seit August auch erneut zwei Vorfälle an Schulen mit mutmaßlich islamistischem Hintergrund registriert. In einem Fall zeigte ein Kind seinen Mitschülern Videos von IS-Propaganda. Der Verfassungsschutz beobachtet mögliche Versuche, Salafisten als Flüchtlinge in Hamburg einzuschleusen. Dazu gebe es derzeit „verschiedene Verdachtslagen“, heißt es in der Senatsantwort. Es finde aber offenbar keine systematische Überprüfung im Umfeld der Flüchtlingsunterkünfte statt, kritisiert die FDP-Politikerin von Treuenfels-Frowein. Dies sei „höchst fahrlässig“.
Für Präventionsarbeit gibt es nur eine halbe Stelle
Um die Radikalisierung weiterer junger Hamburger zu verhindern, setzt der Senat auf das Beratungsnetzwerk Legato, in dem auch muslimische Gemeinden eingebunden sind. Obwohl darin bereits zum Oktober zwei neue Stellen für Mitarbeiter geschaffen wurden, ist in Wirklichkeit bislang nur eine halbe Stelle besetzt. Anne von Treuenfels-Frowein forderte den Senat auf, die Präventionsstrategie konsequenter umzusetzen.
„Wenn Rot-Grün hier versagt, braucht es niemanden zu wundern, wenn Rechtspopulisten erfolgreich mit den Ängsten der Bürger spielen“, sagt Anna von Treuenfels-Frowein.