Hamburg. Schwerer Rückschlag für die Frauen in der Partei: Auf der Landesliste zur Bundestagswahl stehen auf den ersten vier Plätzen nur Männer.
Dass die Hamburger CDU Konflikte krampfhaft unter dem Deckel zu halten versucht, kann man ihr nicht vorwerfen. Zur Präsentation der Landesliste für die Bundestagswahl 2017 hatte Parteichef Roland Heintze am Sonntag nicht nur Hans-Detlef Roock mitgebracht, den Vorsitzenden des 17er-Ausschusses, der den Vorschlag für die Liste erarbeitet hat, sondern auch Birgit Stöver. Dabei dürfte Heintze bewusst gewesen sein, dass ihm das, was die Bürgerschaftsabgeordnete und stellvertretende CDU-Landesvorsitzende zu sagen hatte, kaum gefallen dürfte.
Es sei ihr „nicht verständlich“, dass der 17er-Ausschuss die CDU-Bundesstatuten missachtet habe, sagte Stöver. „Das Quorum besagt, dass unter den ersten drei Plätzen eine Frau sein soll. Aber selbst eine Frau, die im Bundestag gute Arbeit geleistet hat, wurde dafür nicht berücksichtigt“, so Stöver mit Blick auf die Harburg-Bergedorfer Bundestags-Abgeordnete Herlind Gundelach (67), die als erste Frau nur auf Platz fünf platziert werden soll. „Diese Nichteinhaltung des Quorums gefällt mir nicht“, sagte Stöver. Das saß.
Da konnten Heintze und Roock noch so oft betonen, wie „ausgewogen“ und „mehrheitsfähig“ die Liste sei, dass sie gleichzeitig für „Erneuerung“ und „Erfahrung“ stehe. Die Fakten blieben eindeutig: Das selbst gesteckte Ziel, mehr Frauen in Führungsverantwortung zu holen oder wenigstens dort zu halten, hat die CDU mit dieser Liste offenbar aufgegeben.
CDU schickt Weinberg und Kruse
Angeführt werden soll sie erneut von den beiden langjährigen Bundestagsabgeordneten Marcus Weinberg (49) aus Altona und Rüdiger Kruse (55) aus Eimsbüttel. Nach der ohne Gegenstimme vom 17er-Ausschuss beschlossenen Empfehlung folgt auf Platz drei aber nicht mehr, wie noch 2013, die frühere Wissenschaftssenatorin Gundelach, sondern mit Christoph de Vries (41) der CDU-Kreisvorsitzende in Hamburg-Mitte. Platz vier soll Christoph Ploß (31), der neue starke Mann aus Hamburg-Nord, einnehmen. Beide sollen die „Erneuerung“ verkörpern und gleichzeitig das konservative Element stärken, sagte Heintze.
Erst auf Platz fünf soll Gundelach folgen - ein schwerer Rückschlag für die Frauen in der Partei, die seit Jahren versuchen, die Männerwirtschaft in der Union aufzubrechen. Denn das ist nicht nur ein klarer Verstoß gegen die von Stöver angesprochenen Bundesstatuten, nach denen unter den ersten drei Bewerbern auf einer Liste mindestens eine Frau sein sollte. Sondern es könnte auch dazu führen, dass die Hamburger CDU gar keine Frau mehr nach Berlin schickt. Denn angesichts der Umfragewerte der Union gelten nur noch die ersten vier Plätze auf der Liste als relativ sicheres Ticket nach Berlin. Dass, wie 2013, auch der fünfte Platz noch zieht, glauben die Wenigsten.
Gundelach denkt über Kampfkandidatur nach
Die Platzierung von Gundelach sei daher ein „Dammbruch“, sagte Karin Prien dem Abendblatt. „Ich halte den Vorschlag des 17er-Ausschuss es für eine falsche Entscheidung“, so die stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende in der Bürgerschaft. „Man darf das Frauen-Quorum nicht nach Belieben zur Disposition stellen.“ Alle Christdemokratinnen müssten sich jetzt „solidarisch mit Herlind Gundelach“ zeigen und sie dabei unterstützen, doch noch unter den ersten drei platziert zu werden. Denn die abschließende Entscheidung, darauf hatten auch Heintze und Stöver verwiesen, fällt erst auf einem Parteitag am 8. Dezember. „Das ist ein offenes Verfahren“, so Heintze.
Ob Gundelach es dann auf eine Kampfkandidatur gegen einen der Herren auf den ersten drei Plätzen ankommen lässt, wusste sie am Sonntag noch nicht. Darüber müsse sie noch nachdenken, sagte Gundelach dem Abendblatt. Aus der Enttäuschung über ihre Platzierung machte sie aber keinen Hehl: „Das ist ein Fehler, der der CDU langfristig nicht gut tun wird. Denn wenn Frauen sehen, dass sie in der CDU nichts erreichen können, könnte sie das abschrecken. Wir brauchen aber Frauen, die etwas erreichen wollen.“
Keine Gegenstimme gegen Listenvorschlag
Das Thema beschäftigt die CDU seit Jahrzehnten. 2012 war die Partei schon einmal kurz davor, eine Quote einzuführen. Doch letztlich fand sich dafür keine Mehrheit. Auch der früher von Mythen umrankte 17er-Ausschuss ist zu 90 Prozent männlich besetzt. Er besteht aus Mitgliedern des Landesvorstands, Vertretern der sieben Kreisverbände sowie den Vorsitzenden von Junge Union, Frauen-Union und anderen Partei-Organisationen. Er tariert im Vorfeld von Wahlen die unterschiedlichen Interessen aus und entwickelt daraus einen Vorschlag für die Landesliste. „Dabei müssen viele Probleme gelöst werden“, sagte Roock und fügte hinzu, das sei „ganz gut gelungen“. Tatsächlich gab es gegen den Listenvorschlag keine Gegenstimme, auch nicht aus der Frauen-Union.
Allerdings räumte Roock auch ein, dass man nie alle Probleme gelöst bekomme. „Und das Frauen-Problem konnten wir halt nicht lösen.“ Auch Heintze sagte, ihm sei „klar, dass wir da Diskussionen haben werden.“ Dennoch waren Heintze und Roock auch bemüht, die Vorzüge herauszustreichen: „Die Liste stellt die ganze inhaltliche Bandbreite der CDU Hamburg dar. Unsere Vorschläge stehen für eine verlässliche bürgerliche Politik, die die Mittelschicht im Blick hat.“ Im übrigen habe die Hamburger CDU derzeit ja fünf Bundestagsmandate, so Heintze, „und die wollen wir verteidigen“.
Dann wäre Herlind Gundelach auch wieder dabei.