Neustadt. Ihr früherer Partner wollte sich an der 37-jährigen Frau rächen und drohte ihr, sie an ein Bordell im Ausland zu verkaufen.

Am schlimmsten sind die Nächte. Die Dunkelheit, in der sich das erlebte Drama nicht verdrängen lässt und böse Erinnerungen der Frau den Schlaf rauben. „Es ist ein Trauma, bis an mein Lebensende“, fürchtet Liliana S. (alle Namen geändert) angesichts der Stunden, in denen ihr bis dahin gekanntes Leben aufs Grausamste in Scherben zersplitterte. Jene Zeit, in der die 37-Jährige entführt, gedemütigt und schwer verletzt wurde und Todesängste erlebte.

Jetzt sitzt die Mutter zweier Kinder keine fünf Meter entfernt von jenem Mann, der nach Kräften dazu beigetragen haben soll, dass sie ein Martyrium durchlitt. Er, Milosz R., Angeklagter im Prozess vor dem Landgericht, ein Mann mit Igelfrisur und herausforderndem Blick, und sie, ein zierliches Opfer, dessen Augen sich immer wieder mit Tränen füllen. Die Frau scheint schon zu Beginn ihrer Aussage am Ende ihrer Kräfte. „Muss ich das alles erzählen?“, fragt sie mit zaghafter Stimme. „Ich weiß nicht, ob ich das schaffe.“ Doch sie schafft es, trotz ihrer Ängste und Albträume, die ihr die Gewalttat bis heute bereitet.

Ihr früherer Partner Adam K. wollte sich rächen

Die Geiselnahme war offenbar ein Racheakt ihres früheren Partners Adam K. Er ist laut Staatsanwaltschaft derjenige gewesen, der den Entschluss fasste, Liliana S. zu entführen und an ein Bordell im Ausland zu verkaufen. Der Ex-Lebensgefährte von Liliana S. wurde bereits in einem gesonderten Verfahren für die Tat vom Juni 2015 zu sieben Jahren Haft verurteilt. In dem Angeklagten Milosz R. soll Adam K. einen willigen Mittäter gefunden haben. Milosz R. wurde erst später gefasst. Zum Auftakt seines Prozesses, der noch bis zum Februar terminiert ist, hat der 44-Jährige geschwiegen. Doch bei einer früheren Vernehmung hat er gesagt, er habe mit der Entführung der Frau „nichts zu tun“.

Es deutet indes einiges darauf hin, dass er doch beteiligt war. Am Tatort fanden Ermittler eine Zigarette mit einer DNA-Spur, die dem Mann später zugeordnet wurde. Zudem ist die Zeugin sicher, Milosz R. als denjenigen zu erkennen, der an dem Verbrechen beteiligt war. Er sei es gewesen, der bei der Gewalttat die Befehle ausführte, erzählt die 37-Jährige. Und ihr früherer Partner habe entschieden, was ihr angetan werden sollte. Einst habe Adam K. noch gesagt, „ich sei die Frau seines Lebens“, sagt Liliana S. Doch dann fing er an, viel zu trinken und sie zu schlagen. Sie zeigte ihn an und floh schließlich ins Frauenhaus.

Auf dem Weg zur Arbeit wurde sie attackiert

Von dort war sie an jenem Juni-Morgen sehr früh auf dem Weg zur Arbeit, als ein Mann sie plötzlich attackiert habe. „Ich hatte ihn noch nie zuvor gesehen. Er griff mich an, schlug mich mit der Faust ins Gesicht. Ich fiel zu Boden“, schildert die Zeugin. „Er würgte mich, hielt mir ein Messer an den Hals und sagte, wenn ich noch einmal schreie, schneidet er mir die Kehle durch.“ Laut ihrer Schilderung kam nun ihr Ex-Freund hinzu und bedrohte sie zudem mit einer Pistole. Sie wurde mit Klebeband gefesselt und in eine Decke eingewickelt. Gemeinsam verfrachteten die Männer sie in den Kofferraum eines Autos und verschleppten sie in eine Wohnung. Adam K. „war der Anführer. Und der mit dem Messer war wie ein braves Kind und hat alle Befehle ausgeführt.“ Schließlich ließen die Geiselnehmer Wasser in eine Badewanne und drückten den Kopf ihres Opfers unter Wasser. Und zwischendurch immer wieder die Drohungen mit dem Messer. Milosz R. habe gesagt, „sollte er meinet­wegen ins Gefängnis kommen, würde er mich und meine Kinder töten“. Später wurde sie aus dem Haus geführt und erneut ins Auto gedrängt. „Sie sagten, sie hätten für mich 10.000 Euro bekommen, weil sie mich an ein Bordell verkauft haben.“ Nun fuhren sie in Richtung holländischer Grenze, um die Frau dort ihren neuen „Besitzern“ zu übergeben.

Auf einem Autobahnparkplatz konnte sie fliehen

Unterwegs auf der Autobahn gab die 37-Jährige vor, dringend auf die Toilette zu müssen. Schließlich konnte sie die Männer dazu überreden, an einem Parkplatz zu halten. Der Angeklagte habe im Auto gewartet, ihr Ex-Partner blieb dicht bei ihr, als sie ausstiegen. „Er hielt das Messer an meine Seite. Er sagte, solltest du fliehen, werde ich dich töten. Es gelang mir aber, mich etwa einen Meter von ihm zu entfernen. Und dann habe ich alles auf eine Karte gesetzt und fing an wegzurennen.“ Der Entführer lief zunächst hinterher, stoppte aber und floh gemeinsam mit dem Mittäter, als ein anderer Autofahrer offenbar die Notlage der Frau erkannte. „Er hielt an und fragte, ob ich Hilfe brauche“, sagt die Zeugin mit bebender Stimme. „Ihm verdanke ich, dass ich noch lebe.“