Neustadt. Um es ihren Lieben recht zu machen, veruntreute eine Buchhalterin fast 70.000 Euro – nun steht sie vor dem Amtsgericht.

Es war der Tag, als die Illusionen sich verflüchtigten und die Realität mit gnadenloser Härte auf sie einstürmte. Jener Moment, „als die Bombe platzte“, wie Katja H. (Name geändert) es nennt, und der Frau ihr Leben nur noch wie ein Trümmerfeld erschien. „Ich war total am Ende“, sagt die 41-Jährige. An jenem Tag hatte sich der Mann, in dem sie ihren Traumprinzen gesehen hatte, als Heiratsschwindler entpuppt. Unter anderem für diesen Kerl war sie zur Straftäterin geworden!

Nun sitzt die 41-Jährige im Prozess vor dem Amtsgericht und räumt mit ihrer Vergangenheit auf. „Ja, ich geb’s zu“, bestätigt die rotblonde Hamburgerin mit gesenktem Kopf die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft, sie habe gewerbsmäßig Gelder veruntreut. Laut Anklage hatte sie als Finanzbuchhalterin einer Werbeagentur über fast zwei Jahre Überweisungen vom Geschäfts- auf ihr Privatkonto veranlasst. Dabei steigerte sie die Beträge von zunächst 205 auf zuletzt 8211 Euro. Insgesamt entstand fast 70.000 Euro Schaden.

Angeklagte fiel auf Heiratsschwindler herein

Unglückliche Entwicklungen in ihrem privaten Umfeld hätten zu ihren Straftaten geführt, schildert die Angeklagte mit belegter Stimme. Ihre Mutter erkrankte vor einigen Jahren an Krebs, erzählt Katja H. „Es war mir sehr wichtig, für sie da zu sein.“ Gleichzeitig ging ihr erheblich älterer Mann in Rente, sodass dem Paar nun deutlich weniger Geld zur Verfügung stand. „Ich habe versucht, allen gerecht zu werden und zudem finanzielle Löcher zu stopfen. Da ging das los mit dem Kreislauf.“ Als Finanzbuchhalterin hatte sie alle Vollmachten, die sie zu ihrem kriminellen Gebaren brauchte: Es reichte, einen tatsächlich nicht existierenden Auftrag zu erfinden und eine fingierte Rechnung zu erstellen. Wenn etwa eine Firma für die Werbeagentur Fotoshootings übernahm, „dann gab das viele Rechnungen. Ich dachte mir einfach weitere Dienstleistungen mit zusätzlichen Rechnungen aus und habe die dann eingebucht.“

Schließlich trennte sie sich auch von ihrem damaligen Mann, weil sie sich in einen anderen verliebt hatte. Und ihre neue Flamme erzählte ihr, „er sei krank. Und er gaukelte mir vor, er brauche teure Medikamente. Das hat bei mir das Helfersyndrom ausgelöst.“ Tatsächlich war der Neue ein Heiratsschwindler. Als sie erfuhr, dass die vermeintlich große Liebe sie bloß ausgenutzt hatte, erlitt die 41-Jährige einen Nervenzusammenbruch und war mehrere Wochen krank. In jener Zeit kümmerte sich eine Vertretung um die Buchhaltung der Werbeagentur – und der Betrug flog auf. „Ich bekam einen Anruf, in dem ich gefragt wurde, was ich über die zusätzlichen Abbuchungen weiß. Ich habe sofort alles zugegeben. Erst da ist mir wirklich bewusst geworden, dass ich Menschen geschadet habe, die mir vertraut haben.“

Haft auf Bewährung

Ihren Job verlor sie umgehend, den Schaden hat sie mittlerweile vollständig zurückgezahlt und in einem anderen Bundesland ein neues Leben angefangen. Zudem habe sie eine Therapie begonnen, erzählt die Angeklagte. „Ich lerne, wo die Grenze bei dem ist, was ich für andere tun kann, und dabei nicht mehr so selbstlos zu sein.“ Die Richterin gibt zu bedenken, „dass man das durchaus auch so sehen könnte, dass Ihre Taten nicht ausschließlich selbstlos waren, sondern auch selbstsüchtig.“

17 Monate Haft mit Bewährung lautet am Ende das Urteil. Katja H. sei „nicht vorrangig durch eigensüchtige Motive geleitet worden“, sagt die Richterin, „sondern durch ein missverstandenes Helfersyndrom. Sie hatten die Annahme, Menschen seien Ihnen zugetan, wenn Sie Ihnen Geld zahlen.“ Andererseits habe sie Kollegen und Vorgesetzten betrogen. „Das überbordende Kümmern steht im Gegensatz zum Vertrauensmissbrauch.“