Hamburg. Der Angeklagte ließ sich unberechtigterweise Pakete mit Wertsachen aushändigen. Dafür stand er jetzt vor Gericht.

Ein liebevoll gepflegter ausschweifender Lebensstil – und dabei kein Job und keine Ersparnisse: Für Pascal N. (Name geändert) war dieses augenscheinliche Dilemma nicht wirklich ein Widerspruch. Ein halbes Jahr lang ging aus seiner Sicht alles gut, oberflächlich und mittelfristig betrachtet zumindest. Schließlich hatte der Mann ein gerüttelt Maß an Kreativität, gepaart mit einiger krimineller Energie, und schaffte sich damit relativ mühelos eine beständig sprudelnde Einnahmequelle. Doch auch einem raffinierten Betrüger kommt man irgendwann auf die Schliche. Und mit der Enttarnung droht schließlich der Knast.

Nun sitzt der 28-Jährige im Prozess vor der Amtsrichterin; ein schmaler Mann mit adrett frisiertem Schopf, Kinnbart und Brille und einem Gesichtsausdruck, in dem sich Resignation und Schuldbewusstsein spiegeln, und räumt mit seiner Vergangenheit als Straftäter auf. „Ich will alles gestehen“, kündigt er gleich zum Auftakt der Hauptverhandlung an.

Gewerbsmäßiger Betrug, Urkundenfälschung und Diebstahl

Sechs Monate war der Hamburger zuvor untergetaucht, dann stellte er sich der Polizei. Zu groß der Druck, der wegen eines Haftbefehls auf dem Mann lastete, und offenbar zu überwältigend die Erkenntnis, dass er sein bisheriges Leben schon genug verpfuscht hat. Hinter ihm liegen vier Wochen Unter­suchungshaft, die ihn offensichtlich beeindruckt haben, dann wurde Pascal N. bis zum Prozess vor dem Amtsgericht vom Gefängnis verschont. Immer wieder wendet er den Blick zu seinen Eltern, die ihn in den Gerichtssaal begleitet haben. Beide sind sichtlich nervös, genauso wie ihr Sohn.

Gewerbsmäßiger Betrug, Urkundenfälschung sowie Diebstahl werden dem Angeklagten vorgeworfen. Dabei ging er stets nach einem ähnlichen Schema vor, augenscheinlich inspiriert durch einen ehemaligen Job bei einem Paketdienstleister. Laut Staatsanwaltschaft präsentierte er in der Zeit vom Sommer 2015 bis zum Beginn dieses Jahres den Boten von Lieferdiensten jeweils gefälschte Abholscheine und bekam dafür Pakete mit Wertsachen ausgehändigt, die ihm überhaupt nicht zustanden.

Angeklagter gab sich als Empfänger aus

So erhielt er demnach unter anderem mehrfach Smartphones, weitere elektronische Geräte sowie eine Vielzahl von CDs. Ferner, so die Anklage weiter, orderte Pascal N. mithilfe willkürlich gefälschter E-Mail-Adressen weitere Waren und nahm sie später entgegen, so zum Beispiel angesagte Computerspiele, exklusive Oberhemden, Uhren, hochwertige Jacken, elektrische Zahnbürsten und einmal sogar Golftextilien. Auch DVDs im Gesamtwert von 1371 Euro sowie eine Handtasche für 1333 Euro waren bei den Bestellungen dabei. Laut Ermittlungen postierte sich Pascal N. regelmäßig in der Nähe der jeweiligen Liefer­anschrift und gab sich gegenüber dem Paketboten als derjenige aus, dem die Sendungen zustehen. Insgesamt entstand den Ermittlungen zufolge ein Schaden von rund 12.000 Euro.

„Wie ist es dazu gekommen?“, will die Amtsrichterin von dem Angeklagten wissen. „Es ist ja recht raffiniert, wie Sie das aufgezogen haben.“ Er habe einen prestigebewussten Lebensstil gepflegt und damit über seine Verhältnisse gelebt, erklärt Pascal N. und knetet gedankenverloren die Hände. „Außerdem war ich frisch in einer neuen Beziehung.“ Dem neuen Freund, der noch in der Ausbildung war und deshalb selber finanziell eingeschränkt, habe er etwas bieten wollen. „Deshalb brauchte ich Geld.“

Seine finanzielle Misere kümmerte ihn nicht

Die bestellten Waren habe er teilweise selber genutzt, um sein Image aufzupolieren, einige aber auch weiterverkauft. „Und dann habe ich auch noch meinen Job verloren“, erzählt der Angeklagte. Auf die Idee, seine finanzielle Misere mit legalen Mitteln zumindest zu schmälern, ist er nicht gekommen. „Um Arbeitslosengeld habe ich mich nie gekümmert und nie etwas beantragt“, versetzt er auf Frage der Richterin.

Die hält nicht hinter dem Berg, was sie von dieser laxen Einstellung hält: „Stattdessen machen Sie so einen Quatsch“, tadelt sie. Es sei nicht einzusehen, dass der 28-Jährige besonders schicke Waren oder sogar Luxusartikel haben wollte. „Ich habe auch keine Taschen für über 1000 Euro“, rückt sie die Verhältnisse zurecht.

Inzwischen verläuft sein Leben in geregelteren Bahnen

Es waren Taten, die indes effizient und laut Pascal N. „ganz einfach“ waren, erklärt er seine Vorgehensweise. „Ich habe irgendwann mal versucht, irgendwo was hinzubestellen. Das hat geklappt.“ Nunmehr habe er sich Namen und dazugehörige Adressen aus dem Hamburger Telefonbuch herausgesucht, ein Geburtsdatum schlicht ausgedacht und dann online die begehrten Waren bestellt. „Ich habe jeweils neue E-Mail-Adressen angelegt, die möglichst zu dem Namen des Pseudo-Kunden passen.“ Viele Paketdienste bieten Informationen an, wann ein Paket etwa geliefert werde, die Daten habe er genutzt. „Dann habe ich in der Nähe der jeweiligen Adresse auf den Paketboten gewartet und die Sendung entgegengenommen.“

Zwei Jahre Haft, die noch zur Bewährung ausgesetzt werden können, beantragt die Staatsanwaltschaft schließlich für den Angeklagten. Entsprechend lautet am Ende auch das Urteil des Amtsgerichts auf 24 Monate mit Bewährung. Als Auflage bekommt der 28-Jährige den Auftrag, die Schadenswiedergutmachung, mit der er schon begonnen hat, weiterzuführen. Pascal N. wirkt sichtlich erleichtert. Für den Angeklagten spreche sein Geständnis und zudem die Tatsache, dass er wieder einen festen Arbeitsplatz hat und darüber hinaus von seiner Familie unterstützt wird, betont die Richterin. Strafverschärfend wird die Intensität der Planung berücksichtigt, die er für seine Betrügereien aufgebracht hat. „Sie haben eine relativ hohe kriminelle Energie aufgewendet.“