Hamburg . Die Kunden können den Service rund um die Uhr nutzen. Autofahrer müssen nicht mehr in die Werkstatt kommen.

Eine Viertelstunde reden, ohne dass das Telefon klingelt? Fehlanzeige. „Entschuldigung, aber im Moment ist viel zu tun“, sagt Henrik Schön. Gerade hat schon wieder ein Kunde angerufen, der seine Reifen wechseln lassen will. Davor hatte ein Monteur eine Frage. „Es wird jetzt nass und kalt, da wollen alle schnell ihre Winterreifen aufziehen lassen“, sagt Tobias Haesler. Für die beiden Hamburger die beste Jahreszeit. Vor einigen Monaten haben sie das Unternehmen Die Reifenwechsler gegründet. Das Besondere: Statt in der Werkstatt bieten sie den Service mobil an – rund um die Uhr.

Egal, ob das Auto vor der Haustür steht, auf dem Firmenparkplatz in der Tiefgarage oder vor dem Fitnesscenter, die mobilen Reifenwechsler kommen überall hin. Vier Teams sind derzeit in Hamburg und der Metropolregion im Einsatz, Ende der Woche kommt das fünfte Wechselmobil. „Die Nachfrage ist sehr groß“, sagt Geschäftsführer Haes­ler. Privatleute – aber auch Firmen – zählen zu den Kunden. „Sie sparen Zeit und Geld“, sagt Co-Chef Schön. Der Service hat die notwendigen Zertifikate. Inzwischen hat das junge Unternehmen (www.die-reifenwechsler.de), zu dem auch ein Reifenlager in Barsbüttel gehört, 16 Mitarbeiter.

Mobiler Service nur für große Fuhrparks

Die Idee für das Geschäftsmodell war vor zwei Jahren mehr oder weniger zufällig entstanden. Schön und Haesler, beide Betriebswirte und im Management eines Radiosenders in Hamburg beschäftigt, sollten wie acht weitere Kollegen vertragsgemäß bei einer Werkstatt Winterreifen für ihre Firmenwagen aufziehen lassen. „Die Wartezeiten lagen zwischen zwei und vier Wochen“, sagt Tobias Haesler. Dazu kommt, dass der Reifenwechsel mehrere Stunden Zeit der hoch bezahlten Mitarbeiter kostete. „Warum kommen die Deppen nicht zu uns“, habe er sich gesagt. Die Initialzündung für das Unternehmen.

Ein gutes Jahr dauerten die Vorbereitungen. Bei ihren Recherchen stellen die bisherigen Radiomanager fest, dass ein mobiler Reifenservice in Hamburg nur für Kunden mit großen Fuhrparks existierte. Sie schrieben einen Businessplan, fanden einen Geldgeber und bauten ihre Firma auf. „Wir haben einen höheren sechsstelligen Betrag investiert“, sagt der 28-jährige Haesler. Im Januar 2016 gründeten sie ihre GmbH, kurz zuvor hatten beide ihre Kündigung eingereicht. „Das erforderte schon Mut“, sagt der 37-jährige Familienvater Schön. Inzwischen, sagen sie, wachsen wir schneller als erwartet.

Ohne Winterreifen droht ein Bußgeld

Kurz vor 11 Uhr an diesem Novembervormittag hält der schwarze Lieferwagen mit dem Reifenwechsler-Schriftzug an der Hochallee in Harvestehude. Der Auftrag lautet: Reifenwechsel bei einem Audi-Cabrio, das am Fahrbahnrand parkt. André Lemke und Kim Kaun, beide gelernte Kfz-Mechatroniker, holen Wagenheber und Akkuschlagschrauber von der Ladefläche. Dort liegen auch die Winterreifen der Kundin, die die Reifenwechsler bei der bisherigen Werkstatt abgeholt haben. Knapp 25 Minuten dauert es, dann sind alle vier Reifen getauscht. Die Autobesitzer müssen nicht dabei sein. Zum Schluss überprüfen die Mechaniker noch den Luftdruck und drehen die Schrauben gemäß der Herstellervorgabe fest. „Muss ja alles den Sicherheitsstandards entsprechen“, sagt Lemke. Dann fahren beide zum nächsten Kunden.

Die meisten Autofahrer haben zwei Reifensätze für ihre Fahrzeuge. Denn auch wenn es keine Winterreifenpflicht gibt, empfehlen Experten, etwa vom ADAC, im Zeitraum zwischen Oktober und Ostern mit Winterreifen zu fahren. Das erhöht die Sicherheit, zudem riskieren Fahrzeughalter nach der Veränderung der Straßenverkehrsordnung im Jahr 2010 ein Bußgeld zwischen 60 und 80 Euro, wenn sie bei Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eis- oder Reifglätte mit Sommerreifen unterwegs sind. Ein Reifenwechsel inklusive Lagerung kostet in Hamburger Werkstätten im Schnitt 100 Euro. Eine Art Kompromiss sind sogenannte Jahresreifen.

Bis zu zwei Stunden Zeitersparnis

Die Terminvergabe läuft über einen Online-Kalender auf der Internetseite der Reifenwechsler. Im Schnitt sparen die Kunden ein bis zwei Stunden Zeit, wenn sie den mobilen Service beauftragen. Der Basispreis, inklusive Einlagerung, Wäsche, Auswuchten und Sicherheitskontrolle, beträgt 149 Euro, derzeit gibt es für bestimmte Termine noch Einführungsangebote für 99 Euro. Für einen Reifenwechsel außerhalb der normalen Arbeitszeiten kommen Aufschläge von 25 bis 100 Prozent hinzu.

Vor allem aber setzen die Gründer auf Firmen. „Für Unternehmen kostet der Verlust von Arbeitszeit richtig Geld“, sagt Reifenwechsler Schön. Nach seiner Rechnung sind es für einen Betrieb mit 20 Fahrzeugen pro Wechselsaison 38 Stunden. Zu ihren Kunden gehören unter anderem der Bauer Verlag mit bis zu 80 Autos oder die Unternehmensberatung Tagueri. Mit dem ADAC Hansa gibt es ein Kooperationsabkommen für das Winterfit-Paket, das noch bis zum 11. November und am Wochenende 19. und 20. November, buchbar ist. Weitere Zielgruppen sind Handwerksbetriebe und Vertriebsmitarbeiter.

„Bis Ende 2017 steuern wir als Ziel 2000 feste Kunden an“, sagt Reifenwechsler Tobias Haesler. Auch der Ausbau des Angebots ist geplant. „Künftig wollen wir auch Reifentausch bei einem Platten anbieten“, sagt Henrik Schön. Ein weiterer Bereich sind Innenreinigungen. Mit konkreten Umsatzprognosen halten sich die Jungunternehmer zurück. Klar ist, sie sind auf Wachstumskurs. Und inzwischen auch selbst echte Experten beim Reifenwechseln.