Hamburg. Über das Hamburger Internetportal Jetztra kann man sich zum Kinobesuch oder Spazierengehen verabreden.

Eigentlich ist Jutta Mosbach gerne in Hamburg. Die selbstständige Texterin ist für ein Projekt aus Wien an die Elbe gekommen. „Aber es ist schwierig, außerhalb des Büros Leute kennenzulernen, um mal was zu unternehmen“, sagt sie. Am Sonntag war es mal wieder so. Da hatte die 46-Jährige sich zum „Tatort“-Gucken ein Café in Eimsbüttel ausgesucht, aber niemanden, mit dem sie hätte hingehen können. Eine Kollegin hatte ihr kurz vorher von der neuen App Jetztra erzählt, über die man sich spontan verabreden kann. Gesagt, getan. Jutta Mosbach verbrachte den Abend schließlich mit zwei Krimi-Fans aus der Nachbarschaft. „Mir gefällt, dass es ein Kennenlernportal ohne Hintergedanken ist“, sagt sie.

Hinter dem Start-up stecken Julia Weber und Christian Kranemann. Die Gründer, 31 und 30 Jahre alt, kennen das Gefühl, neu in einer Stadt zu sein. „Es gibt auf Social-Media-Portalen wie Facebook natürlich Gruppen, um Kontakte zu knüpfen“, sagt Volkswirt Kranemann. „Aber das ist meistens eher unverbindlich und wenig konkret.“ Gerade einfache Sachen, wie sich zum Mittagessen, einem Kinobesuch oder einer Laufrunde an der Alster zu verabreden, seien besonders schwierig. So entstand die Idee für Jetztra, eine Wortschöpfung aus „jetzt“ und „extra“. „Unser Ziel ist es, Leute mit gemeinsamen Interessen zusammenzubringen, für ein besonderes Jetzt“, sagt die frühere PR-Fachfrau Weber.

Benjamin Simmon ist eigentlich immer auf der Suche nach jemandem, mit dem er nach Feierabend eine Runde Basketball spielen kann. Der 33-Jährige kommt aus Husum, ist gerade mit seiner Freundin in Hamburg zusammengezogen. „Sie hat aber gerade wenig Freizeit, weil sie viel arbeiten muss“, sagt der Windenergie-Projektmanager. Spontan stellte er ein sogenanntes Inserat in die Jetztra-App. Schon kurz danach habe sich ein junger Mann gemeldet, und noch am selben Nachmittag hätten sie einige Bälle geworfen. „Ich finde die Idee gut, sich einfach mal nur für ein Treffen zu verabreden“, sagt Neu-Hamburger Simmon.

Bereich Freizeitgestaltung wächst in Deutschland

Der Bereich Freizeitgestaltung, in der Fachsprache Social Discovery, via Smartphone wächst auch in Deutschland. Die Angebote, die eine regionalisierte Suche ermöglichen, heißen Meetup, Spontacts oder Actify. Das Hamburger Start-up Sessionline ging Ende 2014 als kostenlose Plattform für Freizeitgestaltung online. Mangels wirtschaftlichen Erfolgs stellten die Macher die App allerdings Mitte des vergangenen Jahres ein und machen jetzt mit dem Portal „Heute in Hamburg“ weiter.

Seit Ende September ist Jetztra auf dem Markt. Das Besondere: Wer ein Inserat einstellen will, muss selbst in Vorleistung gehen und einen Vorschlag für eine gemeinsame Aktion anbieten. „Wir wollen keine Leute, die nur konsumieren“, sagt Kranemann. Es gibt auch keine Nutzerprofile, keine Fotos – nur die Inserate, die bei einer Laufzeit von maximal 24 Stunden in einem Umkreis von maximal zehn Kilometern sichtbar sind. Über Hashtags wird man mit den passenden Angeboten anderer Nutzer verbunden. Erst dann können die Interessenten chatten und sich verabreden.

550 registrierte Nutzer haben die Jetztra-Macher bislang gezählt. „Das ist mehr als wir erwartet haben“, sagt Julia Weber. In den meisten Fälle gehe es um ganz normale Sachen: Besuche im Kino oder Theater, Sport machen, Spazierengehen mit dem Hund. Aber auch Ungewöhnliches wie gemeinsam eine Mittelformat-Kamera bauen oder über das Internet gemeinsam Musik machen sind darunter.

Geld verdienen die Start-up-Gründer noch nicht

Überrascht hat die Jung-Unternehmer, dass nicht nur junge Leute, sondern auch viele ältere, Jetztra ausprobieren. Bis Jahresende peilen sie 5000 Nutzer an. Zielgruppe seien vor allem Neu-Hamburger oder Leute, bei sich die Lebenssituation ändert wie für neue Eltern. Gerade läuft die Suche nach Kooperationen mit großen Hamburger Unternehmen und Vereinen.

Geld verdienen die Start-up-Gründer noch nicht. Aber sie glauben an ihre Idee, haben ihre Jobs aufgegeben. Derzeit finanzieren sie sich mit einem Gründungszuschuss der Agentur für Arbeit. In Zukunft sollen Erlöse über Einblendungen lokaler Werbung und Tipps (Sponsored Posts) für Veranstaltungen oder Theaterbesuche erzielt werden. Und: „Wir führen gerade Gespräche mit einem Geldgeber für eine Anschlussfinanzierung“, sagt Christian Kranemann.

Die Web-App, die kostenlos über die Homepage jetztra.de ladbar ist, wird laufend von den Machern überarbeitet. „Wir hatten anfangs nur zwei Stunden Zeit für eine Verabredung eingeplant, dass war zu kurz“, sagt Julia Weber. Auch die Entwicklung einer App, die über den App-Store verfügbar ist, ist in Vorbereitung. Und wie ist es nun mit den Anfragen, die eher in Richtung Dating zielen? „Das sind sehr wenige“, beteuern die Gründer. „Wir wollen kein Dating-Portal sein. Davon gibt es schon genug hierzulande.“