Hamburg. Die landeseigene HSH Nordbank, selbst angeschlagen, erlässt dem Unternehmer Bernd Kortüm eine halbe Milliarde Euro Schulden.

Die HSH Nordbank hat der Hamburger Reederei H. Schuldt offenbar Schulden in Höhe von 547 Millionen Euro erlassen. Entsprechende Medienberichte wurden am Donnerstag nicht dementiert. Stattdessen hieß es in einer Erklärung der Firmenholding Norddeutsche Vermögen, der Muttergesellschaft der Reederei: Das Unternehmen habe „vor einigen Monaten eine Restrukturierung der Restkredite aus der seit 2007 bestehenden Finanzierung mit der HSH Nordbank abgeschlossen“. Dazu gehöre ein „bedingter Forderungsverzicht“ der Bank. Einzelheiten könnten nicht mitgeteilt werden; es bestehe eine „Vertraulichkeitserklärung“.

In Kiel und Hamburg stieß das angebliche Millionengeschenk auf Kritik. Schließlich muss die HSH Nordbank, die sich mehrheitlich im Besitz der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein befindet, schon seit Jahren mit immer neuem Geld der Steuerzahler am Leben gehalten werden. Und das auch nur deshalb, weil eine Bankpleite vermutlich noch teurer werden würde. Entsprechend harsch waren die Reaktionen.

Bernd Kortüm ist geschäftsführender Gesellschafter der Norddeutschen Vermögen, zu der die Reederei gehört
Bernd Kortüm ist geschäftsführender Gesellschafter der Norddeutschen Vermögen, zu der die Reederei gehört © Juergen Joost | Juergen Joost

„Hier stellt sich die Frage, ob man dem Hamburger Reeder nicht geholfen hat, sich auf Kosten der Steuerzahler gesundzustoßen“, sagte Heiner Garg, der finanzpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion in Kiel.

Hackbusch fordert "lückenlose Aufklärung"

Norbert Hackbusch, finanzpolitischer Sprecher der Linkspartei in der Hamburger Bürgerschaft: „Das riecht nach Filz zwischen Bank und Kunden auf dem Rücken der Steuerzahler.“

Garg will nun prüfen lassen, ob sich „der Vorstand der HSH Nordbank mit diesem Schuldenerlass möglicherweise strafbar gemacht hat“. Ein Forderungsverzicht bei staatlich verbürgten Krediten sei „nur im Falle einer Insolvenzvermeidung zulässig“. Hackbusch fordert, den Fall „lückenlos“ aufzuklären. Unter anderem müsse die Frage beantwortet werden, warum die Reederei mit einem so hohen Forderungsverzicht gerettet worden sei. „Wir können es nicht akzeptieren, dass ein Wirtschaftszweig, der sich über Jahrzehnte um Steuerzahlungen herumgedrückt hat, jetzt durch eine staatliche Bank gestützt wird“, sagte Hackbusch.

Viele Frachter haben problematische Größe

Die Reederei H. Schuldt gehört seit dem Jahr 2000 der Firmenholding Norddeutsche Vermögen. Dessen geschäftsführender Gesellschafter ist Bernd Kortüm. Der Hamburger hat sein Geld zunächst mit Schiffsfonds gemacht, später auch mit Immobilienfonds. Den Zukauf der Reederei hatte der heute 74-Jährige damals damit erklärt, seinem Unternehmen einen „operativen Arm“ geben zu wollen. Schnell baute er das anfangs kleine Unternehmen aus. Anfangs bestand es aus acht Schiffen. 2003 gehörten der Reederei schon 40 Schiffe, jetzt sind es wohl 54 – jedenfalls ist das auf der Internetseite der Firma zu lesen.

Die meisten dieser Containerfrachter haben eine aus heutiger Sicht pro­blematische Größe. Sie können nur bis zu 5000 Standardcontainer transportieren. Wirtschaftlich betreiben lassen sich nach Ansicht von Experten allerdings nur Frachter, die 6000 bis 12.000 Container laden können. Nur zehn Schiffe der Reederei H. Schuldt gehören in diese Kategorie. Wie viele nach der Restrukturierung übrig bleiben, ist unklar. Das Unternehmen spricht von einer „Anpassung der Reedereistrukturen auf ein deutlich niedrigeres Erlösniveau“.

Neuer Rettungsversuch für die Reederei

Dem Schuldenerlass waren offenbar lange Verhandlungen vorangegangen. Bernd Kortüm ist ein Großkunde der HSH Nordbank. Glaubt man dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“, hatte er im Jahr 2008 einen Kreditrahmen von zwei Milliarden Euro. Diesen Rahmen hatte er zuvor genutzt, um immer neue Schiffe zu finanzieren. Doch 2008 kam die Krise. Die Pleite der US-Bank Lehman Brothers ließ eine gelähmte Wirtschaft zurück. Die Transportmengen sanken, mit Schiffen war ganz plötzlich kein Geld mehr zu verdienen.

Gelang es Kortüms Reederei 2009 nur dank eines neuen Finanzierungskonzepts zu überleben? Die Muttergesellschaft Norddeutsche Vermögen bestätigte am gestrigen Donnerstag, dass der Eigentümer damals einen „dreistelligen Millionenbetrag“ investiert habe, um die Reederei zu retten. Nun also der erneute Rettungsversuch. Auch diesmal werde es „erhebliche erneute Eigenkapitalbeiträge des Eigentümers“ geben, versichert das Unternehmen. Was bleibt? In politischen Kreisen der Landeshauptstadt Kiel heißt es, es gebe weitere notleidende Kredite in Höhe von einer Milliarde Euro, die Kortüm nicht bedienen könne. Sie seien mittlerweile von der HSH Nordbank abgestoßen und an die beiden Länder weitergereicht worden – dies als Teil des Versuchs, die HSH Nordbank bis spätestens 2018 zu verkaufen. Politische Kreise in Kiel und Hamburg sprechen mittlerweile von einem „500-Millionen-Euro-Geschenk“.

Kortüm ist begeisterter Segler

Die Norddeutsche Reederei H. Schuldt, die sich auf ihrer Internetseite als „Traditionsunternehmen im Bereich Seeschifffahrt“ bezeichnet, hat ihren Sitz an der Rolandsbrücke in der Hamburger City. In der Hamburger Gesellschaft ist Bernd Kortüm kein Unbekannter. Besonders seine Segelleidenschaft war immer wieder ein Thema auch für die Medien. 2003 nahm der Reeder an der DaimlerChrysler North Atlantic Challenge teil, einer 3600-Seemeilen-Regatta zwischen Newport in den USA und Hamburg. Er segelte mit seiner Rennyacht „Julie Marie“, einem rund 21 Meter langen Segelschiff, das er nach seiner Tochter benannte.

Vor drei Jahren nahm Kortüm, Besitzer eines Guts an der Schlei, an einer Regatta auf der Alster teil. Dem Sieger winkte die „Schüssel der Wirtschaftskapitäne“. Die Veranstalter schrieben, die Teilnehmerliste lese sich wie ein „Who is who“ der Hamburger Wirtschaft.