Veddel. Die Hauswand an der Veddeler Brückenstraße soll mit 23,5 Karat Gold veredelt werden. Der Stadtteil gehört zu den ärmsten.

Die Veddel zu vergolden. Das ist der Plan von Künstler Boran Burchhardt, und sein erstes konkretes Projekt hat er schon: Die Fassade eines Mehrfamilienhauses an der Veddeler Brückenstraße soll auf einer Fläche von rund 300 Quadratmetern mit 23,5 Karat Doppelrollen-Gold versehen werden. Sein Konzept hat Burchhardt der Kunstkommission der Kulturbehörde vorgestellt, und die Mitglieder haben ihm dafür 85.621.90 Euro bewilligt. Burchhardt gehört dem Gremium selber an, hat aber nicht mit abgestimmt. Start soll im März 2017 sein.

Stadtteil gehört zu den ärmsten Hamburgs

Aber passt solch ein Vorhaben zu dem Stadtteil, der zu den ärmsten in Hamburg gehört? Nein, finden die Politik und der Bund der Steuerzahler (BdSt.) Hamburg: „Es ist kaum zu glauben, wofür in unserer hoch verschuldeten Stadt plötzlich Geld da ist. Mit mehr als 85.000 Euro könnte man viele soziale Projekte im Stadtteil unterstützen“, sagte BdSt.-Vorstandsmitglied Sabine Glawe. Sollte dieses Projekt tatsächlich umgesetzt werden, sei das ein neuer Schwarzbuch-Fall. In diesem Buch werden drastische Fälle von Steuergeldverschwendung angeprangert.

Kommentar: Ratlos vor der goldenen Wand

Die Veddel benötige dringend eine Poliklinik, eine Nahversorgung und eine soziale Infrastruktur. Dafür seien Zuwendungen der Stadt notwendig, sagte Grünen-Fraktionschef Michael Osterburg. Der Politiker gibt zu bedenken: „Es ist den Menschen daher nur schwer zu vermitteln, dass jetzt mehr als 85.000 Euro für die Vergoldung einer Fassade von der Stadt finanziert werden.“

Bezirkspolitiker Lübke ist sauer

Mittes SPD-Vizefraktionschef Klaus Lübke, der selber auf der Veddel lebt, sagte: „Ich bin sauer, denn dieses Projekt wurde im Stadtteil überhaupt nicht zur Diskussion gestellt, es kommt wie ein Helikopter von oben hereingelandet. Wir haben für die gesamten Stadtteilkultur-Projekte im Bezirk Mitte nur 75.000 Euro pro Jahr zur Verfügung, da sind mehr als 85.600 Euro für die Vergoldung einer Wand sehr viel Geld.“ Das Fazit des SPD-Politikers: „Durch Entscheidungen wie diese stellt sich die Kunstkommission selbst infrage.“

Kein Verständnis hat auch Mittes CDU-Fraktionschef Gunter Böttcher: „Kunst hat nichts mit Verschwendungssucht zu tun. Wenn der Künstler mit dem Materialbegriff Gold und dem ex­trem kostenaufwendigen Material Gold spielt, ist das kontraproduktiv. Erst recht in einem Stadtteil, in dem viele Bürger am Existenzminimum leben.“

Auf Abendblatt-Anfrage sagte Künstler Burchhardt zu seinem Vorhaben: „Indes ist bei diesem Projekt die Ausgangslage anders als bei allen anderen Projekten, bei denen es Teil meiner künstlerischen Strategie war, hierüber in der einen oder anderen Weise Informationen zu den Werken zu geben.“

Allein 3000 Euro für die filmische Begleitung

Dem Abendblatt liegt auch der Finanzierungsplan des Künstlers vor. In diesem werden unter anderem mehr als 3000 Euro für die filmische Begleitung des Kunstprojekts veranschlagt und mehr als 2100 Euro für eine Internet­seite. Das „23,5 Karat Doppel-Rollengold“ wird mit mehr als 63.000 Euro angegeben. Das Honorar des Künstlers mit 5000 Euro.

Die Kulturbehörde weist Kritik zurück. Ein Sprecher sagte: „Es ist gute Sitte, dass sich die Behörde bei För­derentscheidungen des Sachverstands von unabhängigen Jurys bedient. Die Kulturbehörde folgt in der Regel den Empfehlungen des kunstsachverständigen Gremiums, das von ihr eingesetzt ist, um die Kulturbehörde in allen Fragen der Kunst im öffentlichen Raum zu beraten.“