Über Kunst soll man nicht streiten. Aber nicht für alles muss der Staat auch zahlen
Eines seiner zentralen Ziele hat der Hamburger Künstler Boran Burchhardt schon erreicht, bevor die erste Bahn aufgetragen ist. Er wolle den „künstlerischen Akt ausführen, um Kommunikation in Gang zu setzen“, schreibt er in einem Antrag an die Kunstkommission. Was er vorhat? Burchhardt will auf der Veddel eine Häuserwand vergolden, aber nicht mit Farbe: 23,5 Karat Doppelrollen-Gold soll es sein. Um Kommunikation in Gang zu setzen, werden 300 Quadratmeter Wand für die nächsten 25 Jahre gülden – sofern kein Nachbar das Material zuvor abkratzt.
Auch wenn das Projekt mehr als 80.000 Euro kostet, gilt hier der Grundsatz, dass über Kunst nicht gestritten wird. Schönheit oder Vergänglichkeit, Provokation oder Ästhetik – Kunst kann Regeln verletzen, darf und muss auch Grenzen überschreiten.
Dass die Stadt das Projekt über ihre Kunstkommission finanziert, wirft also keine künstlerischen, wohl aber politische Fragen auf. Was wollen wir uns leisten in Zeiten, in denen in sozial schwachen Stadtteilen wie der Veddel Häuser der Jugend von der Schließung bedroht sind? „Die Vergoldung“, schreibt der Künstler, „ist nicht als Aufwertung der Fassade beabsichtigt, sondern zielt auf die Aufwertung der Sprache.“ Wie wäre es, den Stadtteil zum Gesprächsthema zu machen nicht durch eine staatlich finanzierte Goldspritze, sondern über Jugend-, Sozial- oder Seniorenarbeit? Der Künstler formuliert klug, wenn er fordert, das „Denken über die Veddel zu verändern“. Tatsächlich müssen wir Stadtteile wie die Veddel, Wilhelmsburg oder Rothenburgsort besser kennenlernen, verstehen und, wo nötig, weiterentwickeln. Aber: Braucht es dafür goldene Wände? Es gibt nichts zu sagen gegen das Projekt – finanziert von privaten Gönnern.