Hamburg. Bei der Großveranstaltung müssen Beamte miteinander kommunizieren. Doch die Telefone sind alt, die Software ist nicht ausgereift.
Kurz vor dem OSZE-Gipfel droht der Hamburger Polizei aus Sicht des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) „ein Kommunikationsdesaster“. Die mehrere Hundert Beamte umfassenden operativen Einheiten – darunter Polizisten der MEK-Eliteeinheit, Angehörige der Beweis- und Festnahmeeinheiten (BFE) und Zivilfahnder – sollen mit veralteten Diensthandys und einer Instant-Messaging-Software ausgerüstet werden, die unpraktikabel und nicht mit den Systemen der 6000 auswärtigen Polizisten beim OSZE-Gipfel Anfang Dezember kompatibel sei.
Die operativen Einheiten der Länderpolizeien nutzen bereits polizeiliche Messenger-Systeme, die niedersächsische etwa ein vom Fraunhofer Institut entwickeltes System, um via Handy Textnachrichten, Bilder von Zielpersonen, Videos, Tondateien und Standortinformationen auszutauschen. Hamburg hingegen setzt auf die mit der Firma Microsoft entwickelte Software „Messenger24“, die ausschließlich auf Microsoft/Nokia-Geräten läuft und nicht in der Lage ist, mit anderen Systemen zu kommunizieren. Die Hamburger Polizei hat deshalb kürzlich 900 Lumia-Handys im Wert von rund 100.000 Euro angeschafft. 800 sollen vor dem Gipfel an die Spezialeinheiten verteilt werden. Pikant: Microsoft hat erst vor wenigen Monaten die Handy-Sparte von Nokia verkauft – und das Aus für die Lumia-Geräte angedeutet. Vorteil von Messenger24: Es setzt auf die IT-Infrastruktur der Stadt Hamburg auf, die Microsoft-Lösungen bevorzugt.
Aktuell, nur gut einen Monat vor dem OSZE-Gipfel, befindet sich die von IT-Spezialisten der Polizei und von Microsoft entwickelte Software noch immer im Aufbau, bisher können damit nicht oder nur eingeschränkt Bilder verschickt werden.
In anderen Bundesländern gibt es taugliche Messenger-Systeme
Am Dienstagmorgen trafen sich nach Abendblatt-Informationen Fachbeamte des Landeskriminalamts, um sich über den Fortschritt beim Messenger24 zu informieren, dazu gab es eine Präsentation im Polizeipräsidium. „Überwältigender Eindruck bei allen, die es gesehen haben: Das System ist für den Einsatz völlig untauglich“, sagte ein Beamter dem Abendblatt. Zu möglichen Mängeln bei Messenger24 will sich die Polizei aktuell nicht äußern – das System werde ja noch optimiert. „Nach derzeitigem Stand gehen wir davon aus, dass die Einführung des Messenger24 unmittelbar bevorsteht“, sagt Polizeisprecher Timo Zill auf Anfrage.
Dass die Software offenbar noch nicht vernünftig läuft, ist die eine Sache. Doch selbst wenn sie bis zum OSZE-Gipfel tatsächlich funktionieren sollte, bliebe wohl ein weiteres Manko: Nutzen die Angehörigen der operativen Einheiten Chat-Gruppen, um sich auszutauschen, sehen sie nicht die Klarnamen ihrer Kollegen, sondern nur ihre Dienstnummern. „Wir bräuchten, um zu wissen, mit wem wir uns im Einsatz gerade austauschen, eine Legende, damit wir jeder Nummer einen Namen zuordnen können“, sagt ein Beamter.
Dass die Hamburger Polizei wie schon beim Datenbanksystem „Crime“ erneut auf eine „Insellösung“ setzt, stößt dem BDK auf. „Warum das Rad immer neu erfinden? In anderen Bundesländern gibt es taugliche Messenger-Systeme. Warum übernimmt Hamburg diese nicht einfach?“, sagt BDK-Landeschef Jan Reinecke und fordert: „Polizeipräsident Meyer muss das Thema IT endlich zur Chefsache machen und alle notwendigen Entscheidungen dahingehend treffen, dass die Polizei Hamburg endlich die Mittel der IT erfolgreich einsetzt.“
Privathandys und WhatsApp als Ersatz
Reinecke befürchtet, dass Hamburger Beamte auf ihre Privathandys und Dienste wie WhatsApp ausweichen werden, um die Unzulänglichkeiten des Messenger-Systems zu umgehen. „Das wäre aus datenschutzrechtlichen Gründen mehr als verhängnisvoll“, sagt Reinecke. Dass die Dienstherrin, die Hamburger Polizei, ihren Beamten nicht die geeigneten Mittel an die Hand gebe, sei „ein Armutszeugnis“.
Hochsensible Einsatzdaten, beispielsweise Bilder von Verdächtigen, per WhatsApp zu übertragen, ist aus Sicht des Hamburger Datenschutzbeauftragten Johannes Caspar inakzeptabel. Erst kürzlich hatte Caspar zum Verzicht auf den Nachrichtendienst aufgerufen, weil dieser Nutzerdaten mit dem Mutterkonzern Facebook austauscht. „Alle Nutzer von WhatsApp sollten ernsthaft prüfen, künftig eher einen der vielen alternativen Messengerdienste von Anbietern zu nutzen, die einen datenschutzfreundlicheren Umgang mit Informationen ihrer Kunden praktizieren“, sagte Caspar.
Die Schwierigkeiten mit dem Messenger24 reiht sich ein in die jüngst bekannt gewordenen Probleme mit der Einführung zeitgemäßer IT-Technik bei der Polizei. So setzt die Behörde noch immer auf das veraltete Datenbanksystem Crime, dessen Integration in den neuen Polizeilichen Informations- und Analyseverbund (PIAV) erhebliche Probleme bereitet. Mit dem neuen Programm der Polizei soll es möglich sein, länderübergreifend in großen Ermittlungsverfahren alle Spuren zu speichern und Ermittlerdaten sinnvoll miteinander zu verknüpfen.