Der Buchstabe im Ortsnamen wurde 1946 durch Senatsbeschluss getilgt. Daran erinnern ausgerechnet zwei Bierflaschen.

Barmbek. Einmal im Jahr kann man es noch sehen, das alte Schild. Dann steht vorne an dem U-Bahnwagen das Ziel der Fahrt: „Barmbeck“. Es ist ein Museumszug, der dann durch Hamburg fährt – beim „Verkehrshistorischen Tag“. Ansonsten ist das „C“ in Hamburgs Ortsnamen aus dem Stadtbild verschwunden, das ist in Barmbek nicht anders als in Eil- und Wandsbek. Man muss schon lange suchen, um doch noch ein Relikt zu entdecken – und wird fündig in einem Schaufenster am Wiesendamm in Barmbek. Dort stehen zwei alte Bier-Buddeln der sage und schreibe „Barmbecker Brauerei“. „Die Flaschen stammen vermutlich aus den 20er-Jahren“, sagt Jürgen Kinter. Er arbeitet in der Geschichtswerkstatt Barmbek, in deren Schaufenster die Buddeln stehen. „Das ,C’ in den Ortsnamen wurde 1946 durch Senatsbeschluss getilgt“, erklärt er. „Die Barmbecker Brauerei gab es da schon lange nicht mehr.“

Es gibt also zwei Geschichten zu erzählen – beginnen wir mit dem Lieblingsgetränk der Deutschen. Hamburg war immer eine Bierstadt, im Mittelalter gab es mehr als 400 Brauereien – man sprach auch vom „Brauhaus der Hanse“. Diese ungeheure Vielfalt hat sich bis ins frühe 20. Jahrhundert erhalten, als fast jeder größere Stadtteil zumindest eine Brauerei hatte. „In Barmbek gab es zum einen die Concordia-Brauerei, die später Burg-Brauerei hieß, und eben die Barmbecker“, erzählt Jürgen Kinter. Letztere hatte ihren Sitz (nomen est omen) in der Gluckstraße, wo sie 1879 gegründet wurde. Berühmt war sie wegen ihres Salvator- und des Bockbieres. Und in einer Anzeige aus den 90er-Jahren des 19. Jahrhunderts wirbt sie damit, dass sich in ihren „geräumigen Stallungen 25 junge, kräftige Pferde dänischer Rasse“ befänden, die den „Verkehr mit der Stadtkundschaft besorgen“. Ausgeschenkt wurde auch in der Innenstadt, wo die „Barmbecker Bierhalle“ betrieben wurde – heute steht dort das Thalia Theater.

„Damals erlebte Barmbek im Zuge der Industrialisierung ein ungeheures Wachstum“, erklärt Jürgen Kinter. Vor allem nach dem Bau der Speicherstadt 1888 (siehe Band 1) zogen viele Hafenarbeiter, die ihre Wohnungen verloren hatten, nach Barmbek – und brachten ihre Kneipenkultur mit. Fast an jeder Ecke gab es kleine Gaststätten, wo Bier aus dem Stadtteil ausgeschenkt wurde. Im 20. Jahrhundert dann begann der große Konzentrationsprozess in der Branche. 1917 übernahm die Tivoli-Brauerei aus Eidelstedt die „Barmbecker“, 1921 wurden beide von der Bavaria geschluckt, die Dutzende kleinere Betriebe aufkaufte. Das ging so weiter, bis es nur noch die Holsten-Brauerei in Altona gab, die heute zum dänischen Carlsberg-Konzern gehört. Erst im 21. Jahrhundert gab es wieder ein paar Neugründungen, so wird zum Beispiel im Schanzenviertel das traditionelle „Ratsherrn-Pils“ wieder gebraut.

Die Endung „bek“ verweist auf den Bach

Doch zurück zum „C“. „Es handelt sich um ein Dehnungs-C“, erklärt Jürgen Kinter. Denn Barmbeck wurde keinesfalls kurz ausgesprochen, sondern langgezogen. So wie alle norddeutschen Orte mit dieser Endung, die immer auf einen Bach (niederdeutsch: Bek) verweisen. Begonnen hat die Umbenennung in Schleswig-Holstein. Am 1. September 1877 gab die preußische Provinzialregierung in Schleswig einen Erlass heraus, dass aus allen Ortsnamen, die mit „beck“ enden, künftig „bek“ werden muss. Denn das Dehnungs-C ist nur in Norddeutschland gebräuchlich, und mit dem Wegfall sollte die einheitliche Aussprache im seit 1871 geeinten Deutschen Reich gefördert werden. Dieser Erlass betraf Dutzende Gemeinden und Städte – auch Wandsbek, das damals zum preußischen Holstein gehörte. Doch der offenbar traditionsbewusste Bürgermeister Wilhelm Lesser (1812-1889) weigerte sich und wies seine Mitarbeiter an, das „C“ weiter zu verwenden. Zwei Jahre später aber musste er nach Intervention des Landrats klein beigeben.

Jürgen Kinter
von der Geschichtswerkstatt
zeigt die BierBuddeln
der
Barmbecker
Brauerei
Jürgen Kinter von der Geschichtswerkstatt zeigt die BierBuddeln der Barmbecker Brauerei © Sven Kummereincke

„Hamburg aber gehörte ja nicht zu Preußen, deswegen blieb es bei Barmbeck“, sagt Jürgen Kinter. Bis 1946, als auch der Hamburger Senat das „C“ verbannte. Widerstand hat es nicht gegeben. „Die Leute hatten so kurz nach dem Krieg auch genug andere Sorgen“, erklärt der Hamburger. Heute gibt es nur noch einen Ortsnamen, der das „C“ retten konnte: Schmalenbeck. Es ist ein Ortsteil der Gemeinde Großhansdorf, die nordöstlich an Hamburg grenzt und eine eigene Haltestelle an der U 1 hat. Das Dorf gehörte jahrhundertelang zu Hamburg, wurde aber im Zuge des Groß-Hamburg-Gesetzes 1937 an Schleswig-Holstein abgegeben. Als kleine Kompensation, denn Holstein verlor große Gebiete an die Hansestadt. So kam es, dass die Verordnungen von 1877 und 1946 an dem Ort vorbeigingen.

Das eigentliche Ziel der Namensänderungen wurde übrigens nie erreicht. „Fast alle Barmbeker sprechen ihren Ortsteil kurz aus“, sagt Jürgen Kinter schmunzelnd. Hätte man sich also auch sparen können ...

So geht’s zur Bier-Buddel: Sie steht im Schaufenster der Geschichtswerkstatt Barmbek am Wiesendamm 25. Lesen Sie morgen die nächste Folge