Hamburg/Geesthacht. Vattenfall sieht Anlage in Geesthacht als gelungenen Ausgleich für Kohlekraftwerk Moorburg. BUND widerspricht.
Die Fischtreppe des Energiekonzerns Vattenfall in Geesthacht ist das größte Bauwerk dieser Art in Europa. Das Unternehmen hat den 20 Millionen Euro teuren Bau bezahlt und finanziert auch seinen Betrieb - allerdings nicht aus Liebe zur Natur, sondern als Bedingung für den Betrieb des Kohlekraftwerks Moorburg. Nun legt ein von Vattenfall in Auftrag gegebenes Gutachten nahe, dass das Unternehmen die Bedingungen erfüllt. Zweifel aber meldet der Umweltverband BUND an.
Das Bauwerk in Geesthacht ist in der Tat beeindruckend: Ein System aus 49 Becken mit einer Gesamtlänge von 550 Metern soll flussaufwärts wandernden Fischen über die Wehranlage hinweg helfen und ihnen das Flusssystem darüber zugänglich machen.
Bis Juli dieses Jahres haben zwei Millionen Fische die Treppe seit Inbetriebnahme im August 2010 erklommen. Diese Zahl ist bekannt, da die Fische nach dem 49. Becken in einen Käfig schwimmen, der ein- bis zweimal pro Tag geleert wird. Die Aufsteiger landen in einem Bassin, aus dem Mitarbeiter jedes einzelne Tier entnehmen, bestimmen, zum Teil auch wiegen oder markieren und anschließend wieder in die Freiheit entlassen. Rund 50 Arten sind auf diese Weise bereits nachgewiesen worden, etwa Meerforelle oder Exoten wie der Kaviarlieferant Sibirischer Stör. Der schwerste Fang war ein 1,61 Meter langer Wels. Er brachte 28 Kilo auf die Waage.
Kraftwerk stellt Gefahr für die Fische dar
Im Zusammenhang mit Moorburg kommt es allerdings auf geschützte Arten wie Lachs, Schnäpel, Flussneunauge oder Meerneunauge an. Sie sollen, wenn sie Hamburg, und damit das Kohlekraftwerk, passiert haben, über die Treppe weiter die Elbe zum Laichen hinaufziehen können. Dabei stellt das Kraftwerk eine Gefahr für die Fische dar. Für die Kühlung muss das Kohlekraftwerk Elbwasser entnehmen. Beim Ansaugen verenden unweigerlich Fische. Um diesen Verlust auszugleichen, musste Vattenfall die Fischtreppe bauen.
Laut des Monitoring-Berichts des Instituts für angewandte Ökologie, über den die „taz“ zuerst berichtet hat, sind in der Zeit vom 1. März 2015 bis 29. Februar 2016 genau 285 Exemplare von drei der vier geschützten Fischarten durch das Ansaugen in Moorburg verendet. Da es sich in der Regel aber um Jungfische handelte, ist der statistische Wert jedoch auf zehn abgerundet worden. Im Gegenzug haben es 87 Exemplare über die Fischtreppe geschafft.
Eine geschützte Art aber sticht aus der Bilanz besonders hervor: das Flussneunauge. Rund 32.000 Exemplare fanden ihren Weg über die Fischtreppe in Geesthacht. Lediglich 369 Verluste am Kraftwerk Moorburg wurden im Untersuchungszeitraum gezählt. Immerhin das sehen alle Seiten, also Kraftwerksbetreiber und Naturschützer, als Erfolg.
Vattenfall bewertet Gutachten positiv
Vattenfall bewertet das komplette Gutachten positiv. „Die Zahl der geschädigten Fische ist bedeutend geringer als im Genehmigungsverfahren für das Kraftwerk angenommen. Am Kraftwerk schützen wir die Fische durch eine Fischscheuchanlage und eine geringe Ansauggeschwindigkeit“, sagt Unternehmenssprecherin Barbara Meyer-Bukow. „Sollten trotzdem Fische in den Bereich der Wasserentnahme geraten, werden sie durch eine moderne Fischrückführanlage aus dem Kühlwasserstrom entnommen und in die Süderelbe zurückgeführt.“ Die Zahl der toten Fische sei extrem gering im Vergleich zur Zahl der Fische, die die Fischtreppe in Geesthacht erreichen.
Manfred Braasch, Geschäftsführer des BUND Hamburg, allerdings lässt das nicht gelten. Zum einen sei es falsch, die Zahl der toten Fische statistisch kleinzurechnen. Andernfalls würde sich nämlich das Verhältnis von toten zu überlebenden Fischen umkehren – zumindest bei drei der vier Arten. Und zum anderen hält er die Aussagen der Untersuchung für „nicht belastbar“, weil aus seiner Sicht kein normales Betriebsjahr vorliege. So habe Vattenfall weniger Wasser zur Durchlaufkühlung des Kraftwerks aus der Elbe entnommen als es tatsächlich gedurft hätte. Und das hätte womöglich zu einer sehr viel höheren Zahl toter Fische geführt.
Dem widerspricht die Umweltbehörde. Die Bilanz werde „jahresgenau ermittelt“, so Behördensprecher Björn Marzahn. „Die tatsächliche Entnahmemenge des Kühlwassers spiegelt die Realität wider.“ Sie liege in diesem und auch in den vergangenen Jahren bei ungefähr der Hälfte der zulässigen Wassermengenentnahme.
Unabhängig von der Frage, wie das Gutachten zu bewerten ist, läuft derzeit noch immer eine Klage der EU-Kommission gegen den Betrieb des Kraftwerks. Dieses hätte so nicht genehmigt werden dürfen. Die EU-Kommission sieht im Zusammenhang mit der Kühlwasserentnahme einen Verstoß gegen europäische Richtlinien.