Hamburg. Wissenschaftler sehen Chancen für die Hansestadt. 3-D-Druck bietet deutliche Vorteile im Ersatzteilgeschäft.

Ginge es nach den Autoren einer neueren Studie, dann hätte der 3-D-Druck dramatische Auswirkungen auf die Logistikbranche: Bis zu 41 Prozent der Luftfrachtmengen und nicht weniger als 37 Prozent des Containerumschlags weltweit könnten durch die neue Technologie wegfallen, erwarten die Experten des zum PricewaterhouseCoopers-Konzern gehörenden Beratungshauses Strategy&. Von derartigen Entwicklungen wäre Hamburg als Hafenstadt und bedeutender Logistikstandort in hohem Maße betroffen.

Doch Kai Hoberg hält solche Zahlen für weit übertrieben. „Es gibt derzeit einen enormen Hype um den 3-D-Druck“, sagt der Professor von der Kühne Logistics University in der Hafencity. Zwar ließen sich dadurch tatsächlich Transportmengen reduzieren, weil es effizienter sei, größere Mengen an Rohmaterial heranzuschaffen als eine Vielzahl einzelner Zulieferteile. „Aber die Entwicklung der Lohnkosten in China wird wahrscheinlich größere Auswirkungen auf die globalen Warenströme haben als der 3-D-Druck“, sagt Hoberg.

Für Hamburg geht es also nicht so sehr darum, eine Bedrohung abzuwenden, wohl aber darum, Chancen für die Stadt zu nutzen – gerade wegen ihrer Rolle als Logistikmetropole: „Dienstleister aus dieser Branche haben zwar bis heute meist wenig mit Produktion zu tun, aber sie könnten den 3-D-Druck effizient in ihre Abläufe integrieren. Sie haben ein Netz an Standorten und können jeweils da drucken, wo es am sinnvollsten ist.“

Im Extremfall könnte das ganz nah am Kunden sein, wie das Beispiel des Online-Händlers Amazon zeigt. „Das Unternehmen hat sich Auslieferfahrzeuge patentieren lassen, die einen 3-D-Drucker an Bord haben“, so Hoberg. Der Paketdienst UPS betreibe in den USA in seinen Shops schon heute solche Geräte; geplant sei, an den größten Standorten mit einem umfangreichen Druckerangebot auch im Auftrag von Firmen zu arbeiten. Auch für deutsche Logistikfirmen könne es eine interessante Perspektive sein, als 3-D-Druck-Dienstleister für Mittelständler tätig zu werden.

Aktuell werden einer aktuellen Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young zufolge weltweit Umsätze von rund zehn Milliarden Euro mit Erzeugnissen aus dem 3-D-Drucker gemacht, für Deutschland werden die Erlöse auf eine Milliarde Euro beziffert – mit stark steigender Tendenz: Das amerikanische Marktforschungsunternehmen IDC prognostiziert jährliche Wachstumsraten von im Schnitt 27 Prozent bis 2019.

Als Fertigungsmaterial geeignet sind nach den Worten von Hoberg viele Metalle und Kunststoffe. Keramikwerkstoffe und sogar Lebensmittel sind ebenfalls möglich, gehören aber noch zu den exotischeren Ausgangsstoffen. Schon für rund 500 Euro kann man heute einen simplen Drucker für Kunststoffe kaufen. „Damit können Privatpersonen zum Beispiel selbst entworfenen Modeschmuck herstellen, sogar Ketten in einem Durchgang“, sagt Hoberg.

Hobbynutzer haben die Möglichkeit, ihr Gerät über ein Netzwerk wie etwa www.3dhubs.com registrieren zu lassen und über Aufträge von anderen Besuchern der Internetseite Geld damit zu verdienen. Für die Stadt Hamburg werden auf dieser Internetseite aktuell acht derartige Angebote ausgewiesen.

Herstellkosten noch zu hoch

In den zurückliegenden Monaten und Jahren konnte man gelegentlich Prognosen lesen, wonach 3-D-Drucker in Privathaushalten schon bald Allgemeingut sein werden, was den Einkaufsverkehr in den Innenstädten spürbar reduzieren könne. Eine massenweise Verbreitung bei Verbrauchern erwartet Hoberg für die nächsten zehn Jahre aber nicht. Schon weil die Herstellkosten mit diesem Verfahren um ein Vielfaches über denen traditioneller Produktionsmethoden lägen, werde der 3-D-Druck auf absehbare Zeit wohl vor allem auf industrielle Nischenanwendungen beschränkt bleiben.

Abgesehen von der Kunststoffindustrie gehören nach Einschätzung von Experten die Luft- und Raumfahrtbranche und die Medizintechnik zu den Vorreitern. Tatsächlich hat eine Tochtergesellschaft der Airbus Group bereits die Produktion von Treibstoffrohren aus Titan aufgenommen. In den Triebwerken für den A320neo finden sich gedruckte Teile, die vom Zulieferer MTU Aero Engines stammen. „Für Zahnkronen und künstliche Hüftgelenke bietet sich die Technik ebenfalls an“, erklärt Hoberg. Für Hamburg liegen Investitionen in den 3-D-Druck also schon deshalb nahe, weil mindestens drei der Schwerpunktbranchen der Stadt – Luftfahrt, Medizintechnik/Gesundheitswirtschaft und Logistik – daran großes Interesse haben.

Zu den Anwendungsfeldern, für die das Drucken besondere Vorteile brächte, zählt nach Auffassung der KLU-Wissenschaftler auch das Ersatzteilgeschäft: Es ist teuer, hochwertige Maschinen- oder Fahrzeugteile jahrzehntelang zu lagern. „Häufig werden solche Teile teuer per Luftfracht dorthin gebracht, wo sie dringend für eine Reparatur benötigt werden“, sagt Johannes Jakob Heinen, Doktorand an der KLU. „Wenn am Einsatzort ein geeigneter 3-D-Drucker steht, kann man auch die zwölf Stunden Transportzeit noch sparen.“

Ersatzteile direkt auf einem Schiff ausdrucken

So habe die dänische Reederei Maersk untersucht, ob es möglich sei, Ersatzteile direkt auf einem Schiff auszudrucken. „Es hat sich aber gezeigt, dass das nicht so einfach ist“, so Hoberg, „schon weil an den Werkstücken meist noch Nacharbeiten erforderlich sind, bevor man sie verwenden kann.“

Ohnehin würde das Potenzial des 3-D-Drucks nicht ausgeschöpft, wenn man einfach nur Güter in unveränderter Form mit dem neuen Verfahren erzeuge, sagt Heinen: „Entwickelt man ein Produkt gezielt daraufhin neu, kann man die Zahl der Einzelteile deutlich verringern und das Gewicht senken.“ Dazu hat Airbus im Testbetrieb beeindruckende Erkenntnisse gewonnen: Flugzeugteile aus dem 3-D-Drucker seien im Regelfall um 30 bis 55 Prozent leichter, was den Treibstoffverbrauch erheblich senken kann.

Auch für die nächsten Jahre erwartet Hoberg vor allem hoch spezialisierte Anwendungen: „Triebwerkschaufeln, aber keine Spülmaschinen.“ Schon wegen der noch geringen Geschwindigkeit des Produktionsverfahrens kämen auch eher kleinere Teile dafür infrage: Einer aktuellen Studie zufolge würde es 205 Tage dauern, alle Komponenten eines Autos zu drucken – und das zu Kosten von 357.000 Dollar (321.000 Euro).