Hamburg. Der Hamburger Flugzeugbauer forscht an Naturprinzipien und treibt den 3D-Druck voran. Die Entwicklungen sollen Kraftstoff sparen.

Für einen Flugzeugbauer fällt es wohl unter die Rubrik kurze Dienstreise. Vor einiger Zeit machte sich Peter Sander mit einem Team auf den Weg nach Kiel. Im Botanischen Garten der Universität weckte die Victoria Riesenseerose sein Interesse. Gut zwei Meter groß werden die kreisrunden, schwimmenden Blätter, die mehr als ein Zentner Gewicht tragen können. Sander und sein Team scannten die Pflanze in 3D und übertrugen die Strukturen auf den Bau von Jets. „Das wird sich künftig zu einem wichtigen Designprinzip entwickeln“, sagt Sander, der bei Airbus für die Entwicklung von Zukunftstechnologien zuständig ist.

Seerosen als Vorbild für Jets

Victoria entwickelt von einem starken Stängel aus ein Stützgewebe auf der Blattunterseite. Die Adern und feinen Verästelungen vergleicht Sander mit Spanten und Stringern – dem tragenden Gerüst in Jets. Immer wieder bilde die Seerose Dreiecke. So bleibe die Pflanze stabil bei gleichbleibender Dicke der Haut. Sander nimmt einen Spoiler in Miniaturformat in die Hand. Er stammt aus einem 3-D-Drucker und weist die Strukturen der Seerose auf. Bei einem Airbus A320 wäre diese Bremsklappe 1,80 Meter breit. Sander ist davon überzeugt, dass sie bald in der Praxis bei der Landung ausgefahren und den 250 km/h schnellen Jet bremsen wird. „Wir können den Spoiler acht Prozent leichter machen als die bisherige Konstruktion, eine Wabenstruktur mit einer Außenhaut aus Glasfaser“, sagt der 58-Jährige.

Neue Technologie wurde von Bundespräsident Gauck gewürdigt

Der Maschinenbauingenieur ist ein Mann der Praxis, kennt verschiedene Fertigungsprozesse des Unternehmens. Er sucht seit 2010 nach neuen Technologien – oder wie er selbst sagt „ein paar verrückten Ideen“, die er möglichst schnell und günstig zu anfass­baren Objekten machen will. Den 3-D-Druck führte er mit seinem Team bei Airbus ein, indem sie eine enge Kooperation mit dem Laser Zentrum Nord in Bergedorf eingingen. Deren Leiter Professor Claus Emmelmann hatte die Technologie vor zehn Jahren entwickelt. Bundespräsident Joachim Gauck fand die strategische Allianz so beeindruckend, dass er die Forscher als einen von drei Finalisten für den Deutschen Zukunftspreis nominierte. „Airbus und unser Laser Zentrum Nord geben beim 3-D-Druck von Metallteilen weltweit den Ton an“, sagt Emmelmann. Im neuen Großraumflugzeug A350 fliegt ein Kabinenhalter serienmäßig mit, der aus der additiven Fertigung stammt, bei der aus Pulver die Teile Schicht für Schicht in einem Drucker aufgebaut werden.

Die Vorteile der Technologie: Nur fünf Prozent des Materials wird zu Abfall, während früher beim Fräsen 90 bis 95 Prozent Müll anfiel. Die Herstellungskosten sinken. Die Produktionsschritte werden deutlich reduziert. Die Zahl der zu entwickelnden Werkzeuge sinkt. Und: Die 3-D-gedruckten Teile seien im Regelfall 30 bis 55 Prozent leichter, sagt Sander. „Die Hälfte an Gewicht rauszuholen, ist im Flugzeugbau ein Meilenstein.“

A320-Spoiler soll in Originalgröße aus dem Drucker kommen

Jedes Kilogramm weniger ist in der Luft pures Geld. Vor zwei Jahren hat der Konzern die Ersparnis einmal durchgerechnet. Bis 2034 sollen auf den Weltmarkt 32.600 neue Jets kommen. Wenn man in jedem Flugzeug auf ein Kilogramm Gewicht verzichten könnte, würde dies 46.000 Tonnen Kerosin, 22 Millionen US-Dollar Spritkosten (zu damaligen Ölpreisen) und 120.000 Tonnen Kohlendioxid sparen.

Hunderte Teile aus 3-D-Druckern sind bereits in der Luft. Der Großteil besteht aber aus Kunststoff, wie zum Beispiel Luftdüsen für das Cockpit in einem A350. Von den Metallteilen aus dem 3-D-Drucker hat Airbus rund 20 Stück zurzeit in den Flugzeugen verbaut – allerdings fast nur in der Testflotte. „Wir konzentrieren uns auf Teile für neue Flugzeuge wie den A350XWB oder A320neo“, sagt Sander.

In Südafrika wird die Firma Aerosud demnächst den weltweit größten Drucker in Betrieb nehmen, der bis zu zwei Meter lange Teile in einem Stück drucken kann. Dann soll der Spoiler mit der Seerosen-Struktur in Originalgröße für den A320 gefertigt werden. Bis 2018 sollen auch für Flügel, Triebwerke oder Rumpf größere Teile aus dem 3-D-Drucker kommen, gibt Sander als Marschroute vor.

Innovationsmanager Bastian Schäfer, der zu Sanders Fünf-Mann-Team auf Finkenwerder gehört, entwickelte zum Beispiel für die Kabine eine Trennwand, hinter der Stewards und Stewardessen sitzen. Der Designer gehört zum Bionic Network. Diese Gruppe beschäftigt sich seit zwei Jahren damit, Phänomene der Natur auf die Technik zu übertragen. Die Trennwand aus Aluminium wiege in der bionischen Struktur nur 35 statt bisher 65 Kilogramm. Designbasis dafür war übrigens ein Schleimpilz, der sich am Boden ausbreitet und nach Nahrung sucht. Natürlich seien die Teile auch crashsicher und von den Zulassungsbehörden genehmigt.

Immer mehr Materialien kommen aus dem Drucker

Der 3-D-Druck soll weiter ausgebaut werden. Bisher gibt es Metallteile nur aus Titan, weil es das teuerste Material ist, sodass sich der Einsatz am ehesten lohnt. Mitte dieses Jahres sollen Teile aus Edelstahl geschichtet werden. Sie könnten beispielsweise in der Aufhängung der Triebwerke eingesetzt werden. Im nächsten Jahr soll Aluminium folgen, etwa für Verkleidungen. Sanders Vision geht allerdings weit über das Drucken von Teilen heraus – er sieht das große Ganze: „Im Jahr 2025 könnten wir ein bionisches Flugzeug bauen.“ Da habe selbst Airbus-Vorstandschef Tom Enders gestaunt, als er ihm das erzählte. Statt der üblichen Stringer und rechtwinklig dazu angeordneten Spanten könnte der Rumpf aus einer Struktur bestehen, in der die Träger den Kräfteverhältnissen entsprechend netzförmig angeordnet werden. Den Prototyp will Sander bald in Angriff nehmen: „Wir werden noch in diesem Jahr ein Stück Rumpfschale mit bionischen Strukturen bauen.“