Hamburg/Westerland. Warum der Hamburger Reeder Albert Ballin ein Seezeichen auf Sylt errichten ließ, verrät eine Ausstellung an der Bundeswehr-Universität.

Der Hamburger Reeder Albert Ballin (1857–1918) hatte stets einen klaren Blick für Geschäftszahlen. Der Generaldirektor der Hapag (Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft) bewertete jenen 60 Kilometer langen Umweg, den der Schaufelraddampfer „Cobra“ bei seinen Sylt-Touren regelmäßig im Wattenmeer zurücklegen musste, als wirtschaftlich wenig rentabel.

Konkret ging es um den Seebäderdienst von Hamburg nach Sylt, bei dem der Turbinen-Schnelldampfer (Kapazität: 912 Passagiere; maximale Geschwindigkeit: 20 Knoten) während der Sommermonate im Einsatz war. Um vor Sylt anlegen zu können, musste das Schiff den sogenannten Ellenbogen passieren; das Ausbooten der Passagiere erfolgte im Pandertief.

Historische Dokumente und Bauzeichnungen

Im Jahr 1899 begab sich der Reeder selbst nach Sylt, um eine alternative Anlegestelle für die „Cobra“ mit einem kürzeren Anreiseweg zu erkunden. Er fand sie im Süden der Insel. Dass heute hier, auf einer 16 Meter hohen Düne, ein Leuchtturm steht, ist Ballins Initiative zu verdanken. Diese und viele andere Leuchtturmgeschichten erfährt der geneigte Besucher einer neuen Ausstellung in der Hamburger Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr. Unter dem Motto „Deutschlands Leuchttürme“ bietet die Schau mit Fotos von Reinhard Scheiblich, historischen Dokumenten und Bauzeichnungen einen profunden Einblick in die Welt des deutschen Seezeichenwesens.

Die Ausstellungsmacher konzentrieren sich auf einige ausgewählte Exemplare der insgesamt rund 300 Leuchttürme an der deutschen Nord- und Ostseeküste. Dazu gehört der älteste Leuchtturm Deutschlands. Der 31 Meter hohe Backsteinbau steht in Travemünde an der Ostsee und stammt aus dem 16. Jahrhundert. Und es geht um die Geschichte der drei baugleichen Leuchttürme in Hörnum, Pellworm und Westerheversand, die allesamt in der Isselburger Hütte am Rhein gebaut wurden.

Deutschlands kleinste Schule im Leuchtturm

Um einen geeigneten Platz für den längst fälligen Leuchtturm im Süden von Sylt und damit eine bessere An­legestelle zu finden, studierte Albert Ballin Segelhandbücher und Karten. Die Gemeinde Rantum verkaufte schließlich im Jahr 1900 einen Teil der Südspitze Sylts an die Hapag, und nun war der Weg frei für die umfangreichen Bauarbeiten (Anlegesteg, Eisenbahntrasse nach Westerland).

Deutschlands ältester
Leuchtturm in Travemünde
Deutschlands ältester Leuchtturm in Travemünde © picture alliance

Nur das Projekt eines Leuchtturms wollte nicht so recht in Gang kommen, weshalb Ballin, ein glühender Verehrer von Kaiser Wilhelm II., die Königlich-Preußische Regierung einschaltete. Dort entwickelte der Wasserbauingenieur Walter Körte das Konzept, an der Westküste gleich drei Leuchttürme zu bauen – in Hörnum, auf Pellworm und Westerheversand. Per Losentscheid erhielt die Isselburger Hütte den Auftrag, gusseiserne Elemente zu fertigen, heißt es in dem Begleitband für die Ausstellung in der Bundeswehr-Uni mit Beiträgen von Helmut Stubbe da Luz, Hans Joachim Luttermann und Reinhard Scheiblich.

Im August 1907 erfolgte die Einweihung des elektrisch betriebenen Leuchtturms von Hörnum – und der Anstoß für die kommunale Entwicklung. Es entstanden auf Anregung Ballins neben dem Bahnhof auch ein Gasthaus, Blockhäuser und ein Gebäude für den Leuchtturmwärter. Für Tausende von Menschen wurde nun Hörnum „das Tor zu einer faszinierenden Insel- und Dünenwelt“, heißt es im Begleitband.

Doch nicht nur das. Im Leuchtturm befand sich von 1914 bis 1933 Deutschlands kleinste Schule. Erst unterrichtete hier der Leuchtturmwärter zwei schulpflichtige Kinder, später folgte ein ausgebildeter Lehrer. Und der schwärmte in einem Brief an das Hilfswerk der Volksschule für Nordschleswig: „Meine Schule ist im Leuchtturm. Unten sind Maschinenräume und das Elektrizitätswerk, und darüber liegt unser kleines Schulzimmer mit winzigen, runden Fensterlein, durch die man weit über Meer und Insel sehen kann.“

Hapag-Chef
Albert
Ballin (1857–1918)
Hapag-Chef Albert Ballin (1857–1918) © picture-alliance / dpa

Auch heute noch ist der Leuchtturm von Hörnum als Seezeichen voll funktionsfähig. Das Standesamt Sylt bietet zudem Hochzeiten in diesem Gebäude an. Mit einer Hochzeit auf dem Hörnumer Leuchtturm geht für viele Paare ein Traum in Erfüllung. Von April bis Oktober können sich Heiratswillige freitags bis montags hier das Jawort geben.

Die Ausstellung ist bis zum 28. Februar in der Helmut-Schmidt-Universität, Holstenhofweg 85, zu sehen. Zahlreiche Vorträge begleiten das Programm. Am 8. November referiert Hans Joachim Luttermann über den Leuchtturm Greifswalder Oie und seine Insel. Und am 30. November spricht der Historiker und Privatdozent Helmut Stubbe da Luz über Napoleons Kontinentalsperre und die Leuchttürme an der Nordseeküste. Der Eintritt zur Ausstellung ist kostenlos.