Müll neben Abfalleimern, Grünflächen werden zu Müllplätzen. In den letzten Monaten wachsen die Klagen über Schmutz in der Stadt.

Wenn Ausflügler in den vergangenen Wochen das spätsommerliche Sommerwetter für einen Ausflug nach Finkenwerder nutzten, staunten sie nicht schlecht. Schon auf den Landungsbrücken konnten sie sehen, wie eine Stadt prominente Flächen verwahrlosen lässt. Rechts des Anlegers verwilderten die Sitztreppen, und der Platz zwischen „Dampfer-Imbiss“ und dem Restaurant „Finkenwerder Landungsbrücke“ lag verwahrlost da: Der Löwenzahn wuchs meterhoch, Kippen und Scherben übersäten den Anleger.

Auch anderswo türmt sich der Müll neben den Abfalleimern, werden Grünflächen zu Müllplätzen und bekommt angesichts der Bilder vom Nobistor der Begriff „Entsorgungspark“ eine neue Bedeutung. Bei schönem Wetter vermüllen sogar die Alsterwiesen, der Park unterhalb des Michels oder der Elbstrand. Die Verunreinigung des öffentlichen Raums ist dem ehemaligen Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU) seit Langem ein Dorn im Auge. Mit dem passionierten Hobbyfotografen Reimar Palte, dem früheren Kanzler der Kühne Logistics University, hat er sich nun auf Spurensuche begeben.

Im Hintergrund der Hauptbahnhof und das Museum für Kunst und Gewerbe. Der
Blick fällt auf Schmierereien und Unkraut
Im Hintergrund der Hauptbahnhof und das Museum für Kunst und Gewerbe. Der Blick fällt auf Schmierereien und Unkraut © Reimar Palte

„Wenn man in Wien, Zürich, Kopenhagen oder Stockholm war, benötigt man ein paar Tage, um den Unterschied zu erfassen: Diese Städte sind deutlich sauberer“, sagt Peiner. In Hamburg hingegen seien viele Ecken auch im Herzen der Stadt „vollgemüllt, vollgepinkelt, voller Unkraut“. Jenseits des eigenen Grundstücks oder vor privaten Unternehmen beginne sofort der Bereich, für den sich keiner mehr zuständig fühle. Fahrräder, die seit Jahren vor sich hinrosten, Bänke, die vermoosen, Unkraut, das die Sicht versperrt.

„Das sieht offenbar niemand“, kritisiert Peiner. „Oder es stört keinen mehr.“ Ausdrücklich nimmt er alle Hamburger in die Pflicht: „Die Stadt sind wir alle, wir machen den Müll und müssen ihn auch beseitigen.“

Nach einem zufälligen Treffen in der Innenstadt kamen Peiner und Palte auf die Idee, den Dreck in der Stadt zu dokumentieren. „Ich hatte davor Graffiti, Müllberge, abgerissene Klingelschilder auf St. Pauli fotografiert – das gehört zum Charisma des Stadtteils dazu.“ Auch seine jüngsten Fotos enthalten eine Paradoxie, sind inszeniert. Das angeschlossene, vergessene und zugewachsene Fahrrad ist ein ästhetisches Stillleben – und illegale Müllentsorgung zugleich: „Wo Licht ist, ist auch Schatten – es gibt sicher auch Menschen, die das in gewisser Weise schön finden“, meint Palte. „Ich kenne aber viele Städte, die anders damit umgehen.“

Luftbild von Hamburg
Luftbild von Hamburg © HA | Marcelo Hernandez

Bewusst haben sich die beiden auf den inneren Ring der Stadt konzentriert, dort, wo Peiner zufolge „viele Menschen mit dem Stadtplan rumlaufen, um eigentlich die Schönheiten der Stadt zu erkunden“. Auch Palte hat überrascht, wie dreckig sich der Hauptbahnhof und sein Umfeld präsentieren. „Das ist sehr bedenklich, wie es im und um den Bahnhof aussieht.“ Auch die Sehenswürdigkeiten, ob Alster, Jungfernstieg oder Grünflächen, finden sich auf Paltes Fotos wieder. Hamburgs Schokoladenseite hat hässliche Flecken.

„Das ist in den vergangenen Jahren mehr geworden“, sagt Peiner. „Wir dürfen uns aber nicht dran gewöhnen. Diese Stadt braucht einen Ruck, um sauberer zu werden.“ In seiner Amtszeit als Finanzsenator hatte er den Bezirklichen Ordnungsdienst BOD mit aus der Taufe gehoben – inzwischen ist dieser wieder abgeschafft.

Das Konzept sieht Peiner inzwischen auch kritisch. Es habe sich herausgestellt, dass die Mitarbeiter des BOD lieber in schnieker Uniform durch die Stadt laufen und Knöllchen schreiben, als sich um die Sauberkeit zu kümmern.

Sauberkeit, so Peiner und Palte, sei nicht nur Aufgabe der Bezirke und der Stadtreinigung, sondern aller Bürger und Anlieger: „Hier ist Gemeinsinn gefordert.“