Hamburg. Jennifer Connelly und Ewan McGregor präsentieren heute den Eröffnungsfilm. Zuvor spielten sie zusammen im Miniatur Wunderland.
Sie ist eine der schönsten Schauspielerinnen der Welt, Oscar-Gewinnerin obendrein. Er gehört zu jenen Darstellern, die sowohl dem Publikum des Komödienintellektuellen Woody Allen als auch Star-Wars-Anhängern bestens vertraut sind. Dass mit Jennifer Connelly (45) und Ewan McGregor (45) gleich zwei Weltstars das heute beginnende Filmfest Hamburg eröffnen, ist jedenfalls keine Selbstverständlichkeit. Noch erstaunlicher: Sie werden nicht nur für fünf Fotominuten auf dem Roten Teppich eingeflogen, einmal in die Menge winken und Abgang. Bereits am Vortag der Eröffnung spazieren Connelly und McGregor mit kleiner Entourage durch die Hotelgänge des Grand-Elysée-Hotels und geben Interviews im Minutentakt zu „Amerikanisches Idyll“.
Am Nachmittag besuchen die beiden Schauspieler mit Filmfestchef Albert Wiederspiel auch das Miniaturwunderland. Dort war man auf den Besuch aus Hollywood bestens vorbereitet: Die Modellbauer haben nicht nur die beiden Darsteller en miniature nachgebaut, sondern auch ein Set aus dem Film "Amerikanisches Idyll". Ewan McGregor und Jennifer Connelly durften ihre Mini-Pendants dabei selbst in die Amerika-Sektion kleben.
Ein leidenschaftlicher Erzähler
McGregor gibt mit diesem Werk, der Verfilmung eines Philip-Roth-Romans, sein Regiedebüt und spielt die Hauptrolle gleich mit, Connelly brilliert in der Rolle der gebrochenen Ehefrau und Mutter. Die amerikanische Schauspielerin schnappt sich ein Fläschen Cola Light und lässt vor Gesprächsbeginn durch die Presseagentin sämtliche Fragen zum amerikanischen Wahlkampf verbieten. Der Rest ist dann aber ganz reizend: Connelly lobt den stets perfekt vorbereiteten Regisseur McGregor, plaudert über ihre erste Filmrolle bei Sergio Leone, bei der sie am Set des Westernklassikers „Es war einmal in Amerika“ ihren 12. Geburtstag feierte und zieht amüsiert eine Augenbraue nach oben, wenn ihr eine Frage, nun ja, überflüssig erscheint. Ihrem freundlich-verbindlichen „Hello, nice to meet you“ plus festem Händedruck setzt McGregor ein fröhlich in die Runde geschmettertes „Na, Leute, wie gehts?“ entgegen. Seine Augen leuchten, wenn er über den Kinofilm spricht, der bereits auf den Festivals in Toronto und Zürich lief und am 17. November in die deutschen Kinos kommt. Keine seine Antworten ist kürzer als fünf Minuten. Dieser Mann ist nicht nur ein Herzblut-Schauspieler, er ist auch ein leidenschaftlicher Erzähler, der vor lauter Detailwahnsinn manchmal lachend gestehen muss, dass er die Frage komplett vergessen hat. Und ein talentierter Regisseur, wie „Amerikanisches Idyll“ nun beweist.
Filmfest in Hamburg
Die Geschichte von Pulitzerpreisträger Roth erzählt vor dem Hintergrund amerikanischer Nachkriegsgeschichte vom Zusammenbruch einer Vorzeigefamilie: Seymour Levov, von allen nur „der Schwede“ genannt, gilt in Newark, New Jersey, als Sportskanone und Mädchenschwarm, später übernimmt er die Handschuhfabrik des Vaters, heiratet Dawn, die ehemalige Miss New Jersey und wird Vater einer hübschen Tochter. Aber die im Titel beschworene Idylle währt nicht besonders lang.
Komplizierte Vater-Kind-Beziehung
McGregor erzählt, dass der Film für ihn im Kern vom Verlust einer Tochter handelt. Von einer komplizierten Vater-Kind-Beziehung in der Auflösung. Dieses Thema habe ihn beim Drehbuchlesen gefesselt – zumal seine eigene Tochter zum damaligen Zeitpunkt kurz vor dem Auszug aus dem Elternhaus stand. Ähnlich war es bei Jennifer Connelly, die die Rolle vor allem deshalb annahm, weil sie berührt war von der Mutterfigur, die den Kontakt zu ihrem einzigen Kind verliert. Dawn droht vor Trauer wahnsinnig zu werden, beginnt eine Affäre mit einem Künstler und stellt ihr Leben komplett auf den Kopf. Der Film braucht nur wenige Großaufnahmen von ihrem Gesicht, um den ganzen Schmerz deutlich zu machen, der auf dieser einst für ihre umwerfende Schönheit bewunderten Frau lastet.
Wohl kein Interview, in dem Jennifer Connelly nicht ausführlich zu ihrem Aussehen befragt wird. Auch an dieser Stelle kurz: Sie ist schneewittchenschön, spektakulär schlank und auf sehr natürliche Weise faltenfrei. Dazu hochhackig und komplett in Schwarz gekleidet. Ob sie Probleme habe mit dem Älterwerden? „Ich kann einige Rollen nicht mehr spielen, die für Jüngere geschrieben sind. Aber darüber hinaus beschäftige ich mich nicht mit dieser Frage“, antwortet Connelly achselzuckend. Lieber spricht die auf tränenreiche Dramen abonnierte Schauspielerin über ihren (noch sehr unkonkreten Wunsch), irgendwann selbst einmal Regie zu führen. Über einen störrischen Bullen, der beim Dreh zu „Amerikanisches Idyll“ partout nicht in dieselbe Richtung laufen wollte wie sie. Und über den Fantasyfilm „Die Reise ins Labyrinth“ („Der einzige Film, den meine Kinder bislang von mir gesehen haben“), bei dem sie die Bekanntschaft mit David Bowie machte.
Das Projekt stand vor dem Aus
Ewan McGregor (T-Shirt, Tattoo, Turnschuhe) ist mit der Roth-Verfilmung bereits seit vielen Jahren vertraut. Dass er die Hauptrolle spielen sollte, galt bereits als ausgemachte Sache. Vier Monate vor Drehbeginn sprang schließlich der vorgesehene Regisseur ab; das Projekt stand vor dem Aus. „Du solltest das machen“, überredete ihn sein Ehefrau – und was in der ersten Sekunde wie eine Schnapsidee klang, wurde rasch konkret. „Ich wollte immer schon Regie führen, aber habe bislang nie den richtigen Stoff gefunden. Dies ist genau der Film, den ich machen wollte“, schwärmt McGregor. Mit dem Werk auf Festivals zu Gast zu sein, empfindet er als große Ehre: „Wir könnten auch einfach nur irgendwelche Premieren machen. Aber auf einem Festival zu laufen, macht die Vorführung zu etwas sehr Besonderem.“ Sitzt man Ewan McGregor gegenüber, sind da so viele verschiedene Film-Gesichter, die aus ihm sprechen. Er ist die „Trainspotting“-Ikone, der Obi-Wan Kenobi der „Star Wars“-Saga, Roman Polanskis „Ghostwriter“. Er ist zudem die einzig vorstellbare Besetzung für Seymour Levov – ganz einfach darum, weil man sich keinen anderen Schauspieler denken kann, der Trauer so facettenreich, so wortlos, so mitreißend rüberbringen kann wie er. „Amerikanisches Idyll“ ist ein trauriger und zugleich höchst fesselnder Film, der zeigt, dass Menschen auf Tragödien niemals vorbereitet sind.
Ewan McGregor hätte noch Dutzende Anekdoten aus dem Schneideraum, eine Vielzahl von Lieblingsszenen parat, über die er gern plaudern würde. Nur, die Zeit ist um. Er springt vom Stuhl, sein Jackett bleibt über der Stuhllehne hängen. Das Kino, wenn es gut ist, lässt einen so manches vergessen.
Eröffnungsfilm „Amerikanisches Idyll“, heute um 19.30 Uhr im Cinemaxx Dammtor (nur mit Einladung), Freitag, 30.9. um 21.30 Uhr im Passage-Kino