Hamburg. Hamburger Unternehmen trennt sich von Vorstandschef Dieter Holzer. Der 74-jährige Uwe Schröder soll nun im Vorstand aushelfen.
Als Letzter senkte wohl Uwe Schröder den Daumen. Lange hatte der Gründer der Hamburger Modekette Tom Tailor zu seinem Vorstandschef Dieter Holzer gehalten, ihm bei geschäftlichen Dingen freie Hand gelassen und sogar in den vergangenen Monaten verteidigt, als der smarte Manager wegen der Unternehmensverluste kritisiert wurde. Doch nun war der Druck der Anteilseigner offensichtlich zu groß.
„Der Vorstandsvorsitzende der Tom Tailor Holding AG, Dieter Holzer, scheidet aus persönlichen Gründen im Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat mit sofortiger Wirkung aus dem Vorstand der Gesellschaft aus“ teilte der Aufsichtsrat jetzt mit. Neuer Chef wird Vorstand Heiko Schäfer. Allerdings nur für eine Übergangszeit – bis eine langfristige Lösung gefunden ist. Auf den ersten Blick ist Holzers Absetzung konsequent: Denn Tom Tailor hatte bereits zum Ende des vergangenen Jahres – nach desaströsen Zahlen – mit dem Umbau des Vorstands begonnen. Damals trat der frühere Adidas-Manager Schäfer in das Unternehmen ein. Im Juni 2016 folgte dann Thomas Dressendörfer als Finanzvorstand. Jetzt muss also Holzer als Chef des Vorstands gehen.
Dennoch wird die Entscheidung des Aufsichtsrats für Gesprächsstoff in der Modewelt sorgen und in die Geschichte des Unternehmens Tom Tailor eingehen: Denn auch Gründer Uwe Schröder kehrt nach zehn Jahren als Aufsichtsratschef in den Vorstand von Tom Tailor zurück. Maximal ein Jahr lang – bis zur endgültigen Nachfolgeregelung Holzers – will Schröder wieder aktiv eingreifen: „Er übernimmt interimistisch die Verantwortung für produkt-, vertriebs- und kollektionsnahe Themen“, heißt es vom Unternehmen.
Besonders schwer dürfte Schröder diese operative Tätigkeit nicht fallen. Selbst nach seinem Wechsel in den Aufsichtsrat vor zehn Jahren hat der heute 74-Jährige noch beinahe täglich sein Büro im Unternehmen aufgesucht: Auch nachdem seine Firmenanteile mehrfach in verschiedene Hände wechselten, war der begeisterte Polo-Spieler und Europameister im Strandsegeln immer nahe dran am Tagesgeschäft. Dennoch oder gerade deshalb ist der Bruch mit dem charismatischen Holzer eine Zäsur.
„Er war mein Wunschkandidat“, sagte Schröder 2006, als er Holzer in den Vorstand holte. Beide Manager sind sich sehr ähnlich: Selfmademillionäre ohne Studium, die es aber verstanden, sich in der harten Modebranche durchzusetzen. Der gebürtige Ravensburger Holzer, den Schröder vom Konkurrenten Tommy Hilfiger an die Alster lotste, sollte Tom Tailor an die Börse bringen – was ihm 2010 auch gelang. Begleitet wurde dieser Schritt von einer beispiellosen Expansion. Jahr für Jahr
verkündete Holzer neue Rekordzahlen beim Ausbau des Filialnetzes.
Bis Ende 2015 verdreifachte sich dieses auf 437 in Eigenregie geführte Tom-Tailor-Läden. Einen riesigen Wachstumssprung verzeichnete die Niendorfer Firma schließlich im August 2012, als sie den Konkurrenten Bonita mit mehr als 960 Laden kaufte.
Holzers Stern begann Ende 2014 zu sinken, als Tom Tailor bei einem Umsatz von 932 Millionen Euro nur noch einen Jahresüberschuss von 10,8 Millionen Euro erwirtschaftete. Schon damals zeichnete sich ab, dass mit der schnellen Expansion auch die Kosten stark gestiegen waren. und die Profitabilität nicht mithalten konnte. Die von Schröder forcierte Einführung der Premium-Marke Tom Tailor Polo Team erwies sich als Flopp. Zudem wurde die Konkurrenz durch das Internet immer größer.
Doch was machte der Aufsichtsrat unter Schröder? Anstatt eine Kurskorrektur einzuleiten, wurde Holzers Ende 2014 auslaufender Vertrag bis 2020 verlängert. Und Holzer bekam ein Salär, das ihn zum bestbezahlten Manager Hamburgs machte. Zwar belief sich dessen Grundgehalt auf eine Summe knapp unter einer Million Euro. Da sich Zulagen und Boni aber nach dem Umsatz richteten, kam Holzer auf ein stattliches Gehalt von 4,5 Millionen Euro.
Doch schon damals gab es Kritik an der Vergütung, zumal sich draußen in den Filialen bereits der Abschwung abzeichnete. So entstand in den ersten neun Monaten 2015 ein Verlust von 10,3 Millionen Euro. Holzer leitete bei der Modefirma zudem noch ein Sparprogramm ein, das den Abbau von bis zu 100 Arbeitsplätzen in der Verwaltung sowie die Schließung von 80 bis 100 Filialen vorsieht.
Abschließen müssen die Restrukturierung nun andere. Schäfer, der einstige Adidas-Mann, bringe frischen Wind in das Unternehmen, heißt es jetzt schon aus der Zentrale. Er gehe sehr strukturiert vor. Vielleicht sieht der Aufsichtsrat darin den eigentlichen Wandel an der Spitze: Auf den Bauch-Entscheider Holzer folgt vorübergehend der Kopf-Mensch Schäfer.
Im Frühjahr 2017 folgt die nächste Personalentscheidung
Mit der endgültigen Nachfolgesuche für Holzer will sich der Aufsichtsrat dann auch Zeit lassen. Der Auswahlprozess soll „voraussichtlich bis zur nächsten Hauptversammlung der Gesellschaft im Frühjahr 2017 abgeschlossen sein“, heißt es. Bis dahin führt Schäfer die Geschäfte – mit Gründer Schröder an der Seite. Der Mann, der Tom Tailor im Jahr 1962 erfand, soll nun dabei helfen, den Weg aus der Krise zu finden.