Hamburg. Das Unternehmen plant das Aus für bis zu 100 Filialen, erzielt nur Minigewinn und streicht 100 Stellen in Verwaltung.

Der Aktienkurs ist um rund zwei Drittel eingebrochen, der Konzern hat sich mit einem neuen Logistikzentrum und falschen Marken verzettelt sowie unter dem Strich gerade mal einen Minigewinn von 100.000 Euro eingefahren: Das vergangene Jahr ist für die Hamburger Modekette Tom Tailor alles andere als gut verlaufen.

Angesichts dieser eher mäßigen Daten will Konzernchef Dieter Holzer nun den angekündigten Sparkurs verschärfen. Wie eine Unternehmenssprecherin dem Abendblatt bestätigte, sollen die Kosten im Rahmen des Programms „Core“ bis 2018 um bis zu 20 Millionen Euro jährlich gesenkt werden. Bislang war von zehn Millionen Euro die Rede gewesen.

Bereits in diesem Jahr will Holzer bis zu rund 100 der fast 1500 Filialen im In- und Ausland dichtmachen, weil sie nicht rentabel genug arbeiten. In einer internen E-Mail an die Mitarbeiter heißt es nach Abendblatt-Informationen, dass konkret 14 Tom-Tailor-Läden und 59 Läden der zweiten großen Marke Bonita identifiziert worden seien, die im Laufe des Jahres schließen sollten. Zu diesen betroffenen Filialen könnten noch einmal rund 30 weitere hinzukommen. Zugleich sind maximal 30 Neueröffnungen geplant. Im vergangenen Jahr war die Zahl der in Eigenregie betriebenen Läden noch um 91 unterm Strich gewachsen.

Deutliche Einschnitte wird es auch in der Zentrale der Modekette in Hamburg-Niendorf geben. Beschlossen ist bereits der Abbau von 60 Arbeitsplätzen, für die mit dem Betriebsrat ein Sozialplan ausgehandelt wurde. Betroffen sind vor allem Beschäftigte, die für die Marken Tom Tailor Contemporary Men und Polo Team tätig sind, die wegen Erfolglosigkeit aufgegeben werden. Teilweise können die Mitarbeiter auf andere Posten im Unternehmen wechseln, andere Stellen wurden schon seit Längerem nicht mehr besetzt.

Insgesamt sollen in der Verwaltung rund 100 Arbeitsplätze abgebaut werden, wie die Unternehmenssprecherin sagte. Dies schließt auch die Zentrale der im Jahr 2012 übernommenen Kette Bonita im nordrhein-westfälischen Hamminkeln mit ein.

Bonita ist eine der Großbaustellen, mit denen der langjährige Konzernchef Holzer bereits seit Jahren zu kämpfen hat. Das ursprüngliche Konzept der Marke, die sich an Frauen jenseits der 40 richtet, funktioniert nur noch bedingt, weil auch etwas ältere Kundinnen heute lieber bei jüngeren Marken wie Zara einkaufen.

Bei der Kernmarke Tom Tailor arbeitet Holzer nach wie vor daran, die einstige Männerlastigkeit zu überwinden. Darüber hinaus besteht das Pro­blem, sich im hart umkämpften mittleren Preissegment des Modemarkts von günstigeren Mitbewerbern wie H&M abzusetzen. Die ruinösen Rabattschlachten machen auch anderen deutschen Modemarken wie Esprit, S. Oliver oder dem einstigen Börsenliebling Gerry Weber zu schaffen.

Erheblich hat Tom Tailor im vergangenen Jahr auch die holprige Inbetriebnahme des neuen, zusammen mit DHL errichteten Logistikzentrums in Hamburg belastet. Anlaufschwierigkeiten führten zu deutlichen Lieferproblemen bei der Herbst- und Winterware und so auch zu Umsatzeinbußen.

Insgesamt hat das Unternehmen nach vorläufigen Zahlen den Umsatz im vergangenen Jahr zwar gegen den Trend im stagnierenden Textilmarkt noch um 2,5 Prozent auf 955,9 Millionen Euro erhöhen können. Zugleich sind die Hamburger aber nur um Haaresbreite an einem Verlust vorbeigeschrammt. Netto blieben 2015 gerade einmal 100.000 Euro übrig, nach 10,8 Millionen Euro im Vorjahr. Das operative Ergebnis Ebitda, aus dem Belastung durch Zinsen, Steuern und Abschreibungen herausgerechnet werden, sank um rund 20 Prozent auf 67,6 Millionen Euro. Den vollständigen Geschäftsbericht und eine Prognose für das laufende Geschäftsjahr will Holzer am 17. März vorlegen.

Der Konzernchef selbst war in den vergangenen Monaten vor allem wegen seines autoritären Führungsstils und seines hohen Gehalts in die Kritik geraten, das lange eher vom Umsatzwachstum als vom erzielten Gewinn abhing. So verdiente er 2014 noch 4,5 Millionen Euro und damit mehr als manch ein Vorstandschef eines DAX-Unternehmens. Für 2015 dürften die Bezüge des gelernten Einzelhandelskaufmanns deutlich unter eine Million Euro gesunken sein.

Dies liegt auch an der Tatsache, dass die variable Vergütung im Frühjahr vergangenen Jahres stärker an das tatsächliche Ergebnis gekoppelt wurde. In Gegenzug wurde allerdings auch Holzers Vertrag bis 2020 verlängert, wodurch er trotz der aktuellen Turbulenzen relativ sicher bei Tom Tailor im Sattel sitzt.

An der Börse muss sich Holzer das Vertrauen der Anleger aber erst wieder mühsam verdienen. Um gerade mal 0,2 Prozent ging der Kurs des einstigen SDAX-Werts am Dienstag nach oben und schloss bei 4,40 Euro. Im März 2015 waren die Papiere noch 14 Euro wert, der absolute Höchststand lag sogar mal bei 18,50 Euro.