Hafencity/Stockholm. Die Mall of Scandinavia bei Stockholm ist Vorbild für Hamburgs größtes Einkaufszentrum, das bis 2021 im Überseequartier entstehen soll.
Wer vom Stockholmer Hauptbahnhof etwa zehn Minuten mit dem Zug in den Vorort Solna fährt, steuert direkt auf ein gigantisches Einkaufszentrum zu: Mall of Scandinavia steht in silbernen Buchstaben über dem Eingang. Der Name ist Programm: Es ist mit 224 Geschäften und mehr als 100.000 Quadratmeter Verkaufsfläche das größte Einkaufszentrum Schwedens. Vor allem Mode, auch im Luxussegment, wird hier angeboten. Es gibt 22 Restaurants und Cafés sowie eine 8000 Quadratmeter große Sportsbar mit mehreren Bowlingbahnen sowie ein Imax-Kino. Zudem stehen 3700 Parkplätze zur Verfügung.
Im November 2015 wurde das Bauwerk von Unibail-Rodamco auf der grünen Wiese eröffnet. 50.000 Besucher pro Tag strömen seitdem in die Mall of Scandinavia: „Die Kunden kommen hier nicht nur einfach zum Einkaufen her, sondern sie tauchen ein in eine Erlebniswelt. Die eine Mischung aus Shopping, Gastronomie und Entertainment ist. Dieses Konzept wollen wir auch im südlichen Überseequartier in Hamburg realisieren“, sagte Ulrich Wölfer dem Abendblatt. Der Bauingenieur ist der Deutschland-Chef des Immobilienunternehmens Unibail-Rodamco und hat im Klang Market Café Platz genommen. Hier hat er das geschäftige Treiben in der Einkaufspassage im Blick.
Der 54-Jährige holt sich Inspirationen für sein Hamburger Projekt und zeigt dem Abendblatt bei einer exklusiven Führung, was Besucher der HafenCity von 2021 an im südlichen Überseequartier erwartet, denn Wölfer ist für die Realisierung des größten Bauvorhabens verantwortlich, das in der Hansestadt in den kommenden Jahren umgesetzt wird. Es soll das „pulsierende Herzstück der HafenCity werden“, kündigt Wölfer an. Rund eine Milliarde Euro wird das französische Immobilienunternehmen investieren.
Der erste Spatenstich im südlichen Überseequartier ist für Januar 2017 geplant. Dort soll 2021 Hamburgs größtes Einkaufszentrum eröffnet werden. 200 Läden mit insgesamt 80.500 Quadratmetern Verkaufsfläche auf drei Ebenen sollen entstehen. Auch zwei sogenannte „Ankermieter“, die große Flächen von jeweils bis zu 15.000 Quadratmeter nutzen, soll es geben. Unibail-Rodamco ist nach Abendblatt-Informationen unter anderen im Gespräch mit namhaften Modehäusern. Dazu soll es Gastronomie auf 8000 Quadratmetern und ein Kino mit Riesenleinwand und 2700 Sitzplätzen geben. Außerdem gehören zu dem Projekt drei Hotels von der Mittelklasse bis zur Luxuskategorie. Zudem sind 500 Wohnungen und 65.000 Quadratmeter Bürofläche sowie ein Neubau für das Kreuzfahrtterminal geplant.
Doch im Mittelpunkt steht das Einkaufszentrum, das in „offener“ Bauweise errichtet werden soll. Das Vorhaben ist umstritten. Der Einzelhandel in der Innenstadt hat Angst vor der Konkurrenz. Der Trägerverbund Projekt Innenstadt geht von bis zu 15 Prozent Umsatzrückgang aus. In einem von der HafenCity GmbH in Auftrag gegebenen Gutachten ist dagegen von höchstens neun Prozent die Rede.
Die Kritik und die Zahlen kennt Wölfer: „Wir schaffen eine Einkaufserlebniswelt für Hamburg, die es so noch nicht gibt. Das wird auch eine Touristenattraktion werden und für viele Kunden aus der Metropolregion ein Anlass sein, in die HafenCity zu fahren.“ Das Wort Konkurrenz nimmt Wölfer nicht in den Mund: „Ich sehe unser Projekt als eine Bereicherung an, von der auch die Innenstadt profitieren könnte. Zudem belebt Wettbewerb bekanntlich das Geschäft.“ Der Deutschland-Chef hat große Pläne. Es wird mit mehr als zwölf Millionen Besuchern pro Jahr kalkuliert: „Wir wollen vom Angebot her die Lücke zwischen der Mönckebergstraße und dem Neuen Wall schließen. Unser Ziel ist es, internationale Marken für unsere Flächen zu gewinnen, die in Hamburg noch nicht vertreten sind.“ Natürlich wolle man auch Hamburger Einzelhändler für das Einkaufszentrum begeistern, wobei es natürlich realistisch sei, dass in die meisten Geschäfte Filialisten einziehen werden, so Wölfer.
Wer durch die Mall of Scandinavia schlendert, merkt sofort: Hier wird auf Wohlfühlatmosphäre gesetzt: Der Fußboden und der überdimensionale Brunnen mit Wasserspielen sind aus weißem Marmor. Wohnzimmeratmosphäre vermitteln die Sitzlandschaften, hier stehen auch Stationen zum kostenlosen Aufladen von Mobiltelefonen zur Verfügung. Im gesamten Einkaufszentrum gibt es Gratis-WLAN: „Unser Ziel ist auch für Hamburg, dass die Kunden nicht nur eine Stunde verweilen, sondern auch mal einen halben Tag dableiben“, sagt Wölfer
In Stockholm sind die Decken mit bunten Lichtinstallationen bis zu 20 Meter hoch, die Schaufenster ungewöhnlich gestaltet: Ein Laden für Outdoorbekleidung setzt auf Baumstämme, andere präsentieren Musikvideos auf großen Leinwänden. Aus einem Schaufenster lächelt einem ein lebensgroßer George Clooney entgegnen. Hier sind viele internationale Marken zu finden, aber auch skandinavische Anbieter.
Neue Wege geht Unibail-Rodamco in der Mall of Scandinavia mit der „Designer Gallery“: Geschäfte bekannter Marken liegen direkt neben Ateliers von jungen lokalen Designern und Künstlern, die diese zu speziellen Konditionen mieten können. Das ist auch eine Option für Hamburg. Ein Teil des Konzepts ist das „4-Sterne-Label“, das auch in Hamburg umgesetzt werden soll: „Das heißt, es werden besondere Serviceleistungen angeboten. Dazu gehört zum Beispiel, dass die im Center gekaufte Ware nach Hause geliefert wird oder dass Windeln, Flaschenwärmer und Nahrung für Kleinkinder kostenlos zur Verfügung gestellt werden.“ Es gibt einen eigenen Bereich mit Spielgeräten für Kinder und eine Baby Lounge.
Für das Einkaufszentrum im Überseequartier laufen die ersten Gespräche mit möglichen Mietern. Ein Wettbewerbsvorteil dürften die Konditionen sein: Nach Abendblatt-Informationen wird mit einer Durchschnittsmiete vonnur 30 Euro pro Quadratmeter – je nach Lage und Größe des jeweiligen Ladens – kalkuliert. Auf der Mönckebergstraße werden bis zu 270 Euro fällig.
Der Bebauungsplan „HafenCity 15“, der die planungsrechtlichen Voraussetzungen für den südlichen Teils schaffen soll, ist noch bis zum 30. September in der Stadtentwicklungsbehörde an der Neuenfelder Straße 19 ausgelegt.