Hamburg. S-Bahn bestätigt „verstärkte Beschwerden“ von Fahrgästen. Die Hochbahnwache ist deshalb häufiger auf Linie U 3 im Einsatz.

Das Betteln in Hamburgs U- und S-Bahnen wird zunehmend zu einem Problem. „Es gibt verstärkt Beschwerden von unseren Kunden“, sagt Bahnsprecher Egbert Meyer-Lovis auf Abendblatt-Anfrage. Im Interesse aller Fahrgäste empfehle die S-Bahn deshalb, den Bettlern kein Geld zu geben. So werde der Hamburger Nahverkehr unattraktiv für organisierte Bettelei,und das Reisen bleibe für alle angenehm, so Meyer-Lovis weiter.

Auch die Hamburger Hochbahn kennt die Problematik: „Vermehrt ist Betteln auf der U 3 zwischen Hauptbahnhof und Landungsbrücken festzustellen. Offensichtlich sollen gerade Touristen angesprochen werden“, sagt Sprecher Christoph Kreienbaum. Das Verkehrsunternehmen hat bereits reagiert: „Die Hochbahn-Wache ist auf dem Abschnitt der Linie U 3 verstärkt unterwegs. Bettelnde Menschen werden aufgefordert, Züge und Haltestellen zu verlassen“, so Kreienbaum.

Betteln ist Verstoß gegen Hausordnung

Im gesamten Hamburger Verkehrsverbund (HVV) gilt: „Betteln und Musizieren ist in Bussen, Bahnen und in den Haltestellen verboten. Wer sich nicht daran hält, verstößt gegen die Beförderungsbedingungen des HVV“, sagt Sprecher Rainer Vohl. Eine Straftat stellt das Betteln zwar nicht dar, es könne aber aufgrund des Verstoßes gegen die Hausordnung eine Vertragsstrafe von 40 Euro verhängt werden. Allerdings kommt das wohl so gut wie nie vor: „Wir sehen in den meisten Fällen von einer Vertragsstrafe ab, da es aussichtslos ist, das Geld tatsächlich einzutreiben“, sagt Hochbahn-Sprecher Christoph Kreienbaum.

Die CDU sieht dringenden Handlungsbedarf: „Der Senat muss umgehend dafür sorgen, dass deutlich mehr Sicherheitspersonal in den Zügen eingesetzt wird und konsequent die Einhaltung des Bettelverbots durchgesetzt wird“, fordert Verkehrsexperte Dennis Thering. Die deutliche Zunahme der organisierten Bettelbanden in Hamburg mache sich jetzt auch immer mehr in den Zügen der S- und U-Bahnen bemerkbar. Das sei für viele Hamburger und Touristen ein großes Ärgernis, so Thering weiter.

Bettler tragen Revierkämpfe aus

Es ist inzwischen sogar schon so weit, dass die Bettler innerhalb des ÖPNV miteinander konkurrieren. Das zeigt ein Erlebnis der Hamburgerin Maren K. am vergangenen Wochenende: Die Wagen der S-Bahnlinie 3 zwischen Altona und Jungfernstieg waren voller Menschen. Mittendrin saß Maren K. mit Mann und ihren beiden zwei Jahre alten Zwillingstöchtern. Die Familie war am Sonnabendnachmittag auf dem Weg zum Alstervergnügen.

An der Haltestelle Königstraße sei vorn eine junge Frau zugestiegen, so Maren K., die laut und deutlich eine Ansprache an die Fahrgäste gerichtet habe: „Entschuldigen Sie bitte die Störung. Ich bin obdachlos und im sechsten Monat schwanger. Weil ich kein Geld habe, mir etwas zu essen zu kaufen, ist mein Baby ebenso wie ich unterernährt und muss vielleicht sterben ....“. Dann habe die junge Frau um eine Geldspende gebeten. Maren K. griff – wie einige andere Fahrgäste – zu ihrer Tasche, wollte Kleingeld hervorkramen. Im selben Moment ertönte eine weitere weibliche Stimmer hinter ihr: „Entschuldigen Sie bitte die Störung. Ich bin obdachlos und .....“ Dann habe die hinten eingestiegene Geldsammlerin ihre Rivalin entdeckt, sei auf diese zugestürzt und habe sie beschimpft. Der lautstarke Streit endete damit, dass die erste junge Frau der zweiten die eingesammelten Münzen entgegenschleuderte. Beide verließen den Wagen an der Haltestelle Reeperbahn.

Grünen-Verkehrsexperte hat Verständnis

Hier wartete nach den Schilderungen von Maren K. schon ein weiterer Bettler: Es stieg ein junger Mann in abgerissener Kleidung zu. Die Türen schlossen sich, und er sagte seinen Spruch auf: „Sehr geehrte Damen und Herren, entschuldigen Sie bitte die Störung. Ich bin obdachlos ....“

Verständnis zeigt der Grünen-Verkehrsexperte Martin Bill: „Selbst in einer reichen Stadt wie Hamburg wird es Armut und Betteln leider immer geben. Bettlern im öffentlichen Raum sollten wir daher mit Verständnis und Nachsicht begegnen, denn niemand macht das aus Spaß und Freude.“ Eine offene Weltstadt halte Betteln aus, auch in öffentlichen Verkehrsmitteln. Allerdings räumte der Grünen-Politiker ein: „Mein Verständnis hört da auf, wo das Betteln aggressiv wird. Das stört nicht nur die Fahrgäste in U- und S-Bahn, sondern zerstört bei vielen Menschen das Verständnis für die Belange der Bedürftigen in dieser Stadt.“

Aber nicht nur Betteln mit freundlich aufgesagten Texten ist in den Hamburger U- und S-Bahnen an der Tagesordnung, weiterhin gibt es auch häufig eine unfreiwillige musikalische Untermalung. Auch hier ist wieder die Linie U 3, die an Haltestellen wie St. Pauli oder Landungsbrücken hält, ein beliebter Ort. Die meist jungen Musikanten spielen zum Beispiel auf dem Akkordeon, danach wird den Fahrgästen ein Pappbecher mit der Bitte um eine Spende unter die Nase gehalten. Hochbahn-Sprecher Kreienbaum empfiehlt den Kunden auch in diesen Fällen: „Die wirksamste Methode gegen das Musizieren ist, den Musikern kein Geld zu geben.“

Vorfälle melden:

S-Bahn-Fahrgäste, die sich durch Bettler gestört fühlen, können sich an die S-Bahn Hamburg unter (040) 391 84 385 wenden. Es sollten Linie und Haltestelle genannt werden. Bei einer Straftat wie Diebstahl oder Körperverletzung können Fahrgäste die Bundespolizei (0800/68 88 000) alarmieren.

U-Bahn-Fahrgäste rufen Hochbahn (040/32 88 27 23) oder den HVV (040/19 449) an.