Hamburg. Vor einem Jahr wurde die Einrichtung der Flüchtlingshilfe gegründet. Jede Woche werden 50.000 Artikel sortiert.

Die einst graue Mauer am Elbberg oberhalb der Kleiderkammer ist jetzt bunt. Vor ein paar Wochen wurde sie während eines Graffiti-Workshops für Flüchtlinge bemalt. Organisiert hatte das der Verein Hanseatic Help e. V. mit Viva con Agua, der Millerntor Gallery und dem Berliner Künstlerpaar Various & Gould. Ein kleines, aber gutes Beispiel für das Hanseatic-Help-Motto „Einfach machen“, für die gute Vernetzung des Vereins und dafür, dass er weit mehr ist als Deutschlands größte Kleiderkammer. „Wir wollen über den Hafenrand hinausgucken“, sagt Arnd Boekhoff aus dem Hanseatic-Help-Vorstand – eine Anspielung auf den Standort an der Großen Elbstraße, wo die Kleiderkammer samt Logistik, Verwaltung und Spendenannahme seit Anfang April sitzt.

Begonnen hat die Erfolgsstory des Vereins jedoch in den Messehallen, wo am 13. August 2015 als rasche Hilfsmaßnahme für 1200 in den Messehallen untergebrachte Flüchtlinge eine Kleiderkammer gegründet wurde. Schnell wurde daraus ein Phänomen: Tausende hilfsbereite Hamburger brachten Sachspenden vorbei und packten pragmatisch mit an. Grundstock für die Kleiderkammer war ein Teil der Spenden, die Leser bei der großen Abendblatt-Hilfsaktion im Juli 2015 vor der Redaktion abgegeben hatten.

„Bislang haben wir mehr als 3,5 Millionen gespendete Artikel sortiert, verpackt und ausgegeben“, sagt Arnd Boekhoff. Tausende Geflüchtete wurden mit Kleidung, Hygieneartikeln und Betten ausgestattet. In der Kleiderkammer ist eine ausgeklügelte Logistikkette entstanden, die von der Spendenannahme bis zur Starterset-Ausgabe 14 verschiedene Arbeitsstationen umfasst. Ihnen stehen 14 „Hüte“ genannte Abteilungsleiter vor, die sich weiterhin alle paar Tage treffen, um die Verzahnung der Abläufe im Blick zu behalten. Ein IT-basiertes Warenwirtschaftssystem unterstützt die Helfer bei der Bearbeitung von etwa 50.000 Artikeln in der Woche, das sind bis zu 15 Lkw-Fahrten pro Tag.

„Wir arbeiten eng mit Behörden und Unterkunftsbetreibern zusammen und versorgen regelmäßig etwa 150 verschiedene Einrichtungen in Hamburg und Umland, auch für Obdachlose“, erläutert Arnd Boekhoff. Sachspenden, die dort auf absehbare Zeit nicht eingesetzt werden könnten, würden in ganz Deutschland verteilt. Durch Kooperationen mit anderen Hilfsorganisationen gelangen Spenden aus der Großen Elbstraße sogar in globale Krisenregionen wie Nordirak, Syrien und Griechenland. Neuerdings steht auch Sizilien im Fokus des Vereins. Dort habe sich die humanitäre Situation nach dem EU-Türkei-Abkommen dramatisch verschärft, so Boekhoff. „Immer mehr Menschen riskieren, über die südliche Fluchtroute nach Europa zu gelangen und stranden auf Sizilien.“

Nach dem im Frühjahr getroffenen Flüchtlingsabkommen sei das Spendenaufkommen in Hamburg zurückgegangen. „Offenbar denken viele, es würden jetzt nicht mehr so viele Hilfsgüter gebraucht“, sagt Boekhoff. Doch das Gegenteil sei der Fall. Trotz des großen Bestands an Hilfsgütern benötige der Verein ständig Spenden. Auch Mitarbeiter würden gesucht. Viele, die von Anfang an dabei waren, hätten sich zurückgezogen, weil sie das zeitintensive Ehrenamt nicht länger mit ihrem Beruf vereinbaren konnten. „Es ist angesichts der Fülle von Aufgaben schwer, sich eine Grenze zu setzen“, sagt Boekhoff.

Derzeit besteht das Team aus rund 50 regelmäßigen Helfern. Doch es fehlen noch mehr Menschen mit Erfahrung in den Bereichen Büro, Social Media, IT und Logistik. Im zweiten Jahr seines Bestehens will sich Hanseatic Help noch breiter aufstellen. Eine kürzlich gestartete Vortragsreihe zu den Themen Mi­gration und Integration soll fortgeführt werden, ähnliche Projekte wie der Container-Ausbau für Obdachlose initiiert werden. Und ab Herbst werden im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes drei Geflüchtete und drei Deutsche in der Kleiderkammer arbeiten. „Ein schönes Signal“, findet Arnd Boekhoff. (fru)

Spenden: Große Elbstraße 264, geöffnet Do bis Di von 10–20 Uhr, www.hanseatic-help.org