Hamburg. Serie Teil 15. Was wurde aus den Gewinnern des Gründerpreises? Coskun Costur hat in 13 Jahren drei türkische Badehäuser eröffnet.
Mitte August war das Dampfbad zwei Wochen geschlossen. Die Constantin Film Produktion hatte das Hamam im alten Hafenkrankenhaus für die Dreharbeiten einer Komödie angemietet. „Verpiss dich, Prinzessin“, mit Comedian Bülent Ceylan in der Hauptrolle, soll der Kinofilm heißen. Coskun Costur (52) entschuldigt sich für die auf dem Weg ins marmorne Waschhaus ausgelegten Matten, das er zeigen möchte. „Sie schützen unseren Steinboden“, sagt er. „Außerdem soll so wenig Schmutz wie möglich verbreitet werden.“
Sauberkeit und Hygiene sind dem Hamambetreiber ein wichtiges Anliegen, deshalb zeugt ein Zertifikat neben den Umkleidekabinen von der Qualität des Wassers. Seine Wellnessoase, erklärt er, werde nicht – wie vielleicht klischeehaft angenommen – überwiegend von Türken genutzt. „90 Prozent meiner Besucher sind Deutsche“, sagt Costur. Das mache ihn stolz.
Zwölf Jahre ist es her, dass der Sohn eines türkischen Einwanderers für sein erstes Hamam auf St. Pauli mit dem Preis als Existenzgründer ausgezeichnet wurde. Ein Jahr zuvor hatte er ein marodes altes Autohaus mitten in der Stadt entkernt, umgebaut und als Badehaus eröffnet. Finanziell unterstützt wurde das Projekt von der Bürgschaftsgemeinschaft Hamburg, der Hamburger Sparkasse sowie dem Europäischen Förderprogramm Efre.
Schon vier Jahre später eröffnete er an der Seewartenstraße ein zweites Dampfbad. Mit 650 Quadratmetern war es erheblich größer und mit Investitionen in Höhe von 1,5 Millionen Euro etwa doppelt so teuer wie die erste Gründung. Geschafft hat der Deutsch-Türke diese unternehmerische Leistung erneut mit staatlichen Krediten und Fördergeldern. Er sagt aber auch: „Es war ein Kraftakt, den ich nur mit Hilfe von Freunden und meinem Netzwerk geschafft habe.“
1000 Tonnen Marmor wurden im Hafenkrankenhaus verbaut
1000 Tonnen Marmor ließ er in der Türkei schneiden, per Lkw und Schiff wurden die Steine nach Hamburg gebracht. Zwei Architekten beschäftigen sich mit dem Umbau des alten Hafenkrankenhauses in ein möglichst originalgetreues Badehaus, so wie es einst Sultane für ihre Untertanen zur Körperpflege bauen ließen. „Um die hohen Handwerkerrechnungen bezahlbar zu machen, musste ich hart verhandeln“, erinnert sich der Bauherr. In Bremen hat er zudem ein schon bestehendes Hamam übernommen und ebenfalls nach seinen Vorstellungen ausgebaut. Das Hamam, welches mit dem Gründerpreis ausgezeichnet wurde, betreibt mittlerweile seine Ex-Ehefrau Selma.
Costur zündet sich in dem dezent orientalisch eingerichteten Restaurant, das zum Hamam im Hafen gehört, eine Pfeife an. Der Mann ist Genießer – das signalisiert auch seine Figur. Seit Juli hat er nicht nur Abendküche, sondern auch einen Mittagstisch im Angebot. „Das wird vom Quartier gut angenommen“, sagt er. Mitarbeiter des Bernhard-Nocht-Instituts sowie der umliegenden Büros nutzen die kurzen Wege für ihre Essenspause. „Wir wollen auch tagsüber zeigen, dass die türkische Küche mehr zu bieten hat als Döner und Spieße“, sagt Costur.
Er habe sich von Beginn an angekommen und angenommen gefühlt in Deutschland, erzählt er. Mit 17 hatte ihn der Vater aus der Türkei nach Hamburg nachgeholt. Costur senior, der ehemalige Seemann, hatte inzwischen in einer Fabrik Arbeit gefunden. Auch der Sohn bekam dort seinen ersten Job, lernte Deutsch und engagierte sich erst als Mitglied, dann als Vorsitzenden des Betriebsrats für seine Kollegen.
„Ich bin ein politischer Mensch“, sagt Costur. „Vielleicht nicht mehr so kämpferisch wie als junger Mann, aber immer noch mit Herzblut.“ Schon in den 80er-Jahren, es war eine politisch turbulente Zeit in der Türkei, war es die furchtlose und kritische Haltung des jugendlichen Coskun den Regierenden gegenüber, die der Familie seine Ausreise aus dem Land ratsam erscheinen ließ. Heute ist Costur Vorsitzender des Vereins zur Förderung der Ideen Kemal Atatürks, er engagiert sich im Vorstand der türkischen Gemeinde und er ist Mitglied im Plenum der Handelskammer. „Ich bin ein Fan der Demokratie“, sagt er. „Und schreiben Sie ruhig, dass ich ein Kritiker von Erdogans Politik bin.“
Nach seiner Zeit als Maschinenarbeiter, er war inzwischen deutscher Staatsbürger, machte er auf St. Pauli ein türkisches Lokal auf. Nach dem Fall der Mauer schien die Zeit für Import- und Export-Geschäfte perfekt, also handelte Coskun Costur mit Teppichen, Videospielen und Haushaltswaren im ostdeutschen Raum. In den Sommern ging er zurück in das Land seiner Geburt, leitete dort eine Ferienanlage in Bodrum.
Doch angestellt zu sein, war nicht Costurs Ziel. Mit seinem Ersparten wollte er an der Mittelmeerküste ein eigenes, kleines Hotel eröffnen. Seine Idee war es, den Türken, die damals im Heimaturlaub zumeist beengt bei der Familie unterkamen, eine Unterkunft zu bieten für Relax-Urlaub nach deutschem Vorbild. Der Deal sollte cash erfolgen. „Ich hatte aber nicht genug Geld“, sagt er. Also sparte er weiter, um in Deutschland irgendwann ein eigenes Unternehmen aufzubauen. Die Vision diesmal: ein Hamam in Hamburg.
Als er die Pläne mit der Familie besprach, war die Reaktion erst einmal negativ. „Was willst du mit einem Badehaus in einem Land, wo fast jeder eine eigene Badewanne hat“, hieß es. Doch Costur setzte sich über alle Bedenken hinweg – und gründete erfolgreich. 15 Angestellte beschäftigt er inzwischen, sein Badehaus ist besonders im Herbst und Winter immer ausgelastet, das Restaurant gut besucht. „Ich bin bald schuldenfrei und dann in ruhigem Fahrwasser“, sagt er. Und vielleicht ist ein Romantik-Hotel in Bodrum ja doch noch mal irgendwann eine Option.