Hamburg. Karl-Andreas Feldhahn und Marc-Oliver Griefahn haben Weinmann Geräte für Medizin groß gemacht. Doch dann kam es zum Streit.
Nein, Freunde sind sie nicht. Eine Zeit lang sind sie sich sogar bewusst aus dem Weg gegangen. Zu viel ist passiert, seit sich die geschäftsführenden Gesellschafter Marc-Oliver Griefahn (46) und Karl-Andreas Feldhahn (56) entschlossen, den 1874 gegründeten Medizintechnikhersteller Weinmann in zwei eigenständige Unternehmen zu splitten und eines davon zu verkaufen. 2013 war das, und seither hat sich das Leben beider Männer entscheidend verändert.
Der eine, Diplomvolkswirt Marc OliverGriefahn, Sprecher der Gesellschafter von Weinmann Emergency, dem ursprünglichen Geschäftsbereich, hat vor zwei Jahren ein „Quasi-Sabbatical“ genommen, um, wie er sagt, herauszufinden, was er zukünftig machen möchte. „Altersmäßig ist das ein guter Zeitpunkt.“ Mit zwei angestellten Managern hat er diesen Teil des Traditionsunternehmens, Spezialist für Notfall-, Transport- und Katastrophenmedizin, operativ in familienfremde Hände gegeben.
Der andere, Diplom-Maschinenbauingenieur Karl-Andreas Feldhahn, ist bei Weinmann ausgeschieden und bei der Löwenstein Medical Technology Hamburg als einer von drei Geschäftsführern eingeschert. Weinmann Homecare, das an die Löwenstein Gruppe verkaufte zweite Teilunternehmen, ist weltweit im Bereich der Schlaftherapie drittgrößter Anbieter. Seinen Verbleib unter Fremdbestimmung erklärt Feldhahn so: „Ich fühle eine starke Verantwortung für die Mannschaft. Außerdem bin ich ein Typ, der gerne arbeitet, wenn es etwas zu bewegen gibt.“
Vor acht Jahren bekamen sie den Preis als Aufsteiger
Acht Jahre ist es her, dass die beiden Familienunternehmer mit dem Gründerpreis als „Aufsteiger des Jahres“ ausgezeichnet wurden. Die Söhne der Hamburger Familien Feldhahn und Griefahn, die Weinmann 1967 übernommen hatten, positionierten nach ihrem Eintritt in die Geschäftsleitung 2003 den Mittelständler auch international und machten ihn darüber hinaus zur Innovationsschmiede mit eigenem Forschungsstandort. So konnte der Umsatz von knapp 70 Millionen Euro 2008 bis heute um fast 70 Prozent gesteigert werden. Mehr als 500 Mitarbeiter waren bei der Firma beschäftigt – in der Zentrale in Hamburg, in der Fabrik in Henstedt-Ulzburg und im Vertrieb in 55 Ländern. Zudem standen die beiden Chefs in dem Ruf, mit ihrer Wachstums-Initiative „InnoChamp“ Mitarbeiter aus den unterschiedlichsten Fachrichtungen besonders gut zu motivieren. In Kreativ- und Kritik-Zirkeln durften diese Konzepte entwerfen und Ergebnisse diskutieren. Die besten Ideen wurden mit Preisen belohnt.
Für diese Strategie wurden die Hightech-Lebensretter aus Stellingen auch als „Ausgewählter Ort 2007 im Land der Ideen“ ausgezeichnet. Zu ihren populärsten Produkten gehört der in Kranken- und Rettungswagen unverzichtbare „Ulmer Koffer“ zur Erstversorgung Schwerstverletzter sowie die Beatmungsgeräte der Marke Medumat. Auch Defibrillatoren, die durch Schocktherapie Herzen wieder zum Schlagen bringen, stellt Weinmann her. Der Titel „Familienfreundliches Unternehmen“ krönte die Anstrengungen um eine gute Arbeitsatmosphäre. „Ich möchte, dass es menschelt“, war der prägende Satz noch 2012 von Marc-Oliver Griefahn.
Doch ausgerechnet er war es, der jenen Umbau einleitete, der nicht nur die bis dahin funktionierende Zusammenarbeit der beiden unterschiedlichen Männer beendete, sondern auch die über die Jahre gewachsenen Mitarbeiterstrukturen. „Ich wollte, dass die Karawane nach links schwenkt, Karl wollte nach rechts und währenddessen hat uns eine andere Karawane überholt“, erklärt Griefahn seine Entscheidung zur Trennung und zum Verkauf. Sein Vater Joachim war Ende der 1960er-Jahre in das damals von Karl Feldhahn senior geleitete Unternehmen Weinmann Geräte für Medizin eingetreten. Der Sohn hatte vor seinem Einstieg ins elterliche Unternehmen berufliche Erfahrungen als Immobilienhändler und in der Vermögensverwaltung gesammelt.
Wirtschaftlich hatte sich die Situation dadurch verschärft, dass besonders in der Sparte Homecare, auf die inzwischen ein Großteil des Umsatzes (60 Millionen Euro 2012) entfiel, die Konkurrenz zunahm. Eine immer älter werdende Gesellschaft benötigt zunehmend Beatmungsgeräte, Sauerstoffmasken. Auch Großkonzerne wie Philips stiegen in das Geschäft ein. Die beiden Gesellschafter diskutierten kontrovers, was zu tun sei. „Marc hatte ständig neue Ideen, wollte neben unserem Kerngeschäft neue Geschäftsfelder aufbauen“, sagt Feldhahn. „Im Nachhinein muss ich zugeben, dass ich aus seiner Sicht der Nörgler, der Bremser war. Ich wollte unsere traditionellen Geschäftsfelder ausbauen und bewahren, was wir aufgebaut hatten. Dennoch haben wir gut zusammengearbeitet.“
Griefahn wollte nie dynastisch denken
Ein Blick zum ehemaligen Geschäftspartner. Der beteiligt sich eher spartanisch am Gespräch. Erklärt nun aber seinerseits die persönliche Motivation. „Ich fühlte mich ausgebremst, wollte meine Vorstellungen von Unternehmertum anders ausleben. Mir macht es nichts aus, wenn Pläne scheitern. Das gehört dazu.“ Seine Analyse des Auseinanderdriftens: „Ich war der Eroberer, Karl der Bewahrer. Beides ist gut, aber nicht auf einmal.“ Deshalb habe er, anders als Feldhahn, keine schlaflosen Nächte gehabt. Zudem habe er nie dynastisch denken wollen. „Ich habe mich total mit der Firma identifiziert“, sagt Feldhahn. Er war nach Studium und Wanderjahren schon 1993 ins Familienunternehmen eingetreten und hatte sofort Verantwortung übernommen. Griefahn kam 1996 dazu, wurde behutsam zum Finanzdirektor aufgebaut. 2003 wurde beiden das Ruder übergeben.
Sich also von jenem Teil des Unternehmens zu trennen, das mit den Diagnose- und Therapiegeräten für Schlafapnoe, sowie Sauerstoffgeräten für die Heimbeatmung lungenkranker Menschen mit einem geeigneten Partner schnell weiterwachsen kann, erschien sinnvoll – auch, weil es weltweit Kaufinteressenten gab. Am Ende erhielt die Löwenstein Gruppe aus Bad Ems den Zuschlag. Das 1986 gegründete Unternehmen Heinen + Löwenstein zählt ebenfalls zu den führenden medizintechnischen Unternehmen in Deutschland und beschäftigt mehr als 1100 Mitarbeiter. „Ich glaubte nicht, dass es funktionieren könnte“, sagt Feldhahn. „Aber Marc sagte nur, die Sache sei sicher. Und er hatte recht.“
Während der eine, Griefahn, sich also um Start-up-Unternehmen kümmert, Pläne schmiedet und ansonsten Freiräume genießt, hat sich der andere, Feldhahn, geschüttelt und noch einmal von vorn, nun innerhalb einer Konzernhierarchie angefangen. „Ich habe gelernt, dass man sich auch im fortgeschrittenen Alter noch einmal neu positionieren kann, dass man lernfähig ist und sich viel mehr zutrauen kann, als man glaubt“, sagt er.
Einen Monat vor dem Verkauf zog die Hälfte der Mitarbeiter aus, Weinmann Emergency bezog neue, separate Räume. Die restliche Belegschaft am Hamburger Firmensitz in Stellingen (etwa die Hälfte der hier bisher 240 Mitarbeiter) rückte räumlich näher zusammen, „um bei ihrer täglichen Arbeit durch die zahlreichen leer stehenden Räume nicht ständig an die Trennung von den lieb gewordenen Kollegen erinnert zu werden“, sagt Feldhahn. Zudem musste Platz geschaffen werden für Untervermietungen an andere Teile der Löwenstein Gruppe. „Lustig war das nicht“, sagt er. Aber nun sehe er Licht am Ende des Tunnels.
Beim Fotografieren sind die beiden Ex-Partner Profis genug, sich eventuelle persönliche Dissonanzen nicht anmerken zu lassen. „Wie hätten Sie denn gern die Pose“?, fragt Griefahn und legt mal kurz die Hand an die Stirn, um wie ein Kapitän an Bug eines Schiffes Ausschau nach dem nächsten Sturm zu halten. Karl-Andreas Feldhahn lächelt ebenfalls. So sehen Sieger aus. Gewonnen haben beide.