Hamburg. Serie, Teil 2: Was wurde aus den Gewinnern des Gründerpreises? Selma Yöndem-Ekinci baute das türkische Badehaus mit ihrem Mann auf.
Die Chefin hat sich verspätet. Eigentlich sei das nicht ihre Art, sagt sie, als sie sich an diesem Hamburger Sommertag im bodenlangen Trägerkleid zum Teetrinken draußen vor dem Eingang niederlässt. „Mir steckt eine Erkältung in den Knochen“, sagt Selma Yöndem-Ekinci (51). „Ich habe kaum geschlafen. Aber ich wollte den Termin nicht kurzfristig absagen.“
Also hat sie die Augenringe dezent überschminkt, die Haare schnell frisiert und ist nun bereit zu erzählen, wie es ihr und dem türkischen Dampfbad, Das Hamam genannt, an der Feldstraße ergangen ist, seit sie und ihr damaliger Ehemann, Coskun Costur, als Existenzgründer des Jahres 2004 ausgezeichnet wurden. „Über meine Vergangenheit möchte ich nicht viel sagen“, beginnt sie das Gespräch unerwartet schmallippig. „Wir haben uns getrennt, privat und geschäftlich. Seit sechs Jahren bin ich nun schon mit diesem wunderbaren Mann verheiratet. Er ist meine rechte Hand, meine Kraftquelle.“ Gemeint ist Taylan Ekinci, 37 Jahre alt, der, während seine Frau noch auf dem Weg war, schon einmal den köstlichen Tee serviert hat und in Abwesenheit der Chefin die Geschäfte führt. Als Nebenbei-Gesprächspartner ist er an diesem Tag allerdings nicht vorgesehen. „Das Hamam hier ist mein Unternehmen, mein Lebenswerk“, sagt Selma Yöndem-Ekinci selbstbewusst. „Ich war schon in meiner ersten Ehe die Macherin, obwohl mein Ex-Mann die Lorbeeren am liebsten allein für sich beanspruchen wollte.“ Coskun Costur hat nach der Scheidung das von dem Ex-Ehepaar gemeinsam aufgebaute zweite Hamburger Hamam behalten. Es liegt am Hafen und ist mit 700 Quadratmetern doppelt so groß wie die Keimzelle an der Feldstraße.
Aber auch hier, im Original, hat sich vieles verändert. Der orientalisch eingerichtete Hauptraum ist mit seinen Sitzkissen sowie einer Art Kuschelecke noch einladender geworden, als er es ohnehin schon war. „Wer halb nackt ins Hamam geht, begibt sich vertrauensvoll in unsere Hände“, sagt Selma Yöndem-Ekinci. „Dieses Vertrauen geben wir mit einer angenehmen und den Wünschen der Gäste entsprechenden Umgebung und Behandlung zurück.“ Terminabsprachen sind sinnvoll. Unter den Gästen sind auch Prominente. „Aber die wollen privat bei uns sein, und das bleibt auch so.“
Damals, beim Umbau und der Investition von vermutlich etwa 750.000 Euro in ein verwahrlostes Ladenlokal schräg gegenüber dem Bunker auf St. Pauli am Heiligengeistfeld, kratzte das türkische Paar alles Geld zusammen, das es auftreiben konnte, entwickelte einen Businessplan und realisierte mithilfe von Fördergeld und Krediten das erste türkische Dampfbad in Hamburg.
Tonnenweise Marmor und kostbare Stoffe ließen sie aus ihrer Heimat einfliegen, um Das Hamam so traditionell wie möglich auszustatten. Heute beschäftigt die Chefin zwischen zehn und zwölf Mitarbeiter, die an den fünf warmen Marmortischen massieren, waschen und peelen. „Wir pflegen eine sehr alte Kultur“, sagt Selma Yöndem-Ekinci. „Und anders als im alten Rom oder Griechenland steht unser Dampfbad nicht nur den Eliten zur Verfügung.“ Doch die Frau mit dem klaren Lebensplan ist nicht nur stolz darauf, das kleine Unternehmen erfolgreich weitergeführt zu haben, sondern auch auf die gelungene Alleinerziehung der beiden Kinder Yelis (29) und Cihan (24) nach der Trennung vom Vater und Ehemann. Die Tochter lebt zurzeit im spanischen Valencia. Sie macht gerade ihren Master im Fach Internationales Management. Der Sohn studiert am HAW-Campus am Berliner Tor Technik und Informatik. „Dabei hat ihn sein Mathelehrer in der sechsten Klasse aussortiert, weil er angeblich zu schlecht war.“
Reich zu werden sei nie ihr Ziel gewesen, sagt die Gründerin
An den Krediten zahlt Selma Yöndem-Ekinci immer noch ab. Aber das sei kein Problem, beteuert sie. Finanzwesen habe sie perfekt gelernt, als sie noch als Sekretärin in verschiedenen Firmen arbeitete, und schließlich in der Buchhaltung landete. „Außerdem ist reich werden niemals mein Ziel gewesen.“
Dennoch hat die Tochter türkischer Einwanderer viel erreicht. Damals, als ihre Eltern mit den Kindern in Heidelberg landeten, sprach die Sechsjährige kein Deutsch und hatte Schwierigkeiten in der Schule. „Wir kamen von der Schwarzmeerküste. Das sind die türkischen Ostfriesen“, sagt sie und lacht über den gelungenen Scherz am meisten. Doch mit ihrer schon damals ausgeprägten Zähigkeit und Zielstrebigkeit biss sie sich durch, machte den Hauptschulabschluss und lernte Bürokauffrau. „Ich habe meinen Kindern immer gesagt: ,Menschen fliegen zum Mond. Auch ihr werdet das schaffen, wenn ihr es wollt.‘“
Ihre Erfahrungen gibt sie aber auch an andere Einwandererfamilien weiter. Ehrenamtlich hat sie im Rahmen des Programms „Unternehmer in Schulen“ Jugendlichen erklärt, was wichtig ist im Leben. „Auch ohne Abitur kann man Jobs bekommen“, sagt Selma Yöndem-Ekinci. „Aber Chancen muss man sich hart erarbeiten.“
Ein letzter Schluck Tee aus dem Glas. Doch die Gesprächspartnerin hat noch Neuigkeiten. „Ich plane eine Erweiterung meines Hamams“, sagt sie. Neben den Räumen des Bades hatte sie bislang ihr Büro. Das soll nun geräumt werden. Dort will Selma Yöndem-Ekinci eine Mini-Oase der Zweisamkeit schaffen. Nicht ausschließlich für Paare. „Nein, auch Mutter und Tochter, Freundin und Freundin wollen vielleicht einmal Zeit mit sich selbst verbringen. Ihnen will ich einen besonderen Ort der Beziehung schenken.“
Die Idee habe auch etwas mit ihrem Glauben zu tun, erzählt sie. Die türkische Unternehmerin ist gläubige Muslima. Aber ohne Schleier, ohne Ramadan. „Jeder Mensch hat eine Aufgabe“, sagt sie. „Meine ist es, die Menschen zum Denken zu bringen.“ Und das funktioniere besonders gut in einer Begegnungsstätte, die Ruhe und Besonnenheit unterstütze. „Kommen Sie doch mal ins Hamam“, sagt Yöndem-Ekinci. „Dann zeige ich Ihnen, wie gut eine rituelle Waschung und die Besinnung auf sich selbst tut.“ Welchen Namen wessen Gott trage, „das ist sowieso egal“.