Hamburg. Banken vergeben in der Krise weniger Kredite. Weltgrößte Schiffbaumesse eröffnet heute in Hamburg.

Angebot und Nachfrage passen nicht immer zusammen. Bestes Beispiel ist die maritime Branche. Heute öffnet die weltweit führende Schiffbaumesse SMM in Hamburg ihre Pforten. Bis Freitag zeigen 2200 Aussteller aus 66 Ländern Neuheiten von alternativen Antriebstechnologien bis hin zum selbstfahrenden Schiff ohne Kapitän. Das Reservoir an Innovationen ist offenbar prall gefüllt. Doch wer soll diese von den Schiffbauern kaufen?

Den Reedern fehlt jedenfalls das Geld. Ihrer Branche geht es weltweit nach sieben Jahren Krise schlecht. „Die Pleite von Hanjin zeigt, was los ist. Zwei Drittel der Schifffahrt befinden sich in einer wirtschaftlich schwierigen Situation“, sagt Thomas Rehder, Inhaber der Hamburger Reederei Carsten Rehder. Und der Präsident des Verbandes Deutscher Reeder (VDR), Alfred Hartmann, sagt: „Für viele deutsche Banken kommt ein Engagement in der Schifffahrt nicht mehr infrage. Traditionelle Finanzierungskonzepte können daher oft nicht mehr umgesetzt werden.“ Maßnahmen zum Klimaschutz und digitale Innovationen gebe es aber leider nicht zum Nulltarif, stellt Hartmann klar.

Schiffbau, Marine, Meerestechnik – die Messe im Video

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Maritime Messe SMM öffnet die Türen

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    In der Konsequenz wird damit deutlich: Nicht alles, was die Schiffbauer derzeit anbieten, wird von deren Kunden auch goutiert. Der Einsatz von Motoren zur Verbrennung von Flüssigerdgas (LNG) wird beispielsweise seit Jahren propagiert, findet in der Schifffahrt aber kaum Widerhall: „Wir haben uns vor zwei, drei Jahren intensiv mit Flüssigerdgas LNG für unsere Schiffe beschäftigt“, sagt Reederei-Chef Thomas Rehder. „Doch dann rauschten die Ölpreise in den Keller und das Thema war durch.“ Zudem würden Charterreedereien immer auch an den Weiterverkauf ihrer Schiffe denken. Da könnten hohe Anschaffungskosten wegen des alternativen Antriebs negativ zu Buche schlagen. Zumal LNG-Schiffe derzeit nur in Europa eingesetzt werden können.

    Die deutschen Schiffbauer wünschen sich mehr Investitionsfreude der Reeder: „Die Chancen werden noch unterschätzt. Eigentlich brauchen wir für die Branche eine Innovationsoffensive. Wir müssen die Krise nutzen, um die Technologiedichte in der Schifffahrt zu erhöhen“, sagte Reinhard Lüken, Geschäftsführer des Verbandes Schiffbau und Meerestechnik (VSM).

    Der Maritime Koordinator der Bundesregierung, SPD-Staatssekretär Uwe Beckmeyer, der die Messe heute eröffnen wird, verweist auf das Vorbild des deutschen Schiffbaus selbst. Die Zahl der Werften ist in der Vergangenheit erheblich geschrumpft. „Sie haben aber durch die Verlagerung auf den Spezialschiffbau und Innovationen aus der Strukturschwäche eine Strukturstärke gemacht. Das könnte ein Beispiel für andere sein“, so Beckmeyer.

    Laut Alexander Nürnberg, Chef des Uetersener Schiffbauzulieferers MacGregor Hatlapa, haben zwei Vorteile den Schiffbau wieder stark gemacht: Zum einen die Übernahme von technologischen Innovationen aus anderen Branchen, zum anderen die große Nähe der Firmen zu Universitäten und Forschungseinrichtungen. Das käme der Schifffahrt jetzt zugute.

    Die Branche steht aber finanziell mit dem Rücken an der Wand. Die Zahl der Neubauaufträge im ersten Halbjahr 2016 gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres ist um 65 Prozent eingebrochen: „Das Auftragsvolumen ist von 85 auf 29 Milliarden US-Dollar gesunken“, sagt VSM-Geschäftsführer Lüken.

    Angesichts der Lage müsste die Schiffbaumesse halb leer sein. Dass sie dennoch Rekordanmeldungen feiern kann, liegt an ihrem anderen Schwerpunkt, den die Messeveranstalter mit Bedacht gesetzt haben – und der den finanziell klammen Reedern hilft: die Automatisierung. „Zu Zeiten, in denen es schlecht läuft, sucht die Branche besonders nach Möglichkeiten, Kosten zu optimieren und die Effizienz ihrer Schiffe zu erhöhen“, sagt Reeder Rehder. „Wer mit seiner Flotte wettbewerbsfähig bleiben will, muss an allen Effizienzschrauben drehen“, so der Schifffahrts-Unternehmer.

    Reedereien rüsten Flotte mit Internetzugängen aus

    Eine stärkere Nutzung und Vernetzung von Daten zähle ebenso dazu wie alle Maßnahmen, die den Treibstoffverbrauch von Schiffen senken. Dem VDR zufolge setzen immer mehr Reedereien auf den permanenten Datenaustausch zwischen ihren Schiffen und dem Festland. Nach einer VDR-Umfrage unter den Mitgliedsunternehmen haben 45 Prozent der Reedereien sämtliche Schiffe und 21 Prozent einen Teil ihrer Flotte mit einem Internetzugang ausgerüstet. Die landseitigen Mitarbeiter können so die Schiffsbesatzungen in kritischen Situationen unterstützen und bei der Wartung assistieren. „Dies birgt sehr viele Chancen, ein Schiff noch sparsamer und sicherer zu betreiben“, so VDR-Präsident Hartmann.

    Trotz Krise ist die Schiffbau-Ausstellung für den Hamburger Messe-Chef Bernd Aufderheide schon vor ihrem Start ein voller Erfolg: Nicht nur wegen der Rekordbeteiligung, sondern auch weil einige Staaten mit eigenen Messeständen zurückgekehrt sind, die dem Fachtreffen in den vergangenen Jahren fernblieben: Iran und Malaysia sind wieder mit dabei.