Weggefährten erinnern im Abendblatt an den verstorbenen Altbürgermeister Henning Voscherau. Heute: Gerhard Schröder.
Mit Henning Voscherau verlieren wir einen großen Politiker, der Hamburg in den Jahrzehnten seines politischen Engagements stark geprägt hat, der aber durchaus auch bundespolitisch seine Spuren hinterlassen hat. Meine ersten Begegnungen mit ihm reichen in meine Amtszeit als Ministerpräsident von Niedersachsen zurück. Als ich 1990 dieses Amt antrat, da war Henning Voscherau bereits seit zwei Jahren ein erfolgreicher Bürgermeister, einer, der mit Klarheit und Weitsicht politische Entscheidungen vorantrieb. Mit ihm war gut zusammenzuarbeiten. Insbesondere für die Sicherung von Arbeitsplätzen und für wirtschaftliches Wachstum war sein Blick geschärft. Er sah dabei nicht nur auf Hamburg, sondern auf die ganze norddeutsche Region.
So erinnere ich mich, dass er als Bürgermeister bereits 1991 den Verkauf des Hamburg gehörenden „Amerikahafens“ in Cuxhaven ermöglichte, um dort Entwicklungsperspektiven zu schaffen. Unter den Ministerpräsidenten war Henning Voscherau nicht nur einer, der kompetent und sehr sachkundig war. Er war auch jemand, der es verstand, die unterschiedlichen Positionen sowohl innerhalb der Sozialdemokraten als auch zwischen SPD und der damaligen Bundesregierung von Helmut Kohl zusammenzubringen. Das stellte er vor allem als Vorsitzender des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat und als SPD-Koordinator für steuer- und finanzpolitische Fragen unter Beweis.
Als Voscherau 1997 nach einem enttäuschenden Ergebnis bei der Bürgerschaftswahl zurücktrat, war ich bestürzt. Zugleich hatte ich großen Respekt vor seiner Konsequenz, denn dies hatte er bereits vor der Wahl für diesen Fall angekündigt. Auch da war er von bestechender Klarheit. Während meiner Kanzlerzeit war mir sein Rat in mancher ökonomischen Frage wichtig, weil er ein Sozialdemokrat war, der wirtschaftliche Kompetenz und den Blick für sozialen Ausgleich hatte.
Durchaus hätte ich ihn mir als Minister in meinem Kabinett vorstellen können, aber dazu bot sich politisch keine Gelegenheit. Im Jahr 2004, als der Widerstand gegen die Agenda 2010 sehr groß war, schrieb mir Voscherau: „Ziehe nicht den Kopf ein, weiche nicht zurück. Und dann stehe oder falle!“ Er war ein Mann mit Grundsätzen, mit Haltung und mit Ausstrahlung. Dafür hat er zu Recht weit über die Grenzen Hamburgs hinaus Anerkennung erfahren.
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