Acht von zehn Schiffen verfügen über keine oder minimale Abgasreinigung. Umweltschützer: Grund ist Profitsucht.

Mehr als 1,8 Millionen Deutsche werden in diesem Jahr auf einem Kreuzfahrtschiff in See stechen. Doch jetzt warnen Umweltschützer: „ Auf keinem der europäischen Kreuzfahrtschiffe ist eine Reise aus Umwelt- und Gesundheitssicht derzeit uneingeschränkt empfehlenswert." Dies ist das Ergebnis des NABU-Kreuzfahrt-Rankings 2016, das am Montag in Hamburg vorgestellt wurde.

Sämtliche Schiffe nutzen weiterhin Schweröl, heißt es. 80 Prozent der Flotte der in Europa fahrenden Schiffe verfügt über gar keine Abgasreinigung oder kommt allenfalls dem gesetzlichen Mindeststandard nach, der zumindest für Nordeuropa einen Abgaswäscher zur Reduktion der Schwefelemissionen vorschreibt. Zur Minderung stark gesundheitsgefährdender Luftschadstoffe wie Ruß, ultrafeinen Partikeln oder Stickoxiden werden an Bord dieser Schiffe hingegen nach wie vor keine effektiven Maßnahmen ergriffen. Ein großes Kreuzfahrtschiff verursacht so viel Schadstoffausstoß wie fünf Millionen Autos auf gleicher Strecke, so der NABU.

Doch die Umweltschützer geben auch gute Noten: Am besten schneidet - wenn auch mit deutlichen Abstrichen - die "Aidaprima" ab, gefolgt von Hapag-Lloyds "Europa 2" und den neuesten Schiffen von Tui Cruises, "Mein Schiff 3", 4 und 5, die im finnischen Turku gebaut wurden.

"Greenwashing in Reinform"

"Seit Jahren verkünden die Reeder vollmundig, umweltfreundlicher werden zu wollen. Doch außer polierten PR-Texten kommt bisher kaum etwas Substanzielles in der Praxis an. Das ist Greenwashing in Reinform und angesichts der verursachten Schäden nicht hinnehmbar", kritisierte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Einzig aus Profitgründen verzichte ein Großteil der Branche bislang darauf, auf höherwertige Kraftstoffe umzusteigen und ihre Schiffe mit Abgastechnik auszurüsten.

Die Reedereien weisen darauf hin, dass der Einsatz von sauberem Marine Diesel auch die Preise für die Passagiere in die Höhe treiben würden. Marine Diesel verteuert die Fahrt pro Tag und Schiff um gut 60.000 Dollar.

In einer ersten Reaktion auf das neue NABU-Kreuzfahrtranking heißt es bei Tui Cruises mit Sitz in Hamburg: „Unsere Neubauten 'Mein Schiff 3' bis 'Mein Schiff 5' belegen den dritten Platz. Damit sind wir zufrieden, zumal wir gleich mit drei Schiffen unserer Flotte hier platziert sind.“ Schade sei allerdings, dass in dem Ranking die Bewertung der Bereiche Energieeffizienz und die damit verbundenen Treibstoffeinsparungen sowie der Ressourcenschutz (Abfall- und Abwassermanagement) weiterhin „gänzlich außen vor bleibt“. Bei den drei Neubauten "Mein Schiff 3" bis "Mein Schiff 5" wurde erstmals ein Abgasnachbehandlungssystem einbaut. Es senkt Schwefelemissionen um rund 99 Prozent, Stickoxid-Emissionen um rund 75 Prozent sowie den Partikelausstoß um bis zu 60 Prozent.

AIDA weist Vorwürfe zurück

Auf Abendblatt-Anfrage erklärte ein Sprecher der Rostocker Reederei AIDA Cruises: „Die Kritik des NABU am Umweltengagement von AIDA Cruises sowie die Vorwürfe des Greenwashings und des Schwindels weist AIDA Cruises zurück. Wir informieren die Öffentlichkeit transparent zum aktuellen Status unserer Umweltschutzmaßnahmen. Mit dem NABU sind wir in regelmäßigem Kontakt. An Bord von AIDAprima haben sich Vertreter des NABU persönlich über den Stand der Umsetzung der Umweltinitiativen informiert.“ Aida sei der falsche Adressat für die Vorwürfe.

Auf dem deutschen Kreuzfahrtmarkt wurden Ende 2015 insgesamt 296 Schiffe mit 456.185 Betten angeboten.