Das Theater hat derzeit keine eigene Spielstätte. Am heutigen Donnerstag ist Premiere von Verdis „Ein Maskenball“.

Aufgekratzte Stimmung im Foyer des Ernst Deutsch Theaters. Regisseurin Inken Rahardt und Dramaturgin Susann Oberacker kommen von der Probe. Giuseppe Verdis „Ein Maskenball“ steht auf dem Plan. Die erste Neuproduktion des Opernlofts seit mehr als einem Jahr ist zugleich eine Koproduktion zur Saisoneröffnung des Ernst Deutsch Theaters am 25. August. Ein munteres Stück über Verkleidung und Lebenslust. Dabei ist den Macherinnen im Grunde wenig nach Lachen zumute.

Abfindung reicht für zwei Jahre

Wenn ein Theater sein Haus verliert und zu lange keine neue Heimat findet, fällt es irgendwann aus dem Gedächtnis seines Publikums. Vor diesem Dilemma stehen die drei Macherinnen des Hamburger Opernlofts. Yvonne Bernbom, Inken Rahardt und Susann Oberacker mussten im Sommer 2015 ihre Räume im Zuge des Umbaus des Axel-Springer-Hauses an der Caffamacherreihe räumen. Im Rücken eine Abfindung, um zwei Jahre zu überleben, ein von zwei standhaften Mitarbeitern getragenes Büro und ein Lager für Kulissen und Kostüme bei der Verlagsdruckerei in Ahrensburg.

Damals gingen sie davon aus, schnell etwas Neues zu finden. Eine seit Längerem diskutierte Option, in umgebaute Fabrikhallen am Wiesendamm unter anderem mit der Theaterakademie, dem Jungen Schauspielhaus und dem Lichthof-Theater einzuziehen, ist bis heute nicht spruchreif. Seither schauen sich die Opernloft-Macherinnen nach Alternativen um, stoßen dabei jedoch vor allem finanziell an Grenzen. Schließlich benötigt die kleine Opernbühne für ihren Spielbetrieb 1500 Qua­dratmeter und eine Deckenhöhe von an die sieben Meter. Die Förderung seitens der Kulturbehörde in Höhe von 138.000 Euro liegt derzeit auf Eis.

Der Frust ist groß. „Die Kommunikation ist schwierig, weil vieles nicht klar gesagt wird. Wir haben das Pro­blem, uns vielleicht ein Interimstheater suchen zu müssen, da wir nicht zwei bis drei Jahre warten können, bis die Wiesendamm-Lösung vielleicht doch noch kommt“, so Susann Oberacker. „Wir sind ja die Einzigen, die alles eingelagert haben, und müssen in der nächsten Spielzeit zumindest übergangsweise ein Haus haben“, fügt Inken Rahardt hinzu.

Opern für jedermann

Nun setzen die Betreiberinnen erst einmal alles in die neue Produktion, „Ein Maskenball“. Sie bleiben ihrem Konzept treu. Oper herunterzubrechen für Zuschauer, die sich vielleicht nicht durch einen Drei- bis Vierstundenabend hören wollen und befürchten, für ein Verständnis des Gesehenen mindestens drei Semester Musikwissenschaftsstudium vorweisen zu müssen. „Wir wollen für die Besucher mit der Oper einen schönen Abend gestalten und sie für heute verständlich und erfahrbar machen“, sagt Rahardt. Dafür legen die Macherinnen schwer Hand an den Stoff.

Da wird gekürzt und die Musik, dargeboten von fünf Opernsängerinnen und -sängern und drei Musikern, sehr frei neu sortiert. „,Der Maskenball‘ hat die Musikqualität von ‚La Traviata‘, aber das Stück wurde ja zensiert, verboten, umgeschrieben und endete als dramaturgischer Murks“, so Rahardt. „Wir nehmen die guten musikalischen Teile, bauen sie anders zusammen und erzählen eine Geschichte von heute dazu.“ Das ist ungewöhnlich für das Stammpublikum des Ernst Deutsch Theaters, das Werktreue gewohnt ist. Gleichzeitig sind freie Regiezugriffe im Theater als Kunstform viel üblicher als in der Oper.

Macherinnen nehmen dem Stoff die Schwere

Die Dreiecksgeschichte um Riccardo, der Amelia, die Frau von Renato begehrt, ist aus dem Kontext des schwedischen Hofes herausgelöst. „Wir erzählen die Oper nicht von vorne bis hinten, wie sie im Libretto steht“, sagt Oberacker. „Wir greifen die Idee des Maskenballs auf. Man geht dahin, trägt eine Maske, befreit sich von seinem Ego und kann mehr Spaß haben als ohne.“

Beim Nachdenken über dieses Prinzip stießen die beiden auf Auswüchse des Privatfernsehens. „Da treten normale Menschen auf und nehmen an Formaten teil, für die man eigentlich nichts können muss, werden berühmt und gehen dann wieder zurück in ihre normale Existenz. Genauso ergeht es unseren Figuren. Sie geraten in eine Fernsehshow und werden von Oscar und Ulrica manipuliert.“ Oscar ist ein Page, Ulrica taucht im Originallibretto als Wahrsagerin auf, die Riccardo die Liebe seines Lebens verspricht – Renatos Frau Amelia – und Renato einen Mord aus Eifersucht an Riccardo prophezeit.

Es entwickelt sich eine Dreiecksgeschichte, geschürt vom Privat-TV. Das geht nicht gut aus, aber die Macherinnen wollen dem Stoff seine Schwere zu einem guten Teil austreiben.

„Wir wollen unterhalten. Verdi ist für mich ein Opernschlager“, sagt Inken Rahardt. Entsprechend dürfen sich die Zuschauer auch im Foyer auf Karnevalsstimmung gefasst machen. Und es scheint, als begegnen auch die Opernloft-Macherinnen ihrer offenen Zukunft mit einem klaren Statement: Die Show muss weitergehen. Und das, obwohl die künftige Heimat noch im Dunkeln liegt.

„Ein Maskenball“ 25.8. bis 24.9., Ernst Deutsch Theater, Friedrich-Schütter-Platz 1, Karten zu 22,- bis 42,- unter T. 22 70 14 20