Hamburg. Als die Nachricht vom Tod Henning Voscheraus kommt, übernimmt im Hamburger Rathaus sofort das Protokoll die Regie.
Am Ende, egal wie krank ein Mensch gewesen ist, kommt der Tod doch immer überraschend. Weil ein Lebender sich nicht wirklich vorstellen kann, wie plötzlich jegliche Energie aus einem von uns verschwindet – aus einem sogar, der doch noch vor Kurzem plattdeutsche Lieder geschmettert und herzlich gespottet hat. Dann aber passiert es doch: Am vergangenen Mittwoch kommt plötzlich die Nachricht, dass Altbürgermeister Henning Voscherau tot ist, und an diesem ersten echten Sommertag seit Wochen übernimmt im Hamburger Rathaus sofort das Protokoll die Regie. Von da an herrscht zumindest wieder Ordnung: die Ordnung der hanseatischen Trauer. Das immerhin ist ein sicherer Halt, vermutlich schon immer gewesen: das klare Ritual des Abschiednehmens.
Die Regeln des Protokolls sind eindeutig. Stirbt eine Hamburger Persönlichkeit, so wird im Rathaus zunächst geklärt, wer für die Information der Öffentlichkeit und die Planung der Trauerfeier zuständig ist. Als Helmut Schmidt im vergangenen Jahr verstarb, war sofort klar, dass der Altkanzler mit einem Staatsakt verabschiedet werden würde. Zuständig ist in solchen Fällen das Bundesinnenministerium. Wird um einen Ehrenbürger getrauert, wie kürzlich um den Mäzen Helmut Greve, so sind Senat und Bürgerschaft gemeinsam zuständig. Im Fall eines früheren Bürgermeisters übernimmt der Senat allein – genauer: das Protokoll und dessen resolute Chefin Juliane Scholz-Foth.
Am Mittwochmittag ließ die frühere Diplomatin die Presseerklärung mit dem persönlichen Nachruf von Bürgermeister Olaf Scholz aufsetzen – und zugleich mit deren Veröffentlichung die Trauerflore an der Europaflagge und der Staatsflagge über dem Eingang des Rathauses anbringen. Diese wehen dort für exakt sieben Tage. Halbmastbeflaggung vor städtischen Einrichtungen gibt es dagegen erst am Tag der Trauerfeier.
Von seinem Ölgemälde wollte Voscherau nichts mehr wissen
Unter Scholz-Foths Regie wurde auch das Kondolenzbuch in der Rathausdiele ausgelegt, in das sich der Bürgermeister um 16 Uhr als Erster eintrug, um kurz darauf auf dem sogenannten „Spiegel“, der Fläche oberhalb der Senatstreppe, einige würdevolle Abschiedssätze zum Tode seines Parteifreundes zu sagen.
Zwar hatte auch Olaf Scholz bisweilen unter dem charmanten Eigensinn seines Parteifreundes zu leiden gehabt – zuletzt, als ausgerechnet der als konservativer Sozialdemokrat geltende Voscherau, der früher jede Zusammenarbeit mit den Grünen abgelehnt hatte, sich der Kampagne von Linken, Grünen und Umweltschützern zum Rückkauf der Energienetze angeschlossen und sich damit klar gegen Scholz und die SPD gestellt hatte. Der Bürgermeister betonte gleichwohl, dass sein Vorgänger (wenn vielleicht auch nicht in diesem Fall) stets „ein guter Ratgeber gewesen“ sei. So etwas sage Scholz, der am Tag vor Voscheraus Tod aus dem Urlaub zurückgekehrt war, niemals einfach so dahin, hieß es.
Voscheraus Leben in Bildern:
Henning Voscherau – ein großer Hamburger
Protokollchefin Scholz-Foth begann unterdessen bereits mit der Planung der Trauerfeier, die eng mit der Familie des Verstorbenen abgestimmt wird. Wer zu der inzwischen für den 9. September angesetzten Trauerfeier kommen darf, entscheidet das „Einladewesen“ des Senatsprotokolls – ebenfalls in enger Absprache mit der Familie.
Noch unklar ist, wann und wo im Rathaus das Ölgemälde aufgehängt wird, das der Maler Johannes Duwe Ende 2011 von Voscherau erstellte – so wie es bei allen früheren Bürgermeistern gute Sitte ist. Man werde einen schönen würdevollen Platz im Rathaus suchen und das Gemälde gegen Jahresende aufhängen, sagte der stellvertretenden Senatssprecher Sebastian Schaffer.
Voscherau selbst hatte nach der Übergabe des Bildes, das ihn leicht verschmitzt mit verschränkten Armen auf einem Schreibtischstuhl zeigt, nichts mehr von dem Gemälde wissen wollen. Sein Interesse daran sei gering, hatte er Anfang 2012 mit dem ihm stets eigenen Spott gesagt. „Denn es wird ja erst dann öffentlich zu sehen sein, wenn ich die Radieschen in Ohlsdorf von unten zähle.“
Die Trauer um Henning Voscherau ließ eine kleine, womöglich aber nicht gänzlich unwichtige Meldung am Mittwoch in den Hintergrund treten: Die Bundesbürger haben laut einer Forsa-Umfrage für den „Stern“ mehr Vertrauen in Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz als in SPD-Bundeschef Sigmar Gabriel. Das sei völlig bedeutungslos, beeilten sich am Freitag die Auguren in der Hamburger Parteispitze zu betonen. Aus Hamburg werde sich niemand an der Demontage Gabriels beteiligen. Dabei hatte Scholz kürzlich in einem Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ behauptet, die unter Gabriel seit Jahren am Rande der Bedeutungslosigkeit dümpelnde SPD könne bei der Bundestagswahl stärkste Partei werden – wenn die Bürger „sich einen Sozialdemokraten als Kanzler vorstellen können“. Dass dieser Sozialdemokrat nicht Gabriel heißt, ist nun wieder einmal klar geworden. Das weiß auch der Bürgermeister. Auf die Frage, wie konkurrierende Spitzenpolitiker am liebsten miteinander kommunizierten, hat Scholz, der seit Monaten als möglicher Nachfolger Gabriels gehandelt wird, übrigens einmal augenzwinkernd geantwortet: über Interviews.
Gerade erst hat die CDU die 50.000 Euro teure Reise von SPD-Innensenator Andy Grote zu Olympia nach Rio kritisiert. Nun hat sich die Elite der hanseatischen Christdemokratie selbst auf Reisen begeben. Parteichef Roland Heintze, Fraktionschef André Trepoll, der Bundestagsabgeordnete Rüdiger Kruse und Mittelstandspolitiker Hjalmar Stemmann verbrachten fünf Tage in Taiwan. Die Reise sei Teil der „Wirtschaftsinitiative“ der CDU, sagte Parteichef Heintze dem Abendblatt. Wichtige Themen der Gespräche mit Vertretern aus Wirtschaft und Politik seien Energie, eMobilität, Einwanderung und Hafenpolitik gewesen. Zudem gehe es der CDU darum, der taiwanischen Demokratie gegenüber China den Rücken zu stärken. Weder dem Steuerzahler noch den Parteimitgliedern seien durch die Reise Ausgaben entstanden, betonte Heintze. Die Kosten habe das taiwanesische Außenministerium übernommen.