Hamburg. Richter müssen über Verfassungsmäßigkeit von “Rettet den Volksentscheid“ urteilen. Mitbegründer Brandt gibt sich zuversichtlich.

Betrachtet man es vom Endergebnis her, dann hat Manfred Brandt – und mit ihm die Initiative „Rettet den Volksentscheid“ – womöglich auch unabhängig von der Entscheidung des Hamburgischen Verfassungsgerichts schon verloren. Selbst wenn er das Verfahren gewinnt, dann hat die Initiative lediglich vom 14. Dezember bis zum 3. Januar Zeit, die nötigen Stimmen für das Volksbegehren zu sammeln. Dann sind Weihnachten und Silvester – eine schlechte Zeit, um das Volk zu mobilisieren. „Das wird nicht einfach“, sagte Brandt nach der Anhörung vor dem Verfassungsgericht am Mittwoch.

Senat hat Verfassungsgericht angerufen

Die neun Richter unter Vorsitz des Präsidenten Friedrich-Joachim Mehmel haben zu entscheiden, ob das Verfahren zum Volksbegehren „Rettet den Volksentscheid“ rechtmäßig ist oder nicht. Der Hamburger Senat hatte das Verfassungsgericht angerufen, weil er genau das bezweifelt.

Brandt und seine Mitstreiter fordern unter anderem, dass Verfassungsänderungen durch ein Referendum, also eine Volksabstimmung, bestätigt werden müssen. Außerdem sollen die notwendigen Mindestanforderungen an die Beteiligung („Quoren“) gesenkt werden. Nach dem Vorschlag des Vereins Mehr Demokratie, der die Initiative gestartet hat, müssten künftig nur noch 13 Prozent der Wahlberechtigten zustimmen, damit ein Volksentscheid Erfolg hat. Derzeit sieht die Verfassung noch eine Beteiligung von mindestens 20 Prozent der Wahlberechtigten vor.

Die Initiative ist eine Reaktion auf die Einführung von Bürgerschaftsreferenden im Mai 2015 im Zuge der Hamburger Olympiabewerbung. Die Initiative sieht darin die Gefahr, dass mit dem neu eingeführten Referendum Volksabstimmungen durch die Regierenden abgewürgt werden könnten.

Initiative hat nachgebessert

Beraten wurde zunächst über den Einwand des Senats, dass die ursprüngliche Vorlage in unzulässigem Maße überarbeitet worden sei. Ursprünglich wollte der Verein durchsetzen, dass das Volk auch über Haushaltspläne der Stadt abstimmen kann. Nun soll dieser „Haushaltsvorbehalt“ erhalten bleiben.

Auch die Drei-Prozent-Sperrklausel bei den Wahlen zu den Bezirksversammlungen soll nun nicht angetastet werden. Schließlich: Nach dem Willen von Mehr Demokratie soll das Volk nicht mehr zwingend per Volksentscheid befragt werden, wenn die Bürgerschaft ein vom Volk beschlossenes Gesetz ändert. In allen diesen Punkten hat die Volksinitiative den Bedenken von Senatsjuristen bereits Rechnung getragen. Dass die Initiative nachgebessert hat, ist aus Sicht des Verfassungsgerichts kein Problem. „Hier hat das Gericht bereits eine gewisse Tendenz, dass wir von einer zulässigen Überarbeitung ausgehen. Jedenfalls in der Gesamtschau“, sagte Mehmel.

Leitartikel: Irrweg Volksentscheid

Als zweiter Kritikpunkt wurde ein möglicher Verstoß gegen das Kopplungsverbot diskutiert. So moniert der Senat, dass eine große Zahl von Gegenständen im Volksentscheid zur Abstimmung stehen. Justizstaatsrätin Katja Günther (Grüne) als Senatsvertreterin bemängelte, dass so ein „komplexes Paket“ mit mehreren Fragen nicht einfach nur mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden könne.

In letzter Konsequenz müssten dann mehrere Volksentscheide zu den unterschiedlichen Gegenständen initiiert werden. Brandt zeigte sich im Anschluss überrascht, dass der Senat diesen Punkt vorbrachte. Aus seiner Sicht müsse es möglich sein, in einem Verfahren auch einen komplexeren Vorschlag machen zu können.

Antje Wittmann, Anwältin der Initiative, erwiderte, dass Parlamentarier schließlich auch über komplexe Gesetzespakete abstimmen würden. Darauf erwiderte Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD), dass es im parlamentarischen Verfahren aber die Möglichkeit gebe, unterschiedliches Abstimmungsverhalten zuzulassen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, wie die Richter über den dritten Antrag urteilen. „Im Kern geht es um das Verhältnis zwischen direkter und repräsentativer Demokratie“, sagte Mehmel. Der Senat kritisiert, dass die Handlungsfähigkeit der Parlamentarier in Gefahr sei. „Die Handlungsfähigkeit des Landes Hamburg wäre infrage gestellt, wenn jede Verfassungsänderung einen Volksentscheid nach sich ziehen würde“, sagte Staatsrätin Günther. Sie kritisierte, dass die geforderten Quoren zu niedrig seien. Eine nicht legitime Minderheit könne wichtige Fragen entscheiden. Bürger müssten sich auf Entscheidungen der repräsentativen Demokratie verlassen können.

Anwältin Wittmann, argumentierte, die Verfassung sehe nebeneinander zwei gleichwertige Gesetzgebungsverfahren vor – das eine sei der Volksentscheid. „Und etwa in Bayern gibt es eine starke Tradition der direkten Demokratie, und ich sehe nicht, dass das Parlament dort geschwächt ist.“

Manfred Brandt zumindest zeigte sich anschließend ein wenig zuversichtlich. „Es scheint klar, dass unsere Initiative nicht völlig unzulässig ist.“ Im Erfolgsfall will er den Volksentscheid parallel zur Bundestagswahl im September 2017 stattfinden lassen. Am 13. Oktober gibt das Verfassungsgericht seine Entscheidung bekannt.