Hamburg. Ob Mode, Schmuck, Möbel oder eine ganze Bar – Verkäufe werden zunehmend in wechselnden Locations organisiert.
Es war der Coup des Sommers: Secondella goes Sylt! Für zwei Wochen im August, mitten zur Polosaison, präsentierte sich der Hamburger Edel-Secondhandladen in einem Kapitänshäuschen in Kampen, bot exklusive Einzelstücke von Dior, Chanel und Yves Saint Laurent an. Nicht nur Hamburger Sylt-Urlauber kamen und kauften. „Wir hatten einige Kunden aus Süddeutschland und konnten auch neue private Lieferanten dazugewinnen“, sagt Silke Griebel, eine der drei Geschäftsführerinnen von Secondella.
Der Pop-up-Store in der Alten Dorfstraße in Kampen machte neugierig, weckte Begehrlichkeiten. Allein dadurch, dass die Vintage-Mode für eine begrenzte Zeit in einer anderen Umgebung inszeniert wurde. Laut Wörterbuch wird der englische Begriff „pop up“ mit „aufkreuzen, (plötzlich) auftauchen oder aus dem Boden schießen“ übersetzt. Mal wird in einem leer stehenden Laden gesundes Fast Food angeboten (wie zuletzt bei Fetch am Valentinskamp). Mal zeigt eine Designerin ihre Ledertaschen in einer Privatwohnung (Shine in Ottensen). Was für den Konsumenten so plötzlich und überraschend daherkommt, ist meist von langer Hand geplant und durchdacht.
Früher hießen Pop-up-Stores Lagerverkäufe
Dass die labelverliebten Nordsee-Urlauber über den Secondella-Pop-up-Store entzückt sein würden, hatte Birgit von Tyszkiewicz schon vorausgeahnt. „Es gibt auf Sylt nur noch wenige Flagship-Stores namhafter Marken“, sagt sie. Die Hamburgerin verkauft im Kampener Kapitänshäuschen ihre Mode unter dem Namen Roma e Toska. Für befreundete Designer räumt sie gern mal einen Raum frei. Vor Secondella war schon die Hamburger Taschendesignerin Friederike Quast bei ihr „zu Gast“. Das bringe frischen Wind auch für ihre Mode.
Da Birgit von Tyszkiewicz lange Zeit keinen festen Laden mit ihrem Label hatte, musste sie selbst häufig auf leere Flächen ausweichen und kennt die Schwierigkeiten. „Die Wände sind kahl, es ist keine Einrichtung vorhanden. Um einen eleganten Rahmen für die Mode zu kreieren, muss man sehr viel mitbringen.“ Um es jungen Designern leichter zu machen, präsentiert sie in ihrem kürzlich eröffneten Laden „Curated by Roma e Toska“ an der Milchstraße nicht nur eine dauerhafte Auswahl an Kunst, Einrichtungsgegenständen und Accessoires, sondern auch eine Pop-up-Ausstellungsfläche, die für Tage oder Monate gemietet werden kann. „Auf diese Weise können sich Labels, die keinen eigenen Showroom haben, bekannt machen und ihre Ware in einem eleganten Rahmen verkaufen.“
Das Phänomen der Pop-up-Stores ist nicht neu. So hat die Hamburger Designerin Bettina Schoenbach schon viele Jahre Erfahrung damit, in wechselnden Locations für einen gewissen Zeitraum Verkäufe zu organisieren. Nur, dass die früher schlichtweg Lagerverkäufe hießen und dafür nicht so viel Aufwand betrieben wurde. Der erste „Schoenbach Pop-up-Store“ eröffnete nun direkt neben dem Geschäft an der ABC-Straße 1 und bot Sommermode zu ermäßigten Preisen an. Die Wände wurden knallblau gestrichen. Die Räumlichkeiten werden gerade renoviert und wirken dadurch unvollkommen – ein spannender Kontrast zu der hochwertigen Kleidung.
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„Schoenbach konnte sich über viele neue Kunden freuen“, so die Designerin. „Die poppige Inszenierung und das attraktive Preisniveau haben unterschiedlichste Käuferinnen angesprochen.“ Der nächste Pop-up-Store ist für den Herbst geplant.
Auch in der Gastronomie wird mittlerweile auf kurzzeitige Inszenierung gesetzt. An einem normalen Wochentag im Juli knallten um zwölf Uhr mittags am Lehmweg die Korken. Krug Champagner hatte einen gleichnamigen Kiosk in einer Galerie eröffnet. Für 25 Euro gab es zum Gläschen Schampus Streetfood von Sterneköchen. Aber nur für vier Tage – dann war der luxuriöse Spaß vorbei, die Pop-up-Bar wurde wieder eingepackt und nach München tranportiert, dem Sitz der Marke. Die Aktion sei nicht nur „kommerziell sehr erfolgreich“ gewesen, so Sprecherin Alexa Agnelli: „Hoheluft war genau das richtige Umfeld für Krug: lebendig und niveauvoll. Wir konnten die Hamburger auf diese Weise an den bislang nicht so nachgefragten Champagner heranführen.“
Angesagte Bar statt Leerstand
Für die richtige Location hatte eine Eventagentur recherchiert, wo sich „genussorientierte Städter“ am liebsten tummeln. Um möglichst viele von ihnen zu erreichen, wurden die Medien informiert, Blogger angeschrieben und 1200 Haushalte mit Postwurfsendungen versorgt. Insgesamt war das Marken- und PR-Team von Krug Champagner einige Monate mit der Organisation des Events beschäftigt.
Manchmal werden Pop-up-Ideen aber auch aus der Not geboren, so im Fall von The Boilerman Bar. Nach dem Brand im 25hours Hotel im Alten Hafenamt musste die Bar nach gerade mal einem halben Jahr Betrieb schließen. Das Team war von einem auf den anderen Tag arbeitslos. Da kam Inhaber Jörg Meyer, der eine weitere The Boilerman Bar in Eppendorf und die Bar Le Lion neben dem Rathaus betreibt, das Angebot eines Insolvenzverwalters wie gerufen. Er könne den Mietvertrag für die leer stehende Savvy Bar an der Kaiser-Wilhelm-Straße 71, der noch bis zum 30. September läuft, übernehmen.
„Eigentlich mag ich so kurzfristige Projekte nicht, weil der Stress und die Kosten dafür meist zu hoch sind“, sagt Meyer. „Aber ich wollte mein Bar-Team nicht verlieren und habe die Chance ergriffen.“ Heute ist er froh darüber. Die Day Drinking Bar, die ihre Tür von 15 Uhr an öffnet, ist gut besucht. Das Team um Barchef Jan-Phillip Fricke kann wieder kreative Wochen-Specials entwickeln. Und statt einer leer stehenden Fläche wird die Neustadt mit einer angesagten Bar bereichert – für alle Seiten ein Gewinn, zumindest für neun Wochen. Danach wird The Boilerman Bar höchstwahrscheinlich wieder abtauchen.