Trend: Factory-Outlet-Stores bieten Rabatte bis zu 70 Prozent. Für den Einzelhandel ein großes Problem

Das Licht ist grell und nicht gerade schmeichelnd. Hosen und Röcke liegen ungeordnet in den Regalen. Die Umkleidekabinen sind überfüllt, die Kunden ziehen sich ohne Hemmungen zwischen den Regalen an und aus. Schlussverkaufsstimmung in Billbrook. Die Bekleidungsfirma Closed hat wieder einmal für zwei Wochen ihre Lager geöffnet und verkauft Mode aus der vergangenen Saison. "Unser Lagerverkauf ist der Renner. Da geht alles weg", sagt Hans Redlefsen (34) von Closed. "Wenn wir die Kundenzahl nicht begrenzen würden, kämen 30 000 Menschen." Von Markenkleidung über Tchibo-Produkte bis hin zu Wurstwaren - Verkäufe ab Lager oder Fabrik sind in Hamburg so beliebt wie nie zuvor. Der Hauptgrund: Die Waren werden bei den so genannten Factory-Outlet-Stores mit Rabatten zwischen 30 und 70 Prozent angeboten. "Das kommt bei den Kunden natürlich sehr gut an", sagt Ulf Kalkmann (54), Vorsitzender des Hamburger Einzelhandelsverbandes. Der sieht die Entwicklung aber auch sehr kritisch: "Für den Einzelhandel sind Lagerverkäufe ein großes Problem", so Kalkmann. Denn mit den Outlet-Stores nehmen die Hersteller den herkömmlichen Geschäften Kunden weg - und das in Zeiten, in denen die Umsätze des Einzelhandels stagnieren.

Die Hersteller wehren sich gegen solche Vorwürfe: "Wir verkaufen lediglich unsere Überschüsse", sagt Ole Puck (30), Vorstandsassistent von Tom Tailor.In den zwei Outlet-Geschäften der Hamburger Bekleidungsfirma kann man fast täglich einkaufen. Von der Socke bis zum Anzug gibt es dort nach eigenen Angaben Rabatte bis zu 70 Prozent. Gerade erst vergangenen Monat hat Tom Tailor ein neues Geschäft in Oststeinbek in einer alten Lagerhalle eröffnet. Schon jetzt tummelten sich auf der 900 Quadratmeter großen Verkaufsfläche täglich 300 bis 500 Kunden und am Sonnabend bis zu 1000. "Mit Hilfe unserer Geschäfte können wir den Verkauf der Restposten kontrollieren und finden diese nicht als Konkurrenz für den Einzelhandel in Sonderpostengeschäften in der Innenstadt wieder", sagt Ole Puck.

Die Kaufmännische Angestellte Regina Slawikowski (46) und ihre Tochter Nadine (22), Zahnarzthelferin, sind Stammkunden: "Wir kommen alle zwei Wochen und wollen natürlich günstig einkaufen." Nadine hat sich einen hellblauen Kapuzenpullover für 28 Euro gekauft, der "normal" 39,95 gekostet hätte. Nach Marktanalysen sind die Käufer in der Regel 20 bis 39 Jahre alt, in einer aufstrebenden Lebensphase und außerordentlich qualitäts- und preisorientiert.

Vor zehn Jahren begann die Firma Closed mit den Lagerverkäufen. "Bei unserer ersten Veranstaltung war der Andrang so groß, dass nach zehn Minuten alles weg war." Heute gibt es den Verkauf zweimal im Jahr. Die Schuhfirma Salamander unterhält in Wandsbek ein 600 Quadratmeter großes Outlet unter dem Namen "Schuh Tipp". Dort werden zu 80 Prozent Salamander-Produkte verkauft, der Rest seien andere Marken, sagt die Salamander-Sprecherin Birgit Fink. Jil Sander bietet in Ellerbek Waren älterer Kollektionen oder sogar Aktuelles mit minimalen Webfehlern an. Eine Kundin berichtete vom Kauf einer Handtasche für 100 Euro, deren Originalpreis bei etwa 800 Euro lag.

Aber nicht nur Bekleidungsfirmen haben das Marktsegment für sich entdeckt. "Unser Geschäft läuft sehr gut", sagt Edgar Fred Oppermann (53), der bereits in dritter Generation den Oppermann Fleischgroßhandel in Eidelstedt führt. In seinem Geschäft könne man im Vergleich zu Fleischereigeschäften etwa 20 Prozent sparen. Er zählt in der Woche an die 2000 Kunden, von denen etwa jeder im Schnitt zwei einhalb Kilogramm Fleisch mitnehme. "Nach der Euro-Umstellung sind noch mehr Leute gekommen, die Leute wollen Geld sparen", so Oppermann. So wie die Rentner Peter Timm(63) und Boje Neumeyer (67). Sie haben für eine Geburtstagsfeier etwa 15 Kilogramm Kassler und Schweinenacken für 84 Euro gekauft. Timm: "Um das Fleisch für mein Grünkohlessen zu kaufen, sind wir extra aus Pinneberg hergekommen."