Hamburg . Die schwarze und grüne Variante ist so beliebt wie nie. Kreationen mit Ingwer und Matcha sind im Trend – auch in Bars.

Sie heißen Formosa Super Fancy Oolong Black Dragon, First Flush Darjeeling Margaret’s Hope oder kommen verfeinert als weißer Tee mit Kokosnuss und Trüffel daher. Wer kein passionierter Teetrinker ist, kann da schon mal ins Schwimmen kommen. „Ein Oolong ist ein halb fermentierter Tee, bei dessen Herstellung nur die Ränder der frischen Teeblätter fermentiert werden. Er nimmt somit quasi eine Art Zwischenposition zwischen einem grünen und einem schwarzen Tee ein“, sagt Annemarie Leniger. Klar, dass sie das weiß. Weil sie Geschäftsführerin der Ostfriesischen Tee Gesellschaft (OTG) ist, aber auch wie die meisten Teeliebhaber eine Expertin des eigenen Geschmacks. Tee ist niemals gleich Tee. Die Sorten spielen eine Rolle, Anbau­gebiete, Pflückung und natürlich die Zubereitung. „Und zum Tee gehören ja immer auch die Geschichten, die darüber erzählt werden“, sagt Annemarie Leniger und rührt langsam in der Tasse mit ihrem Lieblingstee Black Dragon.

Die Teebranche wächst – auch am Handelsplatz Hamburg

Für die OTG-Geschäftsführerin sind das Gründe dafür, dass Tee in Deutschland immer beliebter wird. „Da verbindet sich Tradition mit dem aktuellen Gesundheits- und Wellness-Trend“, sagt die 51-Jährige. Im vergangenen Jahr trank jeder Deutsche statistisch 28 Liter schwarzen und grünen Tee, laut Deutschem Teeverband ein Allzeithoch. Seit 2005 stieg der durchschnittliche Pro-Kopf-Konsum um rund drei Liter – allen Coffeeshops zum Trotz. „Vor allem die Beliebtheit von grünem Tee hat zu­gelegt“, sagt der Geschäftsführer des Teeverbands, Maximilian Wittig. In­zwischen macht er ein Drittel des Inlandverbrauchs aus.

Die Teebranche wächst – und auch für den Handelsplatz Hamburg sind das gute Nachrichten. Insgesamt wurden 57.171 Tonnen Tee aus weltweit 61 Provenienzen nach Deutschland importiert. 2010 waren es noch 50.838 Tonnen. „75 Prozent aller deutschen Tee-Importe werden über den Hamburger Hafen abgewickelt“, sagt Teeverbands-Geschäftsführer Wittig. Zudem sei die Hansestadt die „Tee-Drehscheibe Kontinentaleuropas“. Fast die Hälfte der 33 Mitgliedsunternehmen des Verbands haben ihren Sitz in und um Hamburg. 2015 exportierte die deutsche Teeindustrie gut 25.000 Tonnen veredelten Tee in 110 Länder, darunter auch in klassische Teeanbauländer wie China oder Japan. Viele Anbieter haben auch Früchte- und Kräutertees im Sortiment, von denen jeder Deutsche sogar 50 Liter im Jahr trinkt.

Im Meßmer Momentum, der Tee-Lounge der Ostfriesischen Tee Gesellschaft in der HafenCity, ist von der Hektik des Marktes nichts zu spüren. In gepflegter Atmosphäre genießen Teetrinker 80 unterschiedliche Tee­sorten von der Karte, kaufen im hauseigenen Shop ein oder besuchen eine Verkostung. Es ist das Aushängeschild des Familienunternehmens mit über 100-jähriger Tradition, das zur Laurens Spethmann Holding gehört und mit den Marken Meßmer und Milford der drittgrößte Teehersteller Europas ist. Beide Marken, hauptsächlich im Geschäft mit den Teebeuteln verankert, verzeichneten im Geschäftsjahr ein leichtes Mengenwachstum von ein und zwei Prozent. „Es geht darum, das Innovationspotenzial zu nutzen und neue Geschmackserlebnisse zu kreieren“, sagt Leniger.

Aktuell im Trend sind alle Kombinationen mit Ingwer. Aber auch Matcha, feingeriebenes Fleisch japanischer Grünteeblätter, wird vor allem bei jungen Leuten immer beliebter. Der Deutsche Teeverband beobachtet zudem bundesweit eine große Neugier auf ungewöhnliche Provenienzen wie Thailand, Malaysia oder Korea und eine große Experimentierfreudigkeit. „Tee ist mehr als nur ein Getränk. Immer häufiger ist Tee eine besondere Zutat in der Bar und in der Küche“, sagt Verbands­geschäftsführer Wittig.

Dass Tee zum Lifestyle-Produkt avanciert, zeigt sich auch bei der Vermarktung. So hat die OTG per Facebook seine Community in einem mehrstufigen Verfahren zu Produkt-Innovationen für die Marke Meßmer befragt. Dabei herausgekommen ist als „Tee des Jahres 2016“ die Kreation Açaíbeere-Holunderblüte. Für die Früchtetee-Sparte Milford hat das Unternehmen einen ganz neuen Weg entwickelt und Facebook-User per Crowd-Sourcing eigene Teemischungen mit Früchten und Kräutern zusammenstellen lassen. Der neue Mitmach-Tee ist Apfel-Karamell und vom 1. Juli an im Handel.

Nicht nur die Großen in der Branche suchen nach neuen Trends. Es gibt zahlreiche Newcomer auf dem Markt, etwa Alveus oder Stick & Lembcke, die auf Premiumprodukte ohne künstliche Zusatzstoffe setzen. Umweltfragen spielen beim Teeanbau traditionell eine wichtige Rolle. Die OTG hat angekündigt, bis 2020 für ihre Marken zu 100 Prozent Teerohwaren aus nachhaltigem Anbau einsetzen zu wollen. Denn auch wenn die Deutschen mehr Tee trinken, im Vergleich zu anderen Nationen ist noch Luft nach oben. Oben auf der Hitliste der Teetrinkerländer stehen die Türkei mit 283 Litern pro Person im Jahr, danach folgen Afghanistan (279), Libyen (275) und Großbritannien (201). Deutschland liegt auf Platz 40. Allerdings gibt es eine kleine Region im Nordwesten der Republik, die weltweit den Spitzenplatz einnimmt: Die Ostfriesen trinken jährlich 300 Liter Tee. Die Ostfriesische Teezeremonie könnte bald sogar Weltkulturerbe werden.

Gibt es bald Tee-to-go-Shops in Deutschland?

An den Erfolg von Teashops mit „To go“-Konzepten ähnlich wie in den USA oder Kanada glaubt OTG-Geschäftsführerin Leniger nicht. „Tee hat mit einer Erlebniswelt zu tun“, sagt sie. Wie war das noch mit dem First Flush Darjeeling Margaret’s Hope? „Das ist eine traurige Geschichte“, sagt die Teeexpertin und gießt sich noch einmal Tee nach. In den 1920er-Jahren hatte der damalige Besitzer, ein gewisser Mister Cruickshank, seinen indischen Teegarten in Erinnerung an seine jüngste Tochter umbenannt, nachdem diese auf der Schiffspassage nach London krank geworden und gestorben war. Leniger: „Es wird erzählt, dass die junge Frau den Teegarten sehr geliebt hat und unbedingt wiederkommen wollte.“