Hamburg. Experten haben begonnen, das Gerüst am 147 Meter hohen Turm des Mahnmals abzubauen. Sanierung kostete 14,2 Millionen Euro.

Für einen Offizier der Luftwaffe ist es ein Klacks, mit einem Baustellenlift in eine Höhe von 90 Metern zu fahren, sich abzuseilen und spontan Gerüstteile zu demontieren. Zum Abseilen kam es am Dienstag dann doch nicht – aber zu symbolischen Hammerschlägen, die Falko Droßmann (SPD), Bezirksamtschef Mitte und Oberstleutnant der Bundeswehr, an der Westseite des Mahnmals St. Nikolai vornahm.

Drei Mitarbeiter einer Spezialfirma sind seit Dienstag dabei, das Gerüst am 142 Meter hohen Turm von St. Nikolai Stück für Stück abzubauen. In den nächsten Monaten müssen insgesamt 450 Tonnen schwere Teile abmontiert und per Baustellenfahrstuhl nach unten befördert werden. Für Gerüstbauer Gerd Varosz ist es die höchste Baustelle, auf der er je gearbeitet hat.

Bezirksamtschef: „Wir liegen im Zeit- und Kostenplan“

St. Nikolai Kirche
St. Nikolai Kirche © HA / Mark Sandten | HA

Bis zum Herbst soll die erste Etappe zwischen der Turmspitze und 90 Metern Höhe abgeschlossen sein, später folgt der Rest. „Wir liegen im Zeit- und Kostenplan“, sagte Falko Droßmann auf der Baustelle. Mit der 14,2 Millionen Euro teuren Sanierung sei St. Nikolai als Mahnmal gegen den Krieg vor weiteren Schäden geschützt. 6,8 Millionen Euro stellte die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien zur Verfügung, 7,5 Millionen Euro die Hansestadt.

Die Arbeiten waren notwendig geworden, nachdem im Jahr 2011 Steine von Hamburgs höchstem Turm herabgefallen waren. Seit Oktober 2014 laufen die Sanierungsarbeiten, die bis Ende 2017 dauern. Insgesamt werden 10.000 Sandsteine gesetzt, 13.000 Ziegelsteine ausgetauscht, 40 Kilometer Fugen erneuert und 50 Tonnen Mörtel benötigt. Der neue Sandstein stammt aus dem niedersächsischen Obernkirchen. „Und der gilt als Mercedes unter den Sandsteinen“, sagt der Architekt und Denkmalpfleger Alk Arwed Friedrichsen.

Sicht von der Aussichtsplattform noch eingeschränkt

Der Hamburger Experte nahm am Dienstag ebenfalls den Baustellenlift, um sich an Ort und Stelle über die Demontage des höchsten Gerüstes in Deutschland zu informieren. Die Wetterbedingungen waren ideal, fast windstill, nicht zu heiß. Manchmal sei das aber hier oben wie im Harz, sagt Gerd Baum, Fachamtsleiter im Bezirksamt Mitte. Ständig wechselten die Wetterbedingungen, und die Westseite sei besonders Wind und Stürmen ausgesetzt. „Wir haben hier auch Flechten im Mauerwerk entdeckt, die sonst im Harz wachsen.“ Ein kleiner Haarriss im Gemäuer könne daher im Laufe der Zeit zu einer wirklichen Gefahr werden. Aber jeder Quadratzentimeter des Turmes sei nach bestem Wissen geprüft worden. Bezirksamtschef Falko Droßmann ist deshalb optimistisch: „Der Turm von St. Nikolai wird die nächsten 25 Jahre tapfer durchhalten.“

Zwar wird es noch einige Monate dauern, bis der markante Turm gänzlich ohne Gerüst zu sehen ist. Aber für die Besucher gibt es schon jetzt wieder die Möglichkeit, den gläsernen Panoramalift bis zur 76 Meter hohen Aussichtsplattform zu nutzen. Durch die laufenden Sanierungsarbeiten ist die Sicht allerdings eingeschränkt. Derweil bleibt die Baustelle weiterhin mit Nato-Draht gesichert. Unbekannte hatten in den vergangenen Wochen immer wieder versucht, auf den Turm zu gelangen. Das Bezirksamt Mitte kündigte an, nach der Internetveröffentlichung eines Videos von der illegalen Turmbesteigung Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Hausfriedensbruchs zu stellen. In dem 1:55 Minuten langen, mit Musik unterlegten Video waren zwei junge Männer zu sehen, die sich zunächst am Tag mit einem Selfie-Stick vor der Kirche filmten. Später waren es Nachtaufnahmen, die offenbar von der Spitze der Kirche aus gemacht wurden.

Weltweit der fünfthöchste Kirchturm

Der Turm der früheren Hauptkirche St. Nikolai war bei seiner Fertigstellung im Jahr 1874 mit der exakten Höhe von 147,3 Metern das höchste Gebäude der Welt. Heute ist er weltweit der fünfthöchste Kirchturm – nach dem Ulmer Münster (161,53 Meter), das auf Platz 1 steht.

Während der anglo-amerikanischen Luftangriffe auf Hamburg im Jahr 1943 diente der Turm den Bomberpiloten als Orientierungspunkt. Das Kirchenschiff selbst wurde zerstört. Nach Kriegsende bestand in der Hansestadt nur ein geringes Interesse daran, das Gotteshaus wieder aufzubauen. Stattdessen wurden viele Steine aus der Nikolaikirche 1951 ihrem Zweck entfremdet und zur Deichbefestigung in der Haseldorfer Marsch genutzt. Mehr noch: Mit mehreren Sprengungen sollte nach dem Willen der Stadtväter auch noch die Ruine gänzlich beseitigt werden. Doch sie hielt stand und ist seitdem ein mahnendes Zeichen gegen Faschismus und Krieg. Gezeigt wird in der Krypta eine Dauerausstellung über die Ursachen und Folgen des Luftkrieges. Beim „Feuersturm“ in Hamburg 1943 starben rund 35.000 Menschen.