Hamburg. Hamburger Wissenschaftler weisen auf Mikroplastik in Gewässern hin. Diese Teilchen ziehen gefährliche Schadstoffe besonders an.
Hamburg Sie kommen in Duschgels, Peelings und in Zahncreme vor – weniger als fünf Millimeter kleine Plastikpartikel. Doch kaum hat sie der Verbraucher abgespült, landen sie in der Kanalisation und können nicht mehr von den Klärwerken herausgefiltert werden. Die Stoffe gelangen schließlich in die Gewässer und tragen zu einem gefährlichen Giftcocktail bei. Betroffen sind auch die Küstenabschnitte in Norddeutschland.
Vor diesen Risiken warnen jetzt Forscher der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) in Hamburg und des Forschungsschiffes „Aldebaran“. „Die kleinsten Plastikteile wirken wie Magneten auf Schadstoffe. Sie ziehen sie geradezu an“, warnt HAW-Professorin und Umweltchemikerin Gesine Witt. Die gesammelten Mikroplastikteile seien um das Drei- bis Vierfache höher mit Schadstoffen kontaminiert als das ohnehin schon belastete Sediment.
Größte Untersuchung dieser Art
Sechs Wochen lang hatten die Forscher insgesamt 50 Proben in Elbe, Weser, Trave, in den Boddengewässern und Nord- und Ostsee untersucht. Dazu setzten sie handgroße Silikonsammler ein. Bei der insgesamt 2000 Kilometer langen Tour auf dem Hamburger Forschungsschiff wurden zwischen den nordfriesischen Inseln und Stralsund vielfältige Proben vorgenommen und später auf Schadstoffkonzentrationen untersucht. Nach Angaben der Hamburger Forscher ist es die bislang größte Untersuchung dieser Art zu Mikroplastik im Meer.
Bislang vermuteten Experten, dass die Belastung mit Schadstoffen im Vergleich zum umliegenden Sediment mindestens genauso hoch ausfällt. Nun aber haben sie herausgefunden, dass diese Teilchen stärker mit krebserregenden Substanzen kontaminiert sind. Dazu gehören unter anderem die Polychlorierten Biphenyle (PCB), die zum „dreckigen Dutzend“ der bekannten organischen Giftstoffe zählen und inzwischen verboten sind. Insbesondere die Proben aus den Sedimenten von Elbe und Weser seien stark mit PCB belastet. Die geringsten Werte wurden dagegen unter anderem vor der Insel Poel gemessen.
Begründung für hohes Vorkommen fehlt bislang
Ermittelt wurde auch das Vorkommen der polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK). Nach Angaben des Bundesumweltamtes können sie Krebs auslösen und das Erbgut schädigen. Ihre höchste Konzentration wurde in den Sedimenten des Stralsunder Hafens und im Fischereihafen Marienehe Rostock gefunden. Eine Begründung für das überdurchschnittlich starke regionale Vorkommen in Mikroplastikteilchen haben die Hamburger Forscher bislang nicht.
Der Diplom-Biologe Frank Schweikert, Geschäftsführer von Aldebaran Research & Broadcast, warnt nun davor, dass diese hochgiftigen Plastikteile weiter in die Nahrungskette gelangen können. „Von Miesmuscheln weiß man durch neueste Forschungsergebnisse inzwischen, dass sie kleinste Körnchen Polyethylen im Gewebe anreichern.“ Diese könnten dort Entzündungen und Geschwüre verursachen.
BUND gibt Tipps für das Einkaufen
Aufgrund der alarmierenden Ergebnisse appellieren Umweltchemikerin Witt und Professor Claus-Dieter Wacker, Geschäftsführender Präsident der HAW Hamburg, an die Verbraucher. Sie sollten sorgfältiger als bisher ihre kosmetischen Produkte in den Supermärkten und Drogerien auswählen. „Bewaffnen Sie sich mit einer Lupe, und schauen Sie auf das Kleingedruckte“, rät Professorin Gesine Witt und verweist auf den BUND-Einkaufsratgeber zum Thema Mikroplastik. Der sei eine gute Hilfe für die Kaufentscheidung. Denn vom Shampoo und Duschgel könnten die giftigen Plastikpartikel eines Tages mit dem Fisch und den Miesmuscheln auf dem Teller der Konsumenten landen. Auf dem Index der Umweltschützer stehen solche in vielen Kosmetika verwendeten Kunststoffe wie Polyethylen (PE) und Polypropylen (PP). Der BUND setzt sich für ein Verbot von Mikroplastik in Kosmetika ein.
Plastik ist in allen Weltmeeren verbreitet. „Jeweils 15 Prozent schwimmen an der Oberfläche und im Wasserkörper“, sagt Frank Schweikert. „Und immerhin 70 Prozent sind in den Sedimenten zu finden.“ Die „Aldebaran“ war schon weltweit im Einsatz - von der Karibik bis zum Mittelmeer. Das 14 Meter lange Segelschiff ist mit einem modernen Labor ausgestattet und verfügt über ein kleines Radio-Studio für die aktuelle Wissenschaftskommunikation vor Ort.