Hamburg . Deutschlands beste Schülerfirma kommt aus Rahlstedt. Der Kurs der selbst ausgegebenen Aktien hat sich bereits vervierfacht.

Was haben George Clooney und 14 Schüler aus Hamburg miteinander zu tun? Mehr als man meinen könnte. Der Hollywood-Star, im Nebenberuf Werbe-Ikone für den Kultkaffee Nespresso, schwärmt seit Jahren für den Genuss aus den bunten Kapseln. Dass mit dem steigenden Absatz auch der Aluminiummüll kräftig wächst, spielt dabei keine Rolle. Genau das störte die Oberstufenschüler des Gymnasiums Rahlstedt, als sie nach dem Kaffeetrinken im Herbst des vergangenen Jahres die leeren Aluminiumkapseln einsammelten. „Wir dachten, die sehen so schön aus, daraus muss man doch was machen können“, sagt Magnus Mayer. Es war die Geburtsstunde von Coffee Capsule Accessory.

Inzwischen sind die filigranen Schmuckstücke, die die Gymnasiasten aus den gebrauchten Alu-Hütchen fertigen, ein echter Renner. Magnus Mayer gehört zu den Gründern von CCA, wie die Jugendlichen ihr Unternehmen nennen. Gemeinsam mit Jule Noack und Jasmin Scheil, ebenfalls von Anfang an dabei, sitzt der 17-Jährige in einem Konferenzraum des Rahlstedter Gymnasiums. Alle drei haben das Wirtschaftsprofil der Schule belegt. Die Praxisaufgabe im elften Jahrgang lautet: Gründung einer Schülerfirma im Rahmen des Junior-Programms des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln.

Mit Upcycling zum Erfolg

„Unser Geschäftsmodell basiert auf Upcycling“, sagt Jule Noack, 17 Jahre alt und Vorstandsvorsitzende von CCA. Upcycling ist gerade ein wichtiger Trend: Produkte und Materialien, die normalerweise im Müll landen, bekommen ein zweites Leben. Idee und Umsetzung sind in diesem Fall so überzeugend, dass Coffee Capsule Accessory gerade zur besten Schülerfirma Deutschlands gekürt wurde. Ende Juli reisen die Hamburger zum Europa-Ausscheid nach Luzern. Und nicht nur das. Die Schülerfirma macht ordentlich Gewinn.

Das Prinzip ist einfach, aber man muss erst mal darauf kommen. „Der untere Ring der Kapsel wird abgeschnitten und dann eingedreht“, erklärt Jasmin Scheil aus der Marketing-Abteilung von CCA. Zwei Aluringe braucht man für einen der Anhänger, die offenen Kugeln ähneln. Die obere Kapselschale wird zu sogenannten Korallen verarbeitet. „Das Produktionsteam hat viel probiert“, sagt die 16-Jährige.
Bei den ersten Versuchen seien Sachen herausgekommen, die sie lieber nicht hätten verkaufen wollen. Inzwischen brauchen die Schmuckexperten sieben bis acht Minuten, um eine der Kugeln für das Mocca Armband (vier Euro) oder die Espresso Kette (6,50 Euro) zu fertigen. Die Farben, von sattem Braun über leuchtendes Türkisblau bis zu strahlendem Gelb, richten sich nach dem Angebot des Kaffeeherstellers – und dem Geschmack der Spender der leeren Kapseln.

Parallel bauten die Gymnasiasten die interne Struktur mit verschiedenen Abteilungen auf, kalkulierten Kosten und mögliche Erträge, erstellten einen Businessplan und planten Marketing­aktionen. „Man lernt, wie groß der bürokratische Aufwand bei einer Firmengründung ist“, sagt die CCA-Chefin Noack. Vor allem brauchte das junge Unternehmen Startkapital.

Aktien haben sich bereits vervierfacht

„Wir haben 39 Aktionärsscheine à zehn Euro ausgegeben“, sagt Magnus Mayer, der als Finanzvorstand und stellvertretender Vorstandsvorsitzender fungiert. Probleme, Geldgeber zu finden, habe es nicht gegeben. Den Gründern war es wichtig, dass sie die Mehrheit ihrer Firma halten. Insgesamt gab es laut Junior-Vorgaben 100 Anteilsscheine. „Die Entscheidungsfreiheit war uns wichtiger als ein hohes Startkapital“, sagt Jule Noack, wie das ganze Leitungsteam ganz geschäftsmäßig im dunklen Blazer.

Gründungstermin war der 1. Oktober. Danach ging es richtig los: Material musste bestellt werden, die ersten Finanzberichte an die Organisatoren von Junior, die quasi wie der Staat fungieren und auch Steuern einziehen, abgeschickt werden. „Wir hatten schon 250 Euro ausgegeben, bevor wir den ersten Cent verdient haben“, erinnert sich Magnus Mayer an die ersten Wochen. Der Durchbruch kam mit dem Weihnachtsgeschäft. Fast 600 der kunstvoll designten Ketten und Armbänder haben die Schüler inzwischen verkauft, an Schulen, in Einkaufszentren und im Bekanntenkreis. Der Umsatz ist auf 2200 Euro geklettert. Der Wert der CCA-Aktien hat sich auf 42 Euro mehr als vervierfacht.

„Das Besondere an dem Projekt ist, dass sich Theorie und Praxis verbinden. Und dass der Realitätsbezug so hoch ist“, sagt Lehrerin Rabea Gausepohl, die die Schülerfirma im Wirtschaftsunterricht begleitet. In diesem Fall sogar noch mit einem aktuellen Umweltaspekt. Denn im Jahr entstehen in Deutschland vier Millionen Kilogramm Alu- und Plastikmüll durch den Verbrauch von zwei Milliarden Kaffeekapseln (Stand 2014). Während es in der Schweiz, dem Heimatland von Nespresso-Hersteller
Nestlé ein Rückholsystem für die gebrauchten Kapseln gibt, verweist das Unternehmen Kunden in Deutschland auf die Wiederverwertung durch das Duale System, also die Entsorgung in der gelben Tonne. Ein Recycling-Konzept, das nicht nur aus Sicht der Rahlstedter Schüler „fragwürdig ist“.

Hamburger setzten sich gegen 13 andere Landessieger durch

Auch die Jury beim Junior-Bundeswettbewerb in Berlin lobte die „innovative, nachhaltige Geschäftsidee“ der CCA-Gründer, die versucht hätten, eine kreative Lösung für ein wachsendes Müllproblem zu finden. Die Hamburger hatten sich bei der mehrtägigen Präsen- tation im Bundeswirtschaftministerium gegen 13 andere Landessieger durchgesetzt. Darunter eine Firma, die einen Stift mit tropffreiem Nagellack entwickelt hat. Beim Europa-Entscheid in Luzern sind Unternehmen aus 39 Ländern vertreten.

Aktuell erstellen die Rahlstedter gerade alle Unterlagen auf Englisch, auch die Kollektion soll erweitert werden. „Engagement und Professionalität sind sehr hoch“, sagt Lehrerin Gausepohl. Nicht nur sie musste ihre Urlaubspläne umwerfen, denn der Wettbewerb liegt in den Hamburger Schulferien.

„Die habe das Profil gewählt, weil ich sehen wollte, ob ein Beruf in der Wirtschaft etwas für mich ist“, sagt Jasmin Scheil. Diese Frage ist jetzt geklärt. Auch Magnus Mayer und Jule Noack können sich eine Zukunft als Unternehmer vorstellen. „Wir haben auch in Erwägung gezogen, Coffee Capsule Accessory als reales Unternehmen neu zu gründen“, sagt Vorstandschefin Jule Noack. Denn nach diesem Schuljahr muss die Schülerfirma satzungsgemäß abgewickelt werden. Die Entscheidung ist angesichts des nahenden Abiturs noch offen. Sicher ist nur: Den erwirtschafteten Gewinn wollen die Schüler spenden – für ein Umweltprojekt.