Hamburg. Mit der Strategie will man chinesische Paare und deren Familien an die Elbe locken. Was den Asiaten an der Stadt noch gut gefällt.

Da hat die Polizei vor Jahren versucht, Graffiti-Sprayern das Handwerk zu legen und nun das: Den chinesischen Jung-Touristen aus Shanghai gefallen ausgerechnet die schrillen Kunstwerke und Schmierereien auf Hamburgs S-Bahn-Zügen, unter Brücken und auf Hinterhofwänden.

Für Gäste aus einem Land, in dem Graffiti illegal und höchstens für Touristen an einem winzigen Abschnitt der Chinesischen Mauer erlaubt ist, gelten die gesprühten Werke der Jugendkultur offenbar als große Hamburg-Attraktion. Das jedenfalls erzählen begeistert Shen Zhuo, 17, und Gong Chen Hao, 17. „Die bunten Graffiti“, antworten sie auf die Frage nach ihren ganz persönlichen Hamburg-Highlights und fügen hinzu: „Auch die Pferde auf den Wiesen gefallen uns.“ Die beiden Schüler aus Shanghai besuchten vor wenigen Tagen die Hansestadt mit anderen Kindern und Jugendlichen im Rahmen des Musik-Projekts „China Inn“.

50.000 Chinesen besuchen Hamburg pro Jahr

Die jungen Leute aus Shanghai gehören zu den rund 50.000 chinesischen Touristen, die jedes Jahr die Hansestadt besuchen und hier übernachten. Zwar zählt China nicht zu den Top 5 der ausländischen Gäste (Dänemark, Schweiz, Österreich, Großbritannien und USA). Aber ihre Zahl wächst kontinuierlich. China sei kein Volumenmarkt, nehme aber durch die Zukunftsprognosen eine besondere Stellung ein, sagt Sascha Albertsen, Sprecher der Hamburg Tourismus GmbH.

Wer aus fernen Ländern anreist, nimmt – wie die chinesischen Jugendlichen – die Stadt mit ganz anderen Augen wahr. Was für Hamburger selbstverständlich ist, zählt für sie ausgerechnet zu den Höhepunkten und bleibenden Erinnerungen. Wie jetzt die langen, hellen Sommerabende, von denen die chinesischen Mädchen Zhang Xinyu und Ji Xinyi, beide neun Jahr alt, schwärmen. „Und dass es hier selten so heiß ist wie bei uns zu Hause“, sagen sie. In Shanghai liegen die Temperaturen im Sommer wochenlang bei 30 Grad Celsius und mehr – auch nicht immer ein Spaß.

Chinesische Touristen empfinden Hamburg als Provinz

Und überhaupt: „Irgendwie fühlen sich die chinesischen Schüler hier wie in der Provinz“, postete eine Hamburger Gastfamilie in den sozialen Netzwerken. Das Internet sei für chinesische Verhältnisse etwas langsam. Zudem werde die Elbphilharmonie von ihnen nicht wirklich zur Kenntnis genommen. Schließlich bestimmt eine Vielzahl spektakulärer Bauten das Bild der 20-Millionen-Metropole Shanghai.

Welche Vorlieben ausländische Touristen haben, wurde in einem Strategiepapier der Hamburg Tourismus GmbH ausgelotet. Österreicher zum Beispiel wollen neben dem Hafen Kultur und Kunst erleben. Die Schweizer lieben in Hamburg ausgedehnte Shoppingtouren, während die Gäste aus den arabischen Golfstaaten gern medizinische Angebote im UKE nutzen. Und alle wollen ins Miniaturwunderland, die weltweit größte Modelleisenbahnanlage.

Miniaturwunderland gleich am ersten Tag

Für die chinesische Schülergruppe stand gleich am ersten Tag ein Besuch der Eisenbahnwelt auf dem Sightseeing-Programm. In Kooperation mit dem Wandsbeker Reiseunternehmen China Tours nahmen rund 100 Nachwuchsmusiker am 4. Jugendmusikfestival „China Inn“ teil. Bei ihrem Besuch im Rathaus kamen die Schüler aus dem Staunen nicht heraus. „Was für ein altes Bauwerk“, sagten sie und fotografierten sich ständig mit ihren Smartphones. Einige machten das Victory-Zeichen, andere Luftsprünge vor dem „Hygieia“-Brunnen im Innenhof des Rathauses. Was sie wohl nicht wussten: Das neoklassizistische Rathaus ist kaum älter als 100 Jahre.

Beim Essen und Trinken sind die jungen Leute aus Asien relativ anspruchslos. Sie mögen Würstchen, Hamburger, Spaghetti und Gerichte mit Schweinefleisch. Wie die Mehrzahl der chinesischen Touristen, die nach Hamburg kommen, sind die täglichen Ausgaben vor Ort „vergleichsweise gering“, heißt es im Strategiepapier von Hamburg Tourismus. Am tiefsten greifen bekanntlich die Araber in die Tasche: Die Ausgaben betragen durchschnittlich 448 Euro pro Person – pro Tag.

Handelskammer rät zu Hochzeitskulissen-Vermarktung

Die Handelskammer gibt nun Anregungen, wie noch mehr chinesische Touristen in die Stadt gelockt werden können. Schließlich werden – Prognosen zufolge – im Jahr 2020 rund 100 Millionen Menschen aus dem Reich der Mitte eine Auslandsreise unternehmen. Besonders beliebt sind Hochzeitsreisen mit der Familie. Hamburg sollte sich schon jetzt, rät die Kammer, als märchenhafte Hochzeitskulisse für chinesische Paare vermarkten.