Hamburg. Der Flughafen-Chef über Probleme bei der Gepäckausgabe, Passagierwachstum und die Gründe für mehr Verspätungen.

Passagiere müssen länger auf ihre Koffer warten. Die Zahl der Starts und Landungen in der Stunde vor Mitternacht steigt, obwohl sie seit Beginn einer Pünktlichkeitsoffensive Ende April sinken sollte. Anwohner beklagen sich über das Dauerparken von Fluggästen in Wohngebieten. Der Hamburger Flughafen machte zuletzt einige Negativschlagzeilen. Michael Eggenschwiler, seit elf Jahren Vorsitzender der Geschäftsführung von Hamburg Airport, erklärt im Abendblatt die Hintergründe der jüngsten Entwicklung – und erwartet einen Rekord bei der Passagierzahl.

Herr Eggenschwiler, was war Ihre längste Wartezeit auf Ihre Koffer?

Michael Eggenschwiler: In Hamburg habe ich mal 40 Minuten gewartet, an anderen Flughäfen aber auch mal eine Stunde und mehr.

Und haben sich darüber geärgert ...

Eggenschwiler: Klar. Es ärgert jeden, wenn er lange warten muss. Im Schnitt halte ich eine halbe Stunde Wartezeit von der Landung bis zum Erhalten des Gepäckstücks aber für vertretbar. Diesen durchschnittlichen Richtwert peilen wir in verkehrsreichen Zeiten an, mit Spitzen nach oben und unten.

Damit verdoppelt sich die Wartezeit. Viele Fluggäste halten diese Zeitspanne für zu lang.

Eggenschwiler: In den ersten Monaten dieses Jahres lag die durchschnittliche Wartezeit bei 19 Minuten. Allen Passagieren rate ich, sich vorzustellen, wie hart unsere Mitarbeiter in dem Bereich arbeiten. In einer Höhe von gut einem Meter wuchten sie immer wieder per Hand 20 bis 25 Kilogramm schwere Koffer aus dem Flugzeugbauch. 160 bis 200 Gepäckstücke sind es meist pro Jet. Die Auslastung der Maschinen ist gestiegen und damit auch die transportierte Gepäckmenge. Insgesamt sind es täglich bis zu 30.000 Koffer. Da wird hart angepackt und nicht Däumchen gedreht. Und der Großteil der Koffer ist schnell auf dem Gepäckband – obwohl in den vergangenen fünf Jahren der Anteil der losen Gepäckstücke um 60 Prozent gestiegen ist. Viele Airlines verzichten aus Gewichtsgründen auf den Transport in Containern und lassen lose verladen. Im Übrigen auch, weil Boeing für die 737 überhaupt keine Container fürs Gepäck anbietet.

Wenn man schon länger warten muss, planen Sie Verbesserungen für die Passagiere?

Eggenschwiler: Wir haben schon mehr Sitzplätze in der Wartezone geschaffen, Getränke- und Snackautomaten aufgestellt. Auch einen Fahrkartenautomaten des HVV gibt es. An einer Anzeigetafel wollen wir bei etwaigen Verspätungen informieren. Und im nächsten Sommer soll ein Airport-Office auch in der Wartezone eingerichtet werden, sodass Touristen sich während der Wartezeit schon mal einen Stadtplan abholen oder Hotels und Musicaltickets buchen können.

Worauf müssen sich die Passagiere in der Hochsaison – den Sommer- und Herbstferien – einstellen?

Eggenschwiler: Die Wartezeiten sollen im Schnitt bei maximal 30 Minuten liegen. Es hängt aber auch von mehreren Faktoren ab. Wenn ein großer Jet landet mit 300 Koffern an Bord, kann es länger dauern. Bei Gewitter schicken wir zum Beispiel aus Sorgfaltspflicht unsere Mitarbeiter nicht raus ans Flugzeug. Und solche Wetterlagen hatten wir zuletzt sehr häufig. Und eins sollte nicht vergessen werden: In Hamburg sind die Wege vom Gate zum Gepäckband sehr kurz, entsprechend kommt einem die Wartezeit am Gepäckband lange vor. Generell sollen die Ausreißer mit längeren Wartezeiten als 30 Minuten auf ein Minimum beschränkt werden.

Wie wollen Sie das sicherstellen?

Eggenschwiler: Wir haben viel beim Personal getan. In den vergangenen zwölf Monaten haben wir 100 Mitarbeiter fest eingestellt, weitere 60 stellen wir ein, wenn deren Zuverlässigkeitsprüfung bestätigt ist. Weil die Mitarbeiter im Sicherheitsbereich tätig sind, müssen sie ein Führungszeugnis vorlegen. Und den Job dürfen per Gesetz aufgrund der körperlichen Belastung nur Männer machen, keine Frauen. Bei 102 Beschäftigten mit Teilzeitverträgen wechseln wir die Verträge auf Vollzeit. Insgesamt beschäftigen wir bei den Bodenverkehrsdiensten nun knapp 1000 Menschen.

Die Verdienstmöglichkeiten werden von Arbeitnehmervertretern immer wieder als zu gering kritisiert.

Eggenschwiler: Jeder Beschäftigte verdient im Gesamtjahresdurchschnitt mindestens 10,95 Euro pro Stunde, in der höchsten Vergütungsgruppe sind es 20,07 Euro. Das ist ein anstrengender, aber kein schlechter Arbeitsplatz.

Für 120 Millionen Euro wird derzeit das Vorfeld erneuert. Immer wieder gibt es Klagen von Passagieren, die sich wegen der Bauarbeiten über einen zu langen Bustransfer beschweren. Wie wollen Sie das abstellen?

Eggenschwiler: Wegen der dringend notwendigen Grunderneuerung des Vorfeldes haben wir vier Passagierbrücken weniger im Dienst. Entsprechend sind mehr Busfahrten notwendig, für die wir extra neun neue Busse angeschafft haben. Es kann schon mal sein, dass der Bus länger braucht, aber wir sind bemüht, die Auswirkungen so gering wie möglich zu halten. Es ist eine tolle Leistung aller Beteiligten, dass die Pünktlichkeit des Flugbetriebs nicht gelitten hat. Trotz der Baustelle haben wir im ersten Halbjahr mit 7,5 Millionen 2,4 Prozent mehr Passagiere transportiert. Die Zahl von Starts und Landungen ist dabei nur um 0,1 Prozent gestiegen.

Schaffen Sie nach 15,6 Millionen Passagieren im vergangenen Jahr in diesem Jahr bereits die 16-Millionen-Marke?

Eggenschwiler: Die 16-Millionen-Marke ist in Reichweite. Ich bin zuversichtlich, dass wir es schaffen. Das liegt auch daran, dass wir seit Anfang des Jahres acht Strecken komplett neu in den Flugplan aufgenommen haben. Zudem ist die Effizienz auch noch einmal gestiegen. Im Schnitt sitzen 108,4 Passagiere pro Strecke in einem Jet. Die Flugzeuge gehören übrigens zu 99 Prozent in die modernste Kategorie. Die Airlines wissen, dass sie in Hamburg ihr modernstes Gerät einsetzen sollen. Dafür setzen wir uns auch ein.

Der Wachstumskurs stößt auf Protest von Anwohnern, vor allem auch wegen des Fluglärms in der Nacht. Im Mai und Juni ist die Zahl der Flugbewegungen zwischen 23 und 24 Uhr im deutlich zweistelligen Prozentbereich gestiegen. Ihre Ende April gestartete Pünktlichkeitsoffensive, mit der Sie genau diese Verspätungen abbauen wollten, ist gescheitert.

Eggenschwiler: Die Pünktlichkeits­offensive bezieht sich auf direkt beeinflussbare Faktoren, nicht auf Wetter­bedingungen und Streiks, die uns im Mai und Juni das Leben schwer gemacht haben. Sie zielt auch darauf, das Bewusstsein der Airlines zu schärfen. Im Sommerflugplan haben wir rund ein Viertel weniger geplante Flüge in der letzten halben Stunde unserer regulären Betriebszeit, von 22.30 bis 22.59 Uhr. Das wird auch im Winterflugplan so sein. Das zeigt, dass die Airlines das Thema ernst nehmen.

Die Wirkung ist aber verpufft.

Eggenschwiler: Das sehe ich nicht so. Wir hatten in den beiden Monaten zwei maßgebliche Sonderfaktoren. Die Verspätungen wegen des Wetters sind um das Vierfache höher als im Vorjahr. Wir mussten häufig die Abfertigung wegen des Wetters einstellen. Dadurch war die Pünktlichkeit nach 23 Uhr nicht zufriedenstellend. Das lag aber nicht an unserem Einsatz. Zudem haben die Fluglotsen in Italien, Frankreich und Island gestreikt. Das löst Kettenreaktionen auf vielen Verbindungen aus, zum Beispiel bei Spanien-Flügen, die über Frankreich gehen. Die Tagesrotation läuft dann aus dem Ruder, Verspätungen bauen sich über den Tag bis in den Abend auf.

Für die Anwohner ist das kein Trost ...

Eggenschwiler: Es ist tatsächlich misslich, für Anwohner, Airlines und auch unsere Beschäftigten. Leider sind diese Faktoren aber nicht zu beeinflussen. Die gesetzlich verankerte Verspätungsregelung bis 24 Uhr ist ja gerade für solche unbeeinflussbaren Faktoren wie Wetter und Streiks gedacht.

Nicht nur in der Luft, auch zu Lande ärgern sich die Anwohner: über Passagiere, die in Wohngebieten ihr Auto abstellen. Wie wollen Sie das ändern?

Eggenschwiler: Das Ausweichen in die Nachbarschaft wollen wir auch nicht. Am vergangenen Montag haben wir 3000 neue Parkplätze in Betrieb genommen. Die Hälfte davon befindet sich auf dem alten Frachthof in unmittelbarer Terminalnähe. Insgesamt stehen 15.000 Plätze zur Verfügung. Passagiere sollten im Voraus online ihr Parkticket buchen, Frühbucher bekommen sogar Rabatt.

Trotzdem kostet eine Woche auf den Holiday-Plätzen zwischen 80 bis 100 Euro. Das ist schon teuer.

Eggenschwiler: Unsere Holiday Parkplätze sind durchaus marktfähig. Wenn wir zu günstig werden, kommen zu viele Passagiere mit dem Auto und als stadtnaher Flughafen sind unsere Flächen begrenzt. Es ist auch eine Frage des Komforts. Im Übrigen kommen 30 Prozent unserer Fluggäste mit der S-Bahn, das ist ein idealer Zubringer.

Ab November stationiert Ryanair in Fuhlsbüttel zwei Jets und fliegt mit dem Winterflugplan 14 statt sieben Ziele an. Warum sind die Iren für Hamburg wichtig?

Eggenschwiler: Ryanair erschließt uns neue Märkte: Porto, Stansted, Sofia sind Ziele, die wir vorher nicht im Angebot hatten. Ansonsten ist Ryanair so wichtig wie andere Fluggesellschaften auch. Als zweitgrößte Stadt Deutschlands brauchen wir ein Angebot, das Europa abdeckt. Unser Vorteil ist, dass wir einen guten Mix aus Airlines und Zielen haben.

Gibt es Sonderkonditionen für Billigflieger in Hamburg?

Eggenschwiler: Nein. Alle zahlen dieselben Entgelte. Es gibt ein Anreizprogramm für neue Strecken: Bei neuen Zielen gibt es für zwei bis drei Jahre Rabatt auf einen Teil der Landeentgelte. Das gilt aber für jede Airline.

Sind neue Langstreckenverbindungen in Aussicht?

Eggenschwiler: Es ist derzeit nichts in der Pipeline. Großes Potenzial sehen wir vor allem bei Peking, Shanghai, New York, Miami und Atlanta.

Wird der A380 bald regelmäßig in Hamburg landen?

Eggenschwiler: Wir sind laufend in Gesprächen, aber das muss die jeweilige Fluggesellschaft selbst entscheiden. Nach der Vorfelderneuerung stehen insgesamt acht Parkpositionen für Großraumflugzeuge zur Verfügung. Zwei davon haben Doppelfluggastbrücken und sind mit jeweils zwei Brücken angebunden. Das Ein- und Aussteigen der etwa 600 Passagiere bei einem A380 könnten wir also gewährleisten.

Wann erhält der Flughafen den Namenszusatz Helmut Schmidt?

Eggenschwiler: Ende des Jahres wird es so weit sein, in diesem Sommer werden wir das genaue Datum wissen.

Bei dem ganzen Ärger mit Gepäckabfertigung, Anwohnerklagen und Großbaustelle: Macht es noch Spaß, Flughafenchef zu sein?

Eggenschwiler: Ja! Es ist ein faszinierender Job mit einem faszinierenden Umfeld, sehr interessanten Begegnungen mit Menschen und tollen Mitarbeitern aus 59 Nationen.