Hamburg. Regierungsfraktionen und Volksinitiative suchen nach einem Kompromiss – Verbände warnen vor Volksentscheid.

Der kommende Sonntag dürfte für die Fraktionsvorsitzenden von SPD und Grünen, Andreas Dressel und Anjes Tjarks, schon jetzt verplant sein. Sie werden bereitstehen, um im Falle eines Falles nochmals mit Vertretern der Volksinitiative „Hamburg für gute Integration“ sprechen zu können. Denn eines ist klar: Am kommenden Montag sollen die Bürgerschaftsfraktionen darüber entscheiden, ob sie die Vereinbarung mit der Initiative akzeptieren und dadurch einen Volksentscheid über die Unterbringung von Flüchtlingen in Großunterkünften verhindern.

Noch aber verhandeln beide Seiten. Der Zeitplan sieht bis einschließlich Donnerstag täglich Gespräche vor. Am Freitag und Sonnabend sollen die Ergebnisse den Bürgerinitiativen vorgestellt werden. Sollten diese in einzelnen Punkten noch Bedenken haben, ist der Sonntag für Nachverhandlungen vorgesehen. Am Montag kommender Woche wollen die Bürgerschaftsfraktionen das Ergebnis bewerten. Am darauffolgenden Mittwoch gibt es die Abstimmung im Parlament.

Worum geht es? Angesichts des Flüchtlingsstroms im Spätsommer vergangenen Jahres mussten Hamburgs Behörden innerhalb weniger Wochen Tausende Unterkunftsplätze schaffen. Es entstanden auf freien Flächen Containerdörfer. Zudem wurden leer stehende Gebäude, zum Beispiel Baumarkthallen, genutzt. Dabei setzte die Stadt auf wenige Standorte mit einer großen Zahl an Plätzen. Oft wurden Unterkünfte „über Nacht“ und ohne ausreichende Information von Anwohnern eingerichtet. Unter den Menschen wuchs die Kritik, und es bildeten sich in Stadtteilen Bürgerinitiativen.

Da die Behörden davon unbeeindruckt blieben, wurde im Frühjahr die Volksinitiative gestartet. Innerhalb von fünf Tagen gelang es den Organisatoren, gut 26.000 Stimmen für ihr Anliegen zu sammeln. Im Kern geht es darum, Flüchtlinge dezentral und in Unterkünften mit bis zu 300 Plätzen unterzubringen. Zudem sollen Flüchtlinge nicht länger als zwei Monate in einer Erstaufnahmeeinrichtung verweilen müssen. Ferner wird gefordert, dass „zwischen allen Standorten mit mehr als 100 Flüchtlingen ein Mindestabstand von 1000 Metern liegt“.

CDU kritisiert knappen Zeitplan bis zur Abstimmung

Die Volksinitiative war der erste Schritt zu einem Volksentscheid. Dem Gesetz zufolge hat die Bürgerschaft eigentlich bis 30. August Zeit, eine Vereinbarung zu schließen. Wegen der Sommerpause muss aber schon kommende Woche Klarheit herrschen. Sollte keine Einigung gelingen, folgt das Volksbegehren. In dessen Rahmen müssen innerhalb von drei Wochen rund 62.000 Unterschriften zusammenkommen. Gelingt das, folgt ein Volksentscheid. Dieser ist erfolgreich, wenn 20 Prozent der Wahlberechtigten zugestimmt haben und es bei der Abstimmung eine einfache Mehrheit gibt.

Nachdem Ende März das Zustandekommen der Volksinitiative amtlich beglaubigt wurde, begannen zwischen den Regierungsfraktionen und Vertretern der Volksinitiative Gespräche. Aufseiten der Regierungsfraktionen wurden sie von deren Vorsitzenden Andreas Dresssel (SPD) und Anjes Tjarks geführt. Die Volksinitiative wurde von ihrem Sprecher Klaus Schomacker angeführt. Inzwischen sind die Verhandlungen offenbar weit gediehen. Nach Abendblatt-Informationen ist man sich in wichtigen Punkten näher gekommen. So werden in den Expresswohnungen weniger Flüchtlinge untergebracht als ursprünglich geplant. Zudem zeichnet sich eine Einigung auf einen „intelligenten Verteilungsschlüssel“ ab, der soziale Belange und den Naturschutz berücksichtigt. Außerdem wird die Stadt sich wohl bereit erklären, ausreichend Folgeunterkünfte für Flüchtlinge zu errichten, damit nicht mehr als 300 Menschen in einer Unterkunft untergebracht werden müssen.

Unter den Vertretern der Volksinitiative sei man „nicht völlig zufrieden“ mit dem bisher Erreichten, erkenne aber die Kompromissbereitschaft der Regierungsfraktionen an. SPD-Fraktionschef Andreas Dressel zeigte sich optimistisch. „Wir wollen den Konsens, haben aber in den nächsten Tagen noch viel Arbeit vor uns.“

Die CDU kritisierte den knappen Zeitplan bis zur Abstimmung über die Vereinbarung in der Bürgerschaft. Der Senat hätte früher alternative Szenarien planen müssen, sagte CDU-Fraktionsvize Karin Prien. Stattdessen habe er lange auf falschen Prognosen bestanden. Jetzt hätten die Bürgerschaftsfraktionen nur wenige Stunden Zeit, die mehrere Hundert Seiten umfassende Vereinbarung zu prüfen.

Unterdessen appellierten Kirchen, Wohlfahrtsverbände und Gewerkschaften an den Senat und die Initiative, sich bei ihren Verhandlungen zu einigen. Eine Volksabstimmung würde zu einer Spaltung der Bevölkerung führen, sagte Dirk Ahrens vom Diakonischen Werk. Deshalb fordere man: „Einigt euch!“

Die Niendorfer Erstaufnahme an der Schmiedekoppel ist jetzt in Betrieb. Im ersten Schritt sollen rund 350 Menschen in die Container auf der asphaltierten Fläche hinter dem Mercedes-Gelände ziehen . Damit wird die Unterbringung iin den Tennishallen an der Papenreye beendet. Marc Schemmel, SPD-Bürgerschaftsabgeordneter: „Dass endlich die bezugsfertigen Con­tainer belegt und die prekären Unterbringungen in den Papenreye-Tennishallen beendet werden können, ist längst überfällig.“

Der Betrieb der Erstaufnahmestelle an der Schmiedekoppel hatte sich wegen ausstehender Arbeiten und Brandschutzvorlagen immer wieder verzögert.