Hamburg. Restsaison in diesem Sommer gestrichen. Ersatzteil für Flugzeug-Oldtimer fällt bei Kontrolle durch. Reparaturen werden vorgezogen.

Viele Luftfahrtfans freuen sich in den Sommermonaten auf ihren Anblick am Himmel über Hamburg – in diesem Jahr werden sie „Tante Ju“ aber nicht mehr sehen. Wegen Pro­blemen bei den Reparaturarbeiten hat die Deutsche Lufthansa Berlin-Stiftung (DLBS) als Betreiber die ohnehin schon verkürzte Saison des Flugzeug-Oldtimers komplett gestrichen. „Wir hoffen, im April 2017 wieder starten zu können. Es kann aber auch ein oder zwei Monate später werden“, sagte dem Abendblatt Malte Ommen, Stiftungssekretär und kaufmännischer Leiter der DLBS.

Seit September des vergangenen Jahres steht die Maschine mit der Registrierung D-AQUI in einer Wartungshalle bei Lufthansa Technik auf dem Gelände des Hamburger Flughafens. Die alte Dame hat Rücken: Ein Mittelholm im Flügel ist gebrochen und muss ersetzt werden. Anlässlich des 80. Geburtstags der Jubilarin Anfang April verkündete der damalige DLBS-Vorstandschef Bernhard Conrad noch: „Im Sommer wird sie wieder topfit abheben.“ Doch es kam anders.

Im Zuge der aufwendigen Reparaturarbeiten müssen etliche Teile für die Junkers Ju 52/3 m komplett neu angefertigt werden. Weil die Originalmaterialien heute nicht mehr verfügbar sind, müssen alternative Stoffe und Fertigungswege gesucht werden. Ein geliefertes Ersatzteil habe die interne Qualitätskontrolle nicht bestanden, sagte Ommen. Dabei handelt es sich um Gewindestücke, die die Tragflächen mit dem Rumpf verbinden sollen. In einem alternativen Fertigungsprozess sollen sie nun „gerollt“ werden. Das sei ingenieurstechnisch sehr anspruchsvoll, hieß es. Werkzeuge und Fertigungsparameter wurden entwickelt, das Ende der Fertigung wird nun noch rund zwei Wochen auf sich warten lassen.

Neuer Flugplan kommt Ende November

„Hinsichtlich der Qualität unserer Wartungs- und Überholungsarbeiten machen wir keine Kompromisse, auch wenn wir unsere Ju52-Fangemeinde für die Flugsaison 2016 enttäuschen müssen“, sagte der neue DLBS-Vorstandsvorsitzende Werner Knorr, der Conrad vor wenigen Wochen ablöste. Zuvor war der ursprünglich für Anfang Mai geplante Saisonstart bereits mehrfach verschoben worden.

Vor knapp zwei Wochen informierte die Stiftung alle Besitzer von Gutscheinen für Rundflüge über den Saisonausfall. Obwohl seit dem Saison­abbruch im vergangenen Jahr keine neuen Tickets mehr verkauft worden seien, befänden sich noch immer fast 3000 Tickets im Umlauf. Ihr Geld zurück haben laut Ommen bisher aber nur zehn bis 15 Personen gefordert: „Die Gültigkeit der Gutscheine ist um ein Jahr verlängert worden.“ Wer zum Beispiel für einen 30-minütigen Rundflug schon 219 Euro bezahlt hat, dürfe auch im kommenden Jahr für den Preis fliegen – auch wenn das Ticket künftig 20 Euro mehr kosten wird. Der neue Flugplan soll Ende November oder spätestens Anfang Dezember auf der DLBS-Homepage veröffentlicht werden.

In den kalten Monaten wird das in den Dessauer Junkers-Werken gebaute 16-sitzige Passagierflugzeug stets wieder flottgemacht. Die für den nächsten Winter geplante Verjüngungskur wird nun vorgezogen. Insbesondere an den Tragflächen stehen erneut umfassende Arbeiten an. Diese werden nun statt in zwei Phasen in einem Rutsch erledigt.

„Tante Ju“ ist ein Kulturdenkmal

Die Finanzierung der Gene­ralüberholung wurde auch durch die Politik gesichert. Der Haushaltsausschuss des Bundestages gab Ende Juni in einem Denkmalschutz-Sonderprogramm 400.000 Euro für das Flugzeug frei. „Die materielle Unterstützung der Restaurierung dieses wunderbaren Großraumflugzeugs der 30er-Jahre durch den Bund ist eine ebenso besondere wie verdiente Würdigung der herausragenden Ingenieurleistung von Hugo Junkers“, sagte Knorr. „Tante Ju“ erhielt im vergangenen Jahr als erstes Passagierflugzeug weltweit den Status als bewegliches Kulturdenkmal.

Die 18,90 Meter lange Maschine war 1936 ein Geburtstagsgeschenk für die zehn Jahre alt werdende Deutsche Luft Hansa AG, wie der heutige DAX-Konzern damals geschrieben wurde. Zwei Monate später wurde sie nach Norwegen verkauft, startete und landete auf den dortigen Fjorden mit Schwimmern statt Rädern. Nach dem Zweiten Weltkrieg flog sie in Süd- und Nordamerika, ehe sie in den 80er-Jahren in schlechtem Zustand in den USA auf einem Flugfeld zufällig von Lufthansa-Piloten wiederentdeckt wurde. Der Kranich-Konzern kaufte sie 1984 und holte sie in einem strapaziösen 16 Tage dauernden Flug mit zahlreichen Zwischenstationen in ihr Heimatland Deutschland zurück. Schließlich schafft sie mit ihren 1000 Litern Sprit maximal 500 Kilometer.

5000 Flugstunden in 30 Jahren

Rund zwei Jahre wurde sie in Hamburg totalüberholt und bekam leistungsstarke Kolben-Sternmotoren. Im Anschluss wurde die „Berlin-Tempelhof“ – auf den Namen wurde sie wegen ihres einstigen Heimatflughafens getauft – vom Luftfahrtbundesamt für das Fliegen mit zahlenden Passagieren freigegeben. Als der Airport in der Hauptstadt für immer schloss, machte sie das Licht aus. Zusammen mit einem Rosinenbomber startete sie offiziell als letztes Flugzeug kurz vor Mitternacht am 30. Oktober 2008.

Mehr als 5000 Flugstunden leistete die alte Dame in den vergangenen 30 Jahren, gut 120.000 Gäste brachte sie auf Tausenden Rund- und Streckenflügen in die Luft und wieder auf den Boden. Die Stiftung ist optimistisch, dass „Tante Ju“ nächstes Jahr wieder starten und landen wird. Durch die vorgezogene umfassende Verjüngungskur soll nun sogar das langfristige Ziel erreicht werden: Die Ju52 soll mindestens ihren 100. Geburtstag 2036 in der Luft erleben können – was der Jubilarin zum 80. Jahrestag in diesem Jahr verwehrt blieb.