Hamburg. Flugzeug-Oldtimer feiert 80. Geburtstag am Boden. Ein Holm ist gebrochen. Im Sommer soll die Maschine wieder fliegen
Antriebslos sollte ein Geburtstagskind eigentlich nicht sein. Manchmal geht es aber nicht anders. Vor allem im fortgeschrittenen Alter von 80 Jahren. Halb nackt steht „Tante Ju“ am Mittwoch in einer Wartungshalle bei Lufthansa Technik neben dem Hamburger Flughafen. Die drei Motoren sind abgeschraubt und auf einem Ständer platziert. Die Flügel liegen auf Holzpaletten. Der karge Rumpf ist aufgebockt. Die alte Dame hat „Rücken“. Ein Mittelholm im Flügel ist gebrochen und muss ersetzt werden. Eine 250.000 Euro teure und aufwendige Reparatur.
Feiern will die Deutsche Lufthansa Berlin-Stiftung (DLBS) als Eigentümerin den Geburtstag dennoch. „80 wird man schließlich nicht alle Tage. Vor allem als fliegendes Flugzeug“, sagt der DLBS-Vorstandsvorsitzende Bernhard Conrad. Bis die Junkers Ju 52/3 m aber tatsächlich wieder startet, wird es dauern. Conrad: „Im Sommer wird sie wieder topfit abheben.“ Als Geschenk gab es vom Künstler Hinnerk Bodendieck ein 1,00 mal 1,30 Meter großes Ölgemälde, das meistbietend versteigert werden soll, um die aufwendige Instandsetzung zu bezahlen.
Nach acht Jahrzehnten in der Luft hat „Tante Ju“ eine bewegte Geschichte zu erzählen. Am 6. April 1936 war sie selbst ein Geburtstagsgeschenk; für die damals zehn Jahre alt werdende Deutsche Luft Hansa AG, wie der heutige DAX-Konzern damals geschrieben wurde. Zwei Monate später kam die in Dessau gefertigte Maschine nach Norwegen und flog mit Schwimmern statt Rädern teils militärisch, teils zivil zwischen den Fjorden. 1957 wurde sie nach Ecuador verkauft, brachte fünf Jahre lang Passagiere und Fracht zu Ölbohrercamps im Amazonasgebiet. Nach weiteren Besitzerwechseln entdeckten Lufthansa-Piloten die verfallene Propellermaschine schließlich Anfang der 1980er-Jahre in Florida. Der Kranich-Konzern kaufte den Flieger zurück und brachte ihn nach einem strapaziösen 16 Tage dauernden Flug mit zahlreichen Zwischenstationen am 28. Dezember 1984 wieder auf deutschen Boden.
In einer zweijährigen Verjüngungskur schenkten ihr die Mechaniker von Lufthansa Technik in Hamburg ein „zweites Leben“. Im April 1986 startete sie zum Erstflug über die Hansestadt und erlebte die Taufe auf den Namen ihres einstigen Heimatflughafens Berlin-Tempelhof. Am 30. Oktober 2008 machte sie dort auch das Licht aus. Kurz vor Mitternacht startete sie zusammen mit einem Rosinenbomber als letztes Flugzeug offiziell von dem seitdem geschlossenen Airport. Im vergangenen Jahr erhielt sie vom Amt für Denkmalschutz der Hamburger Kulturbehörde die Anerkennung als „bewegliches Denkmal“ – laut Stiftung als weltweit erstes und einziges für den gewerblichen Flugbetrieb zugelassenes historisches Verkehrsflugzeug.
An der Rückkehr auf die Piste arbeitet Sven Richter. Der 49 Jahre alte Prüfer für Luftfahrtgerät ist seit 14 Jahren einer der Mechaniker für das Flugzeug. In jedem Winter wird die Maschine mit der Registrierung D-AQUI auf Herz und Nieren geprüft. Dieses Mal fällt der Routinecheck etwas länger aus. Schon seit September steht „Tante Ju“ in der Halle. Hunderte Teile liegen abgebaut und auf Tischen verteilt in der Halle. Direkt an der Maschine hat Richter zurzeit nichts zu tun. Er muss warten, bis die Ingenieure für den neuen Aluholm die Freigabe erteilen. Schließlich muss auch das Luftfahrtbundesamt das Ersatzteil noch genehmigen. Erst dann kann Richter zusammen mit seinen Kollegen mit dem Einbau beginnen. „Wenn der Holm eingesetzt ist, fangen wir an, das Fahrwerk anzubauen, abzubocken und die Tragflächen anzubauen“, sagt Richter. Im Anschluss muss die Elektronik zurück an ihren Platz, die Motoren werden angebaut, das Leitwerk, die Propeller und letztlich die Kabine für die maximal 16 Passagiere wieder startklar gemacht. Rund 1000 Arbeitsstunden oder umgerechnet etwa sechs Wochen Beschäftigung liegen noch vor den Mechanikern.
Uwe Wendt freut sich schon, dann wieder an Bord zu gehen. Der 48 Jahre alte Pilot fliegt eigentlich für die Kranich-Linie einen Airbus A340. Rio, Mexiko-Stadt, Bangkok sind die üblichen Ziele in seinem Flugplan. Seine Leidenschaft gehört aber „Tante Ju“. „Das ist das ursprüngliche Fliegen. Wenn wir die Steuerräder betätigen, brauchen wir noch richtig Muskelkraft“, sagt der gebürtige Bad Bramstedter und Ju-Chefpilot. Bei Tempo 120 hebt die Maschine ab, die Reisegeschwindigkeit liegt bei 180 Kilometern pro Stunde. Mit ihren 1000 Litern Sprit sind maximal 500 Kilometer am Stück drin. Wendt und seine derzeit 20 Pilotenkollegen opfern für die alte Dame sogar ihre Freizeit. „Es ist eine große Ehre, die Ju fliegen zu dürfen.“
Für die Stiftung war die D-AQUI schon gut 10.000 Stunden in der Luft, absolvierte mehr als 20.000 Flüge und beförderte mehr als 300.000 Passagiere. Tickets kosten ab 239 Euro für eine halbe Stunde Rundflug. In diesem Jahr wird die Junkers-Maschine nur eingeschränkt fliegen, statt normalerweise 400 Stunden etwa die Hälfte. Eine genaue Prognose, wann die Ju 52/3 mit einer Spannweite von 29,25 Metern ihre 18,90 Meter Länge wieder in die Höhe bewegt, will Conrad lieber nicht geben. Er verspricht aber: „Hamburg wird weniger leiden als andere Standorte. Hamburg liegt uns am Herzen.“