Hamburg. Kupferleitungen völlig überlastet. Firmen klagen über schlechte Gesprächsqualität und langsames Internet. Aber niemand ist zuständig.

Spricht man Norman Gätgens auf Telekommunikation an, bekommt er schlechte Laune. Gätgens ist Chef der HTK Shipping & Logistics, einer kleinen Schifffahrtsspedition im Hamburger Hafen. Kontakte zur Außenwelt, zu Kunden, Reedereien, den Terminals und dem Zoll sind für das Unternehmen besonders wichtig. Doch Telefon und Internet fallen immer mal wieder aus. Dann ist das Unternehmen komplett offline.

Grund ist eine alte, brüchige Kupferleitung, über die alle Unternehmen in der Afrikastraße ihre Geschäfte abwickeln müssen – und diese ist in der Regel überlastet. „Wenn es funktioniert, haben wir eine Übertragungsrate von 250 bis 750 Kilobit pro Sekunde. Damit kann man doch nicht arbeiten“ sagt Gätgens. Zum Vergleich: Die normalen VDSL-Anschlüsse haben heutzutage Übertragungsraten von 50.000 Kilobit pro Sekunde. Die Folge: Wenn von Gätgens’ sechs Mitarbeitern zwei im Internet arbeiten, kommt der Rest der Mannschaft gar nicht mehr online. „Dabei läuft die gesamte Abwicklung über das Internet, von der Anmeldung bis zur Zolldeklaration“, so Gätgens.

Die Telekom handelte, aber nichts funktionierte

Zur Lösung des Problems hat ihm die Telekom zwischenzeitlich eine ­Hybrid-Verbindung eingebaut, die teilweise über das feste Kabel und teilweise über Funk arbeitet. Ergebnis: Nichts funktionierte. Jetzt lässt Gätgens den Auftrag rückabwickeln und kämpft um die Erstattung der Anschaffungskosten in Höhe von 740 Euro.

Ein Stück die Afrikastraße weiter herunter: das gleiche Bild. Hier arbeitet die alteingesessene Werner Bruhns Lagereigesellschaft. „Bei uns ist jedes zweite Telefongespräch gestört. Wir müssen immer wieder unsere Kunden bitten: Rufen Sie uns noch einmal an. Wir können Sie nicht hören“, erzählt Geschäftsführer Michael Bruhns, der zugleich Vorsitzender des Vereins der Hamburgischen Quartiersleute ist. Bei Übertragungsleistungen von weniger als 1300 Kilobit pro Sekunde im Internet seien Datensicherungen und Datenübertragungen an externe Rechner nicht möglich. „Alle reden von Smart-City und Smart-Port, das Telefon- und Datennetz im Hamburger Hafen ist allerdings in einem so schlechten Zustand, das es für viele kleinere Firmen zu einer existenzgefährdenden Bedrohung wird“, schimpft Bruhns. Damit sein Unternehmen erreichbar bleibt, hat er jetzt seine eigene Lösung entwickelt: Bruhns lässt sich eine Richtfunkantenne auf das Dach bauen. „Richtfunk nutzt auch die Bundeswehr in ausländischen Notstandsgebieten“, sagt er.

Kunden in Sibirien mit deutlich besserem Internet ausgerüstet

Das mit dem Richtfunk hat Manfred König, Chef des Quartiersbetriebs Arnold Koch mit 20 Mitarbeitern, auch schon ausprobiert. „Aber die wurde durch das neue Kreuzfahrtterminal auf Steinwerder gestört“, sagt König. Also sei das Unternehmen zur alten Versorgung über das Kupferkabel zurückgekehrt, was schon einmal einen Komplettausfall von vier Tagen am Stück auslöste. „So etwas ist nicht akzeptabel.“ Er habe Kunden im russischen Samara und in Sibirien, die mit deutlich besserem Internet ausgerüstet seien als er, so König. Von der Telekom erwartet er keine Hilfe mehr. Die habe der Firma Arnold Koch den Anschluss an ihr frisch verlegtes Glasfaserkabel angeboten: „Das hätte uns einmalig 6000 Euro für den Bau sowie monatlich 1000 Euro für den Anschluss gekostet. Wir sind ein kleiner Betrieb und können uns jährliche Telefonkosten von 12.000 Euro nicht leisten“, sagt König.

Der steht mit seinem Problem längst nicht allein. Ob in Steinwerder oder auf dem Kleinen Grasbrook: „Die Internetversorgung im Hafen ist katas­trophal“, sagt ein IT-Experte, der viele Kunden im Hafen betreut. „Die Kupferleitungen sind alt, zum Teil feucht, und Anschlüsse viel zu weit weg von der Vermittlungsstelle, was zu einer erheblichen Dämpfung des Signals führt.“ Zusätzliche Probleme würden sich dadurch ergeben, dass die Telekom aus Spargründen die alten ISDN-Anschlüsse abschalten will. „Dann müssen die Telefongespräche auch noch über das Internetkabel geführt werden, was die Übertragung weiter verlangsamt“, so der Experte, der nicht genannt werden will, weil er mit der Telekom zusammenarbeitet. Die Probleme seien dem Konzern bekannt, auch die Hamburg Port Authority kenne die Thematik. „Passiert ist aber bisher nichts.“

Hafenverwaltung HPA lehnt Zuständigkeit ab

Daran wird sich wohl auch nichts ändern. Zwar hat die Telekom von den Problemen gehört, doch investieren will sie im Hafen nicht. „Wir werden noch in diesem Jahr in Hamburg alle normalen Anschlüsse in der Stadt von der 50.000- Kilobit-Übertragungsrate auf 100.000 erweitern“, sagt eine Konzernsprecherin. „Ein Leitungsausbau im Hafen ist aber derzeit nicht vorgesehen.“ Für Geschäftskunden gebe es eigene Lösungen. „Wir raten Firmen, sich an uns zu wenden, damit wir passgenaue Lösungen für sie finden können.“

Auch von der Hamburg Port Authority (HPA) bekommen die Unternehmen keine Hilfe. Sie erklärt sich kurzerhand für nicht zuständig: „Die HPA ist kein Netzprovider“, sagt eine Sprecherin. Sollen im Hafen liegende vermietete Grundstücke ans Leitungsnetz angeschlossen werden, würde dies vom Mieter organisiert und finanziert. Die HPA erteile nur die Genehmigung zur Nutzung des Grundstücks für diesen Zweck, so die Sprecherin.

In ihrer Not werden die Hafenbetriebe jetzt erfinderisch: „Bei uns nimmt inzwischen eine Mitarbeiterin die Daten mit nach Hause und gibt sie von dort ins Internet ein. Das geht mehr als doppelt so schnell“, sagt Erika Kolschewski von der Steinwerder Lagerhaus GmbH. Das sei sehr kompliziert, weil inzwischen alles über das Internet abgewickelt werde – von der Benachrichtigung, dass der betreffende Container gelöscht wurde, bis hin zu dessen Zollfreigabe. „Aber bis sich die entsprechenden Seiten bei uns hochgeladen haben, vergehen viele Minuten – und wenn wir etwas eingeben, dauert es noch länger“, so Kolschewski.

Spediteur Gätgens hat seine eigene Meinung, warum niemand den Ausbau der Leitungen auf Steinwerder und dem Kleinen Grasbrook vorantreibt: „Das ganze Gebiet soll doch neu überplant werden. Solange die Politik nicht sagt, was sie hier vorhat, wird die Telekom keinen Cent investieren.“