Hamburg. Häufige Stürme und Gewitter gefährden die Sicherheit im Hamburger Hafen. Modernste Technik und neue Organisation sind geplant.

Donnerstagnacht in der vergangenen Woche war es wieder so weit. Ein Blick auf die Wetterprognosen, und Hamburgs Hafenkapitän Jörg Pollmann ließ die Notfall-Routine anlaufen. Der Deutsche Wetterdienst warnte vor Unwettern mit zum Teil starker Wärmebelastung. Örtlich kräftige Gewitter mit Starkregen, Hagel und Sturmböen wurden angekündigt. Und während die Feuerwehr sich in der Stadt auf das Leerpumpen vollgelaufener Keller einrichtete, bereitete sich der Hafen auf starken Wind vor.

Eine kräftige Böe kann jedes Schiff von seiner Halteleine reißen. Besonders groß ist das Risiko aber bei den außergewöhnlich großen Containerschiffen, die breite Windangriffsflächen bieten, und wo sich starke Winddruckkräfte entfalten. Reißt sich dabei ein Schiff von der Kaikante los, kann das schnell in einer Katastrophe enden. Um dies zu verhindern, arbeitet die Hamburg Port Authority (HPA) derzeit an einem Sturm-Sicherheitskonzept, mit dem der Hafen Vorreiter in der Welt wäre.

Im vergangenen Jahr rissen an einem Tag fünf Schiffe los

Auslöser war ein Vorfall im vergangenen Jahr. Am 5. Mai 2015 zog eine Gewitterfront mit Sturmböen von mehr als 100 Stundenkilometern über Hamburg. An diesem Tag rissen sich gleich fünf Schiffe von ihren Liegeplätzen los. Nur durch Notankerung konnte ein Fortdriften der Schiffe verhindert werden. „Mein Gefühl sagte mir, dass die Anzahl der Tage mit Starkwind im Hafen zugenommen hat“, erklärt Hafenkapitän Pollmann. Starkwind ist ab Windstärke 8, also wenn die Luft Geschwindigkeiten bis zu 74 Kilometer pro Stunde erreicht. In Böen kommt man dann schnell auch mal auf Stärke 10 – das sind mehr als 100 Stundenkilometer. Die Statistik des Deutschen Wetterdienstes ergab, dass in den Jahren 2011 bis 2014 nur an 16 bis 20 Tagen Windstärke 8 und mehr gemessen wurde. Im vergangenen Jahr waren es aber schon 37 Tage. „Deshalb entschlossen wir uns, das Festmacher-Konzept zu überarbeiten“, so Pollmann.

Dabei war dieses schon in der Vergangenheit ziemlich sicher: Schiffe mit einer Länge von 365 Metern und mehr werden nicht mit zwei oder drei Leinen an der Pier der Containerterminals festgemacht, sondern mit jeweils acht Leinen hinten und acht Leinen vorn. Doch die Zunahme von Unwettern mit überraschend auftretenden starken Böen erfordert ein Umdenken.

Droht ein Sturm, muss vorgesorgt werden

Deshalb soll künftig noch genauer darauf geachtet werden, dass die Taue richtig gespannt sind – nicht zu steil und nicht zu kurz, da sich andernfalls ihre Haltefähigkeit verringert. Kündigt sich Starkwind an, übernimmt in Zukunft die HPA das Vertäuungs-Regime an den Terminals. „Wir geben dann vor, wie die Leinen zu legen sind“, sagt Pollmann. Da die Poller auf dem Kai in einem Abstand von 20 bis 25 Metern aufgestellt sind, kann es dabei passieren, dass ein Schiff schon einmal zehn bis 15 Meter nach vorne oder nach hinten verholt werden muss. „Wir geben dann die Liegeposition vor, auch wenn das teilweise zu leichten Beeinträchtigungen am Terminalbetrieb führen kann. Sicherheit geht vor“, so Pollmann. Droht ein Sturm, müssen die Schiffe so positioniert sein, dass die Distanz zwischen Vorschiff und erstem Poller rund zehn Meter beträgt. „Wir werden uns dann in der zweiten Jahreshälfte die Situation an den Terminals anschauen. Gegebenenfalls werden wir an einigen Stellen neue Poller setzen müssen“, so Pollmann.

Es gibt ein zusätzliches Problem: Hamburg ist ein Tidehafen. Steigt oder sinkt der Wasserspiegel, verändert sich die Kraft auf den Leinen. Damit diese immer gleichmäßig fest sind, werden die Leinen wiederum durch automatische Winden gehalten, die im Notfall Leine nachgeben können. Bei Starkwinden muss die Automatik künftig ausgeschaltet werden. „Zudem müssen die Anker ausgehievt und klar zum Fallen gemacht werden“, sagt Pollmann. Bug- und Heckstrahlruder sollen die ganze Zeit in Bereitschaft gehalten werden.

Internationale Arbeitsgruppe zum Vertäuen von Schiffen

Um die Erfahrung anderer Häfen aufzunehmen, arbeitet die HPA in einer internationalen Arbeitsgruppe „Festmachen von besonders großen Schiffen“ mit. Zudem erstellt sie derzeit ein weltweit einzigartiges Computerprogramm. Dieses soll berechnen können, bis zu welcher Windstärke Schiffe unter Berücksichtigung der Festmacheeinrichtungen sicher an den jeweiligen Kaianlagen liegen können. Dabei greift die HPA auf Daten aus Tests beim Maritimen Kompetenzzentrum für industrienahe Forschung in der Meerestechnik (MariKomm) in Rostock zurück. Dort wird im Windkanal das Verhalten der Schiffe am Kai bei starkem Wind simuliert.

Referenzort ist dabei aber nicht irgendein verwinkelter Kai in einer entlegenen Hafenecke, sondern die exponiert in der Elbe stehenden Finkenwerder Pfähle vor dem Airbus-Werk, an denen Schiffe in Warteposition manchmal vertäut werden. Dort ist die Windangriffsfläche besonders groß.

Bei starkem Wind drücken dann mitunter 500 Tonnen und mehr von der Seite gegen das Schiff. Wenn die Leinen dann nicht reißen, ist die Vertäuung ausreichend. Das Konzept scheint zu greifen: Trotz mehrerer Unwetter mit schweren Sturmböen hat sich in diesem Jahr noch kein Schiff im Hamburger Hafen vom Kai losgerissen.