Neustadt. Gegen den Bremer Harry S. könnte schon am nächsten Verhandlungstag das Urteil gesprochen werden. Experte erläutert IS-Gutachten.

Im Prozess gegen ein früheres Mitglied der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) sollen bereits am nächsten Verhandlungstag, dem 5. Juli, die Plädoyers gehalten und eventuell auch ein Urteil gesprochen werden. Das gab der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts am Dienstag bekannt. Ursprünglich sollte bis Ende Juli verhandelt werden.

Zuvor hatte der renommierte Islamwissenschaftler Guido Steinberg sein Gutachten über Geschichte, Aufbau, Strategie, Finanzierung, Taktik und Öffentlichkeitsarbeit des IS vorgestellt. Wie berichtet, muss sich der Bremer Salafist Harry S. (27) wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung und Verstößen gegen das Waffengesetz verantworten.

Das Propagandavideo hält Steinberg für bedeutend

In dem Prozess hat der Mann bereits eingeräumt, in einem im Juni 2015 entstandenen Propagandavideo eine IS-Flagge gehalten zu haben. Darin ist auch zu sehen, wie zwei Männer hingerichtet werden. Es handele sich um ein bedeutendes Propaganda­video, sagte Steinberg. Nicht nur sei der Drehort, das von den Extremisten verwüstete Palmyra mit seinen antiken Monumenten, in der westlichen Welt sehr bekannt. Auch „dass zwei Menschen vor der Kamera ermordet werden, ist nicht alltäglich“. In dem Video stoßen Terroristen in deutscher Sprache Drohungen gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) aus und rufen zu Anschlägen in Deutschland auf.

Der IS sei die mit Abstand brutalste Terrororganisation, die ihre Anhänger mit der Utopie eines realen Staatsgebildes und der Aussicht auf „Action und Abenteuer“ anlocke, so Steinberg. Allerdings leide der IS unter Geldnot und habe zuletzt große Verluste verkraften müssen, was vor allem mit den Luftschlägen und dem Kampf um die kurdische Stadt Kobane zusammenhänge. 2016 hätten sich noch rund 20.000 bis 30.000 IS-Anhänger in den Kampfgebieten aufgehalten, neueste Schätzungen gingen von nur noch 20.000 bis 25.000 IS-Mitgliedern aus, darunter 700 Männer und 100 Frauen aus Deutschland.

Harry S. hatte beim Prozessauftakt erklärt, dass die Hinrichtung der zwei Geiseln nachträglich in das Video eingefügt worden sei. Er selbst sei zu einer anderen Hinrichtung in Palmyra transportiert worden, er habe aber weder geschossen noch in dem Video etwas gesagt. Einen Monat nach dem Dreh sei er aus dem IS-Gebiet geflüchtet und bei seiner Rückkehr im Juli am Bremer Flughafen verhaftet worden.