Viele Kunden schätzen das Angebot der zwölf Ökowochenmärkte in der Hansestadt. Die Übersicht mit allen Terminen.
Die Currywurst ist bio? Oh, das war Eva Müller gar nicht bewusst. Sie sitzt vor dem Grillimbiss der Metzgerei Dreymann und pickt ihre Currywurststückchen mit einer kleinen Holzgabel auf. Eva Müller kommt zum Ökowochenmarkt auf dem Marie-Jonas Platz in Eppendorf, weil die Currywurst mit Pommes am Stand von Marc Frahm so gut schmeckt. Dass sie mit dem Verzehr der Wurst von Tieren aus artgerechter Haltung regionale Produzenten unterstützt, ist Nebensache. Dreimal die Woche ist Ökomarkt in Eppendorf. Es ist der kleinste und neueste der zwölf Ökomärkte in Hamburg. Das Baby von Anne Faika sozusagen, die die Ökomärkte in den 1990er-Jahren nach Hamburg brachte.
Dienstags ist der Ökomarkt in Eppendorf besonders klein. Heute haben gerade einmal acht Händler ihre Stände aufgebaut. Während ganz in der Nähe am Isemarkt um diese Zeit die Kunden an den Ständen vorbeihetzen, ist es hier vor allem eins: ruhig.
Mittags kommen sie aus den Geschäften her zum Essen. Mütter mit Schulkindern oder eben Eva Müller, die seit Jahrzehnten im Dessousladen an der Eppendorfer Landstraße arbeitet. Zweimal pro Woche gönnt sie sich eine Currywurst. Immerhin: Die 68-Jährige kann bei ihrer kleinen Sünde ein gutes Gewissen haben. Nach den strengen Richtlinien der Bioverbände haben die Tiere der Metzgerei Dreymann viel Platz, ausreichend Bewegung und leben in funktionierenden Sozialverbänden.
„Das ist doch wirklich schön für die Eppendorfer, dass sie hier Fleisch, Obst und Gemüse aus der Region und aus biologischem Anbau kaufen können“, sagt sie. Sie selbst wohnt in Kirchsteinbek und hat Hofläden direkt vor der Tür. „Die Eppendorfer haben das nötige Kleingeld, um Bio kaufen zu können.“
Nicht nur die Eppendorfer. In Zeiten von Massentierhaltung, genmanipuliertem Gemüse und Getreide und Pestizidrückständen in Lebensmitteln geben die Menschen gern etwas mehr aus und kaufen Ökowaren, möglichst aus der Region. „Bio ist mir wichtig, aber es würde nicht klappen, wenn die Sachen nicht auch schmecken würden“, sagt Fritz-Joachim Zieplies (60), Stammkunde am Imbissstand. 90 Prozent der rund 35 Betreiber auf den Ökowochenmärkten sind ökologische Selbsterzeuger, haben ihre Höfe ganz in der Nähe. „Früher waren es ganz spezielle Kunden, Ökopioniere“, sagt Anne Faika. Sie meint damit die Birkenstockträger in selbst gestrickten Norwegerpullis.
Heute ist Öko in der Mitte der Gesellschaft angekommen. „Viele Familien kaufen bewusster ein, sobald sie Kinder haben“, sagt Frau Faika. Der typische Ökomarkt-Kunde habe einen höheren Schulabschluss, häufig ein Hochschulstudium und verdiene überdurchschnittlich. Auch Gourmets seien unter den Kunden, die den besseren Geschmack von ökologisch produzierten Lebensmitteln schätzen, sagt Anne Faika. Sie hat den ersten Hamburger Ökowochenmarkt 1990 in Nienstedten gegründet.
Auch Cornelia Poletto kauft auf dem Markt in Eppendorf
Ausschlaggebend für ihr Engagement war die Tschernobyl-Katastrophe vier Jahre zuvor. Ihre Tochter Birte war damals zwei Jahre alt, ihr Sohn gerade geboren. Weil sich Anne Faika weiterhin gesund ernähren wollte, hatte sie zunächst eine Einkaufsgemeinschaft gegründet und schließlich den ersten Ökowochenmarkt. Sechs Biobetriebe ließen sich damals auf das Experiment ein, einen Markt mit ausschließlich Biolebensmitteln zu gründen, von diesen sind heute noch die Effenberger Vollkornbäckerei und Bioland Frischfleisch Fricke dabei.
Frau Faika geht es um „Lebensqualität im umfassenden Sinne“ und damit auch um den Respekt vor Mensch, Natur und den Tieren. Dafür sucht die 57-Jährige jeden Betrieb mit Sorgfalt aus. Auch auf konventionellen Wochenmärkten gibt es Biostände. Aber eben nicht so ausschließlich wie auf den Märkten von Anne Faika und Tochter Birte, die in die Marktorganisation eingestiegen ist.
Dass Bio innovativ ist, sich stetig weiterentwickelt, zeigt Patrick Wehrend. Sein Marktstand ist ein Fahrrad. Mit dem Lastenrad transportiert er seinen Ministand samt Zutaten für seine veganen Wraps.
Das hört sich dröger an, als es ist: Lecker sehen sie aus, und die Kunden stehen dafür Schlange. Weil vegane Linsenbratlinge so unsexy klingen, nennt er sie Buttjes, so wie seine Oma ihn immer genannt hat. Und das wiederum klingt für einen Wrap besser als Schietbüdel, so hat Oma nämlich seinen Bruder gerufen. Anne Faika: „Die junge Generation unserer Anbieter ist vor allem gut vernetzt – eine neue Szene von kreativen Produzenten mit hohem Qualitätsanspruch und frischem Auftreten, für die Genuss und Ethik zwei Seiten derselben Medaille sind.“
Die Ökowochenmärkte in Hamburg
Patrick Wehrends Bratlinge, ähem, Entschuldigung, Buttjes kommen keinesfalls aus einer Massenproduktion. Er brät sie persönlich und darf dafür die Küche im Restaurant Slowman nutzen. Das trifft auch auf Claudia Weggenmann zu, die aus ihrem Citroën, Baujahr 1954, den Marktbesuchern die Crulle anpreist, eine Mischung aus Croque und Stulle – alles vegetarisch.
Schon seit vielen Generationen betreibt die Familie Harwege den Bauernhof am Tor zur Göhrde. Dort auf dem Demeter-Hof produzieren sie Feingemüse – allein 18 Sorten Tomaten. Jessica Tiggers (24) ist an drei Tagen in der Woche mit dabei und verkauft Tomaten, Brokkoli und Co. Den langen Arbeitstag von 16 Stunden nimmt die gelernte Bankkauffrau dafür gern in Kauf. Marktleute machen das aus Leidenschaft.
Gemächlich ist es auf dem Eppendorfer Markt, nicht zu trubelig wie beim viel größeren Pendant auf dem Ottenser Spritzenplatz. Dafür gibt es etwas zu sehen, Eppendorf eben: NDR-Moderator Ulf Ansorge besorgt sich bei Fischfeinkost Lange ein Fischbrötchen auf die Hand, am Stand von Hof Harwege steht Sterneköchin Cornelia Poletto und kauft für den Kochkurs am Abend einen Wildmix-Salat und für sich selbst kleine Kartoffeln. „Regionale Produkte sind schon super“, sagt sie. Aber der große Biofreund sei sie nicht. Das überrascht. „In erster Linie ist für mich der Geschmack entscheidend, manchmal fehlt dann doch die Frische.“ Bio allein reiche nicht. So toll Galloway-Rinder seien, „sie haben kein zartes Fleisch“.