Hamburg . HafenCity GmbH saniert Schuppen auf früherem Güterbahngelände am Oberhafen. Das Areal soll Platz für mehr als 40 Firmen bieten.

Wer mit der Bahn vom Süden in die Stadt fährt, sieht kurz vor der Einfahrt in den Hauptbahnhof ein ungewöhnliches Bild von Hamburg: Auf der linken Seite Baugruben und Neubauten der HafenCity; rechts aber, eingezwängt zwischen Gleisbogen und einem großen Hafenbecken, fällt der Blick auf ein linsenförmiges Areal mit langen, alten Bahnschuppen. Bunte Graffiti an altem Backstein erkennt man im Vorbeifahren, eine provisorische Bühne aus Holz, ein paar Tische und alte Autos. Eigentlich sollten die Schuppen längst für den Weiterbau der HafenCity abgerissen sein. Doch nun bleiben sie stehen. Mehr noch: die Eigentümerin des 6,7 Hektar großen Grundstücks, die städtische HafenCity GmbH, will die Schuppen im sogenannten Oberhafen-Quartier jetzt mit Millionenaufwand sanieren.

Dort soll eine Art Zentrum für die „Kreativbranche“ entstehen – was zum Teil auch schon jetzt passiert ist: Fotostudios, Künstler, Designer oder auch Kulissenbauer haben dort bereits günstige Produktionsräume gefunden, nachdem sich Bahn und Speditionen von dem Gelände Stück für Stück zurückgezogen haben. Diese Entwicklung hat dann letztlich auch den Ausschlag gegeben, die ursprünglichen Pläne für den Oberhafen zu überdenken. „Einige Pflänzchen sind ja bereits vorhanden, wir wollen, dass dort viele Keime aufgehen“, sagt HafenCity-Geschäftsführer Giselher Schultz-Berndt.

2017 sollen zehn neue Unternehmen einziehen

Die Baugenehmigung für die Sanierung liege jetzt vor, demnächst könnten die Bauarbeiten starten. Eine Ausschreibung für zehn neue Unternehmen ist ebenfalls erfolgt. 2017, so schätzt der HafenCity-Manager, wird der Einzugstermin sein. Etwa 40 Betriebe der Branche würden dann dort ihren Sitz haben. Und Platz für weitere wäre in den kommenden Jahren noch genügend vorhanden.

Wie es heute kurz vor dem Beginn der Sanierung im Oberhafen aussieht, wollen sich Schultz-Berndt und Egbert Rühl bei einem Rundgang anschauen. Rühl ist Geschäftsführer der ebenfalls städtischen Kreativ-Gesellschaft, die überall in der Stadt den meist sehr kleinen Unternehmen aus der kreativen Szene Hamburgs günstige Räume vermitteln soll. Auch hier im Oberhafen ist die Kreativgesellschaft die Vermittlerin für die Vermietung. Bewusst günstig soll sie sein, weil man sich erhofft, dass so Arbeitsplätze und Wirtschaftskraft für Hamburg entstehen, wenn es solche Freiräume und Nischen für diese Branche gibt.

„Das kann man nicht erzwingen, es wird auch Rückschläge geben – aber insgesamt ist es für die Stadtentwicklung wichtig“, sagt Rühl. Zumal in einer Stadt, die wächst und wo die Mieten daher kräftig steigen. Fünf Euro pro Quadratmeter soll künftig die Miete nur kosten im Oberhafen – in der Stadt kann man sonst leicht das Dreifache und mehr zahlen. „Wir subventionieren aber nicht“, sagt HafenCity-Geschäftsführer Schultz-Berndt. Die Sanierungskosten sollen letztlich über viele Jahre durch die Mieten wieder gedeckt werden.

Requisitenverleih, Fotostudios, Konzerte

Eine, die schon jetzt im Oberhafen arbeitet, ist Petra Sommer. Für ihre „Hanseatische Materialverwaltung“ hatte sie gemeinsam mit einem Mitstreiter bereits 2012 bei einer ersten Ausschreibungsrunde den Zuschlag bekommen. Kakteen aus Pappe lagern dort in ihrem Schuppen nun neben alten Möbeln oder einem großen Kamel aus Holz. Die gemeinnützige Materialverwaltung sammelt Requisiten aus TV- und Theaterproduktionen und verleiht sie weiter. Räume für eine solches Projekt zu finden, gestaltete sich für die Filmausstatterin lange als schwierig. „Hätte es nicht den Oberhafen gegeben, wäre ich nach Berlin gegangen“, sagt sie.

Gleich nebenan hat der Fotograf Jürgen Carstensen seine Foto- und Videoproduktionsfirma Living Art, Carstensen ist ein Pionier der Kreativszene hier, seit 17 Jahren schon arbeitet er dort, vornehmlich zu den Themen Wohnen und Einrichten. Seit 2014 hat er seine Studiohalle so umgebaut, dass dort auch Jazz- oder Klassik-Konzerte stattfinden können – ideal, um Netzwerke im Oberhafen zu schaffen, wie der städtische Kreativ-Förderer Egbert Rühl sagt.

Ein solches Netzwerk gibt es in einem Kopfbau an der äußeren Schuppenreihe bereits. Dort hat seit zwei Jahren die Filmfabrique ihr Quartier. In kleinen Büros können dort Freiberufler aus der Filmerszene der Stadt günstig und tageweise Räume mieten, sich Schnittplätze oder ein Studio teilen. Entstanden daraus ist das Unternehmen SpiceVR, das nun ein Stockwerk höher gezogen ist. Das Unternehmen hat eine neuartige Drohne entwickelt, mit der spektakuläre 360-Grad-Aufnahmen gemacht werden können. Für Filmproduktionen oder auch für andere Anwendungen – etwa, indem sich Konzertbesucher vorab anschauen können, welche Sicht genau ihr Platz haben wird. Gerade sind Mitarbeiter in den USA, um das im Oberhafen entwickelte Patent vorzustellen.

Wie ein solcher 360-Grad-Film funktioniert, lässt sich HafenCity-Geschäftsführer Schultz-Berndt mit einer Spezialbrille demonstrieren. Der Film zeigt einen Rundflug der Drohne durch die HafenCity – und dann auch zum Oberhafen. Wie ein Vogel scheint man über diesem Areal zu kreisen, das so abgeschnitten und doch so nah zugleich zur Innenstadt liegt. Schulz-Berndt wackelt leicht, so als flöge er selbst. Und er lächelt. Ein Keim hier dürfte eben bereits aufgegangen sein.