Hans-Martin Gutsch arbeitet für Pink Floyd, Revolverheld, aber auch McDonald’s. Martina Goy traf einen echten Vielseiter.

Eines der ungewöhnlichsten Geburtstagsgeschenke hat ihm vor Jahren Leander Haußmann gemacht. Der Regisseur des Kultfilms „Sonnenallee“ rief an, gratulierte und fragte, ob er Lust habe, in seinem Film „Dinosaurier“ einen Anwalt zu spielen. „Ich war total überrascht“, sagt Hans-Martin Gutsch. „Natürlich habe ich zugesagt. Erst hinterher dachte ich: Worauf hast du dich da bloß eingelassen?“ Weil er alles richtig machen wollte, ließ er sich von Lutz Herkenrath, einem bekannten Schauspieler, vorher coachen. „Ich hatte so etwas ja noch nie gemacht.“

Dass es am Ende ganz anders kam als gedacht, war eines der prägendsten Erlebnisse, die der Rechtsanwalt Hans-Martin Gutsch, Spezialist für Urheber-, Verlags- und Lizenzrecht, von seinem Ausflug zum Filmset in Berlin wieder mit nach Hause nahm. „Während der Zugfahrt hatte ich das Drehbuch mit meinen paar Sätzen noch einmal genau gelesen“, erzählt er. Und in seinem Kopf hatte er das Szenario seines Auftritts zigmal durchgespielt. Doch als er ankam, hieß es nur, gut, dass sie da sind: „Leander hat die Szene gestern Nacht noch einmal umgeschrieben.“ Improvisation war angesagt.

Sich nicht auf das Erwartete verlassen zu können, sich unvorbereitet auf eine neue Situation einstellen zu müssen, scheint auf den ersten Blick das genaue Gegenteil von dem zu sein, was die Arbeit eines Rechtsanwaltes ausmacht. Trockenes Aktenstudium, Schriftverkehr in ödem Juristendeutsch und zähflüssige Gerichtsverhandlungen mit abgesprochener Rollenverteilung passen da eher ins vom TV-Konsum geprägten Bild.

Doch was Vorurteile wert sind, zeigt die Begegnung mit Hans-Martin Gutsch, 53, ehemaliger Vorstand der Edel AG und Gründer des Hamburger Standortes der Kanzlei Sasse & Partner. Statt im Anzug und mit akkuratem Haarschnitt empfängt er lässig in Jeans, weißem Hemd und modisch abgescheuerten Schnallenschuhen. Die längeren Haare, die er auf dem Foto der Internetseite noch trägt, sind zwar ab, doch die Naturwelle ist auch kurz ziemlich ungebändigt. An seiner Seite wedelt Bürohund Lila zur Begrüßung freundlich mit dem Schwanz. Das nutzt allerdings nichts. Der Gast hat Angst vor Hunden, also muss der Golden Re­triever ins Nachbarzimmer.

Sasse & Partner in der Hansestadt, das sind Hans-Martin Gutsch und sein Freund Thomas Schlegel. Sie leiten die Anwaltskanzlei für Medienrecht seit 2003 gemeinsam. Die Aufgabenverteilung im Rahmen der Kanzleiadminis­tration beschreibt Gutsch so: „Mein Partner Thomas Schlegel ergänzt mich kongenial. Er hat den Blick für Zahlen und alles, was mit Technik und Computern zu tun hat. Aber ohne unsere wunderbaren Anwaltskollegen und Mitarbeiter, würde es nur halb so viel Spaß machen.“ Jeden Morgen um 9.30 Uhr treffen sich die beiden Männer zum informellen Austausch für den Tag. „Dabei geht es nicht nur ums Geschäft“, sagt Gutsch. „50 Prozent unserer Gespräche sind privat.“

Der Kanzlei bekommt die Freundschaft gut. Neben Film- und Fernsehunternehmen sowie Mode- und Werbefirmen gehören Bands wie Revolverheld, Stanfour oder Motörhead, international erfolgreiche Player wie die Aida-Gruppe und McDonald’s zu ihren Mandanten, aber auch die Kindermoden-Kette Bellybutton und Schuhhändler Görtz. Dabei geht es, anders als viele denken, in dem Geschäft mit Justizia nicht nur darum, illegale Downloads, Tauschbörsen und Fälle von Produktpiraterie zu verfolgen oder die Urheberrechte von Autoren, Musikern oder Fotografen einzuklagen. Sasse & Partner sind vor allem auch international gefragte Branchengrößen, wenn es um Verträge innerhalb der Entertainmentindustrie oder die Realisierung von kreativen Projekten geht. „Wir nehmen für unsere internationalen Mandanten ihre deutschen Belange wahr.“ Dazu gehören Weltstars wie Genesis, Iron Maiden und Pink Floyd.

„Ich bin selten im Gerichtssaal“, sagt Gutsch. Darüber ist er froh. Zwar ist sein Metier das manchmal durchaus komplexe Vetragsrecht dieser Branche. „Aber ich bin auch Teil des Schaffensprozesses der unterschiedlichsten Projekte von Künstlern und Unternehmen. Das ist unglaublich bereichernd. “

Seit 2011 residiert Sasse & Partner am Elbufer in einem modernen Glas-Betongebäude. Dort haben die Büros Fenster vom Boden bis zur Decke, der Blick geht weit hinaus auf den Fluss mit seinen vielen Schiffen. Für einen Bürohund ist das Gelände am Wasser das perfekte Terrain für spannende Spaziergänge. „Manchmal fehlt mir der Trubel aus Eimsbüttel“, sagt Gutsch. In dem Stadtteil mit dem bunten Lebensmix fing die Bürogemeinschaft vor 18 Jahren im Loft einer ehemaligen Batteriefabrik an. Inzwischen beschäftigt die Kanzlei 20 Mitarbeiter.

Dass er einmal Rechtsanwalt werden würde, war für den Sohn eines „liberalen Lehrer-Ehepaares aus Göttingen“ schon mit 14 Jahren klar. „Ich wollte weder die Welt retten noch hatte ich ein besonders ausgeprägtes Rechtsbewusstsein, aber es war einfach mein Berufswunsch.“ Zum Studieren ging er nach Hamburg, machte das erste Staatsexamen und landete bei einem der erforderlichen Auslands-Praktika beim Deutschen Konsulat in Boston. Weil Geld damals noch knapp war, kam er in einer Wohngemeinschaft unter, in der er auf den Trommler Ben und den Schlagzeuger Christoph traf, beide Absolventen des berühmten Berklee College of Music – und wie er aus Deutschland. Die Mitbewohner rieten ihm, unbedingt Musikanwalt zu werden. Davon gebe es viel zu wenige.

Zurück in Hamburg machte Gutsch sein letztes Praktikum bei Edel Music. Ausgerechnet. Dort wurde gerade die Stelle als Leiter der Rechtsabteilung frei. Und Gründer Michael Haentjes wusste wohl damals schon, dass er mit dem großdenkenden Jung-Anwalt einen Solitär als Mitarbeiter bekam. Es folgte eine Karriere bis hinauf in den Vorstand. Von 1998 bis 2001, es war die Zeit des Neuen Marktes, kaufte und verkaufte der Jurist Gutsch viele Musikunternehmen, vor allem im Ausland. Doch dann platzte die Börsenblase, und die Auswirkungen trafen auch das Hamburger Unternehmen. Man trennte sich von den Tochterfirmen und ließ im Zuge der Restrukturierung auch den verantwortlichen Vorstand in die Selbstständigkeit ziehen. Inzwischen gehört die Edel AG als einer der wichtigsten Mandanten zum Portfolio der Kanzlei und Urgestein Haentjes zum gewachsenen Freundeskreis.

Mit seinen Söhnen hatte er einen Gastauftritt im Video von Andreas Bourani

„So, was wollen Sie nun noch wissen?“, fragt Gutsch und hält kurz beim Erzählen inne. Natürlich ist der Mann bestens vorbereitet auf dieses Gespräch. Nachfragen erübrigen sich. Wie selbstverständlich reiht sich Anekdote an Anekdote. Dass darin prominente Namen eine große Rolle spielen, liegt in der Natur des Jobs. Mit anregenden Nebenwirkungen. So brachte Gutsch seine Darstellungsqualitäten nicht nur beim Film ein, gerade eben hatte er mit seinen Söhnen, 14 und 18 Jahre alt, einen Gastauftritt im neuen Video von Andreas Bourani, Sänger des WM-Fußballhits „Auf uns“. Und mit Martin Gallop, kanadischer Sänger und Liedermacher, spielte er für seine Frau zum 15. Hochzeitstag ein von ihm komponiertes Lied ein. „Wollen Sie mal hören?“ „Sehr gern!“ ... „Wie war die Reaktion?“ „Nächste Frage.“ Zur Info: Für einen Nicht-Profi singt der Anwalt gar nicht mal so schlecht.

Einmal dabei, verborgene Schätze zu heben, hat er noch etwas Besonderes zu bieten. „Es ist ein bisschen peinlich. Aber wir waren jung und brauchten das Geld.“ Wir, dazu gehörte zu Studentenzeiten Lou Richter, heute bekannt als Comedian und Moderator. Das Duo dichtete und sang unter Zuhilfenahme so manchen Getränks: „Die Sonne scheint ins Kellerloch, einen können wir noch.“ Dieses Trinklied schaffte es nicht in die Charts.

Gutsch grinst, schaltet die Musik- anlage aus. „Sie vergessen aber nicht in die Geschichte reinzuschreiben, dass meine Kernkompetenz darin besteht, 30 Seiten lange Verträge auf Gemeinheiten hin zu prüfen?“ Keine Sorge. Aber es war spannend kurz einzutauchen in die Welt der Musikanten und ihrer Hintermänner.